Löwenzahn, Brennessel, Giersch, Vogelmiere & Co wachsen überall – und schmecken nicht nur in Suppen, Salaten oder Pesto...

Gundermann ist ihr das liebste. Früher legte man die Blätter des lila blühenden Krauts auf eitrige Beulen (Eiter = Gund, althochdeutsch); heute bekämpfen es Landwirte mit Glyphosat. Ursula Stratmann behauptet: „Es schmeckt fantastisch auf Käsebrot.“ Die 59-Jährige aus Sprockhövel ist Diplom-Kräuterfachfrau – und kann von dem, was Bauern und Gartenbesitzer bloß nervt, gar nicht genug bekommen. Sei es nun Gundermann, Schafgarbe, Vogelmiere, Giersch, Löwenzahn oder Taubnessel...

Aus Giersch, Löwenzahn, Brennnessel und Taubnessel lässt sich ein leckeres Pesto zaubern.,
Aus Giersch, Löwenzahn, Brennnessel und Taubnessel lässt sich ein leckeres Pesto zaubern., © dpa Picture-Alliance / F. Hecker

„Unkraut“, findet Ernährungsexperte Markus Schrittenlacher, sei für solche Leckereien der falsche Begriff: „Das heißt Wildkräuter!“ Er mag sie in Suppen, Salaten oder Pesto und liebe vor allem Bärlauch. In seinen Kochkursen an der Familienbildungsstätte Bochum verwende er ihn oft, etwa im Dip zur Gemüsewaffel oder in einer Frittata. „Und das kommt stets super an.“ Auch die Blüten mancher wilder Kräuter schmeckten gut, und die seien zudem „ungeheuer dekorativ“, betont der 49 Jahre alte Ökotrophologe. Thymianblüten machten sich beispielsweise kombiniert mit Eis und/oder Erdbeeren bestens als Nachtisch. „Und viele wissen gar nicht, dass man die essen kann...“

Über 1500 verschiedene Unkräuter in Deutschland

Er rät: einfach ‘mal ausprobieren, der Fantasie keine Grenzen setzen. „Bei Wildkräutern kann man nichts falsch machen“ – solange man sie in kleinen Mengen verwendet. („Zuviel Waldmeister, also: Hände voller Waldmeister, sind schon ein bisschen toxisch“.) Und wer Probleme habe, leckeren Bärlauch vom giftigen Maiglöckchen zu unterscheiden, müsse nur ein Blättchen zwischen den Fingern zerreiben: „Bei Bärlauch bleibt ein intensiver Knoblauchgeruch haften, bei Maiglöckchen nicht.“

Ein Körbchen Gesundes – selbst gesammelt sind die Vitaminbomben-Wildkräuter sogar gratis. ]
Ein Körbchen Gesundes – selbst gesammelt sind die Vitaminbomben-Wildkräuter sogar gratis. ] © dpa Picture-Alliance / F. Hecker

Über 1500 verschiedene Wildkräuter gibt es angeblich in Deutschland und sie wachsen überall: an der Ruhr, am Waldesrand, sogar im Stadtpark. Für unsichere „Unkraut-Anfänger“ empfiehlt sich womöglich dennoch zum Einstieg eine der vielen geführten „Kräutertouren“. Ursula Stratmann beispielsweise bietet sie seit Jahren an: überall in NRW, jeden Monat andere, der Jahreszeit angepasst. Im Mai etwa sammelte sie mit Interessierten am Kemnader See Zutaten für einen „Anti-Aging-Wildkräutersalat“.

Das Ruhrgebiet, behauptet die studierte Biologin, sei ein wahres Kräuter-Paradies: „Denn hier treffen sich die Kontinente.“ Per Schiff oder Lkw landeten Pflanzen(samen) aus aller Welt bei uns: vom Dänischen Löffelkraut über Kanadas Riesen-Goldrute bis zum Staudenknöterich aus Japan wurden sie hier heimisch. Den verhassten, weil überaus wüchsigen japanischen Knöterich, der aussieht wie Bambus, taufte Stratmann inzwischen aber um, in „Ruhr-Rhabarber: weil der Kompott, den sie mit etwas Wasser und Zucker daraus kocht, genauso wie der aus Rhabarber schmecke. „Man kann die Stangen auch mit Frischkäse gefüllt überbacken, in eine Gemüsepfanne geben oder auf Pizza packen...“

„Der Geschmack ist etwas gewöhnungsbedürftig“

 Giersch: enthält 18-mal soviel Vitamin C wie Kopfsalat
Giersch: enthält 18-mal soviel Vitamin C wie Kopfsalat © dpa Picture-Alliance / Mascha Brichta

Der Geschmack anderer wilder Kräuter ist eher „gewöhnungsbedürftig, viele sind herber und härter im Biss, nicht so fluffig“, gibt die Expertin zu. Doch Löwenzahn & Co. sind erstaunlich gesund: „Wildkräuter enthalten viele Mineral- und wertvolle Vitalstoffe“, betont Ökotrophologe Schrittenlacher. Sein Favorit Bärlauch etwa senke Cholesterinspiegel und Blutdruck, helfe bei Verdauungsstörungen und Erkältungen. Tatsächlich ist manches „Unkraut“ eine echte Vitaminbombe: Giersch enthält 18-mal soviel Vitamin C wie Kopfsalat; Gänseblümchen und Taubnesseln stecken voller B-Vitaminen und Vogelmiere birst schier vor Kalium, Magnesium, Eisen, Vitamin A und C .

Also: Ran an den Gundermann. Wen bloß der Name schreckt: Man nennt ihn auch „Gretel in der Hecke“ oder „Guck durch den Zaun“.