Gelsenkirchen. . Eisbär-Mädchen Nanook erkundet 130 Tage nach seiner Geburt erstmals das Außengehege im „Zoom“. Und geht mit Mutter Lara erstmal schwimmen.

Gute Frage, wer neugieriger war: die Welt auf Gelsenkirchens Eisbär-Baby oder das Baby auf die Welt. Jedenfalls ist ihre erste Begegnung eine Sache von Sekunden. Klappe auf, Tatze vor die Tür, gestatten: Nanook. Erstes Eisbärkind im „Zoom“, Tochter von Bill (10) und Lara (13), 130 Tage alt, geschätzte 22 Kilo schwer. Die Spannung vor dem Gehege entlädt sich in einem Seufzer, mehr als hundert geladene Gäste sind auf der Stelle verliebt.

Was das Bärchen entschlossen ignoriert. Auf einen Funkspruch schiebt Revierleiter Markus den Schieber auf, es ist viertel nach zwölf, und schon steckt Nanook die Nase an die Luft und tollpatscht durch das unbekannte „Draußen“. Ein Fels, ein Stein und Gras! Der Eisbär, gar nicht weiß, sondern, freundlich formuliert, eher golden, wälzt sich in der Wiese – und ist nun grün. „Es probiert alles aus“, sagt die Zoo-Tierärztin liebevoll. Nach vier Monaten mit Mama in der dunklen Wurfbox!

Dr. Pia Krawinkel, heute mit Eisbär-Pulli und Eisbär-Schal, hatte nichts anderes erwartet, „sie ist so neugierig“, aber nun staunt sie doch. „Ich hätte gedacht, dass Lara sich mehr kümmert.“ Das macht die Eisbärin auch, knufft, stupst, gibt Nasenküsschen – aber spaziert dann geradewegs ins Wasser. Das Baby hinterdrein. Schwimmen kann es, das Publikum sieht es atemlos, und doch bekommt die Tierärztin „Bauchgrummeln“.

Denn was das Baby nicht kann, ist: aus dem Wasser klettern. Da hängt es am felsigen Ufer und strampelt mit den kurzen Beinen. Mutter Lara zieht mit den Zähnen am Kuschelfell, vor den Scheiben feuern Herren in Anzügen das Tierchen an: „Popo hoch!“ Als der kleine Eisbär es an flacher Stelle endlich schafft und sich tüchtig schüttelt, regt sich leiser Applaus.

Auf Hühnchenfleisch ist das Bärenkind „ganz heiß“

„Den ersten Schwimmkurs überlebt“, konstatiert trocken Pflegerin Caroline. Sie hat es ja gewusst, „es hatte seit Wochen Super-Lust auf Wasser“, hatte es nicht schon mit dem Reinigungs-Schlauch gespielt und in der Tränke geplanscht? Caroline kennt das Bärchen, „seit es so klein war“ – sie zeigt von den Fingern bis zur Handwurzel –, hat es gefüttert mit Salat und Brot, gibt ihm inzwischen Hack, Fisch und „Hühnchen, da ist sie ganz heiß drauf“. Große Fleischstücke kann das Bärenkind zwar noch nicht zerreißen, wohl aber werfen, „das geht auch mit Äpfeln ganz prima“.

Eisbärbaby Nanook erkundet zum ersten Mal das Außengehege.
Eisbärbaby Nanook erkundet zum ersten Mal das Außengehege. © Fabian Strauch

Die 43-Jährige kann das Geräusch imitieren, das Nanook beim Trinken macht, eine Mischung aus Glucksen und Schnarren, sie sagt, es sei sehr laut. Sie weiß auch, wie das Jungtier schon schreien kann, fast wie die Mutter. Die hat getobt, als man ihr das Baby wegnahm, neun Minuten haben die Pfleger gebraucht, zum Wiegen, Impfen, Entwurmen, aber Lara war zwei Tage beleidigt. Nach vier Monaten kann Caroline nun ihr „Lara-TV“ abstellen, jeden Morgen galt ihr erster Blick dem Computer, auf dem die Kamera jede Bewegung des Babys zeigte. „Es ist so schön, es pflegen zu dürfen.“

Auch Kollege Armin ist gerührt, in über 30 Zoo-Jahren hat er noch keine

Eine Sekunde später hat Nanook sich im Gras gewälzt – da war sie grün.
Eine Sekunde später hat Nanook sich im Gras gewälzt – da war sie grün. © Fabian Strauch

Eisbärenkindheit mitgemacht. Denn nie hat bislang ein Baby überlebt, auch dieses ist eigentlich ein Drilling; die Geschwister lebten nur wenige Tage. Dass das stämmige kleine Wesen, etwa so groß wie ein Labrador, nun Nanook heißt, freut den Zoo. Es war seine Idee, Nanook (sprich: Nanuuk) heißt „Eisbär“ in der Sprache der Inuit. Originell ist das vielleicht nicht, aber Tierärztin Krawinkel kann „eine Botschaft damit verbinden“: Der Eisbär ist ein Raub- und kein Kuscheltier, und er ist bedroht. Die anderen Namen, sagt die Ärztin leise, waren „auch nett, aber Menschennamen“.

Krawinkel will das Tier „nicht vermenschlichen“, aber nun: Vor dem Gehege stehen gestandene Geschäftsleute mit Herzchen in den Augen, das Wort des Tages heißt „süß“ mit drei Ü, dabei sind fast keine Kinder anwesend. Es gibt Nanook in Plüsch zu kaufen, und der Oberbürgermeister sagt, sie soll „ein Markenzeichen“ werden. Es ist noch nicht Nachmittag, da wirbt der „Zoom“ auf allen Seiten mit den ersten Fotos: „Hallo Nanook!“

INFO: AB SOFORT IM ZOO ZU SEHEN

Gelsenkirchens Eisbärbaby, das gestern den Namen Nanook bekam, wurde am 4. Dezember 2017 geboren. Zwei Geschwister überlebten nicht. Die ersten Monate verbrachte es mit seiner Mutter in der Wurfbox, eine Vorsichtsmaßnahme: Die Sterblichkeit bei Jungtieren ist hoch.

Ab sofort können Zoobesucher Mutter und Jungtier im Außengehege sehen.

Video unter waz.de/nanook