Hattingen. . Im Altstadtgespräch machen Fachleute deutlich, welche Gesundheitsrisiken schlechte Ernährung mit sich bringt. Diabetologe fordert Gegenmaßnahmen.
Sie werden dick und dicker, unsere Kinder. Eine Entwicklung, die man scheinbar nicht aufhalten kann. „Es ist ein schwerer Weg, aber wir müssen etwas tun, vor allem ein Netzwerk bilden mit Schule und Politik.“ Das war das Fazit von Prof. Juris Meier, Chefarzt und Diabetologe an der Klinik Blankenstein, beim Altstadtgespräch in der Heggerfeldschule.
Mit der Ernährung unserer Kinder stimmt etwas nicht. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der Anteil der stark übergewichtigen Kinder verdoppelt. Tendenz – steigend. „Wir sind nicht Weltmeister, aber Europameister im Gewichtzulegen“, sagt Meier. Eine echte Gefahr, denn Übergewicht werde man kaum wieder los und zum Beispiel Diabetes, früher Alterszucker genannt, kommt immer häufiger bei Kindern und Jugendlichen vor.
Das Verhalten ändern
Bei gesunder Ernährung, Gemüse und Salat, gibt es bei den meisten Kindern lange Gesichter. „Ich kenne das ja selbst auch“, sagt Juris Meier. „Wenn man den Kindern etwas Gesundes zu essen gibt, ist man ein doofer Papa, wenn man mit Süßem kommt, ist man ein ganz toller Papa.“ Zum großen Teil sei auch die Industrie schuld an der Entwicklung. Neun von zehn Lebensmitteln, die heute mit Comicfiguren beworben werden, sind zu süß, zu fettig oder zu salzig.
Dass nicht allein Schule diese Entwicklung aufhalten kann, machen Lehrer klar. „Es sind auch die Eltern gefragt, aber die kann man oft nicht zu einer Verhaltensänderung bewegen.“ Außerdem sei es für kinderreiche Familien mit kleinem Budget kaum machbar, die Kinder mit Biolebensmitteln gesund zu ernähren, sagte die Konrektorin Fatma Tek-Cordes. Dem widersprach der Diabetologe energisch. „Das ist nicht wahr. Bio ist gar nicht nötig. Man kann Obst und Gemüse für wenig Geld kaufen und leckeres Essen zubereiten. Das ist nur eben aufwändig und mit Mühe verbunden“, betont er.
Dr. Helfried Waleczek, Chefarzt der Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus, schildert, warum es so schwierig ist, sein Verhalten zu ändern. „Früher musste der Mensch nach Essen suchen. Wenn er dann etwas gefunden hatte, hat er sehr viel gegessen, denn es war ja nicht klar, wann er wieder eine Mahlzeit zu sich nehmen konnte. Dieses Verhalten haben wir immer noch in uns.“ Eine Verhaltensänderung sei trotz gesundheitlich gravierender Folgen schwierig zu erreichen. „Das sieht man übrigens auch an Menschen, denen Zehen oder Teile vom Bein abgenommen werden müssen, und die trotzdem mit dem Rauchen nicht aufhören.“
Einmal täglich gemeinsam essen
Was kann man bei der Ernährung tun? Zum Beispiel Wasser zu trinken statt Obstsäfte, die enorm viel Zucker und dadurch viele Kalorien haben. Oder den Kindern Obst geben, statt fünfmal am Tag Schokolade. Meier betont, man müsse nicht ganz auf Süßigkeiten verzichten, aber eben in Maßen genießen und nicht in Mengen.
Auf ein absolutes Ärgernis weist der Diabetologe hin. „Dann macht ausgerechnet Nationaltorwart Manuel Neuer Werbung für süßen Schoko-Aufstrich. Was für eine Wirkung auf Kinder, für die er doch Idol ist.“ Auch Sport helfe, dass Kinder ein vernünftiges Gewicht halten oder bekommen. „Aber wie viele Kinder sind noch in Sportvereinen“ fragt Diabetesberaterin Beate Riedel. Für sehr wichtig hält Juris Meier, dass Eltern und Kinder mindestens einmal am Tag ein gemeinsames gesundes Mahl zu sich nehmen.