Düsseldorf. Wo sind eigentlich Hasen, Wildkaninchen und Fasanen? Die Zahlen sind in Nordrhein-Westfalen eingebrochen. Experten vermuten verschiedene Gründe.
Mit Blick auf die Schweinepest wird viel über die Wildschweine in NRW geredet. Auch der Streit um die Fuchsjagd genießt Aufmerksamkeit. Aber kaum jemand beschäftigt sich mit einer Frage, die – ökologisch betrachtet – wohl noch brisanter ist. Wo sind eigentlich die Hasen, Wildkaninchen und Fasanen?
Dahinter steckt Dramatik. Neulich stand in einer Antwort des NRW-Umweltministeriums auf eine Grünen-Nachfrage ein Hinweis, der aufhorchen lässt: Feldhase und Fasan befänden sich in einer „beispiellosen Bestandsmisere“. Landesumweltverwaltung, Jäger und andere Naturschützer sind alarmiert, weil die jährliche NRW-Jagdstatistik inzwischen das Verschwinden von drei Arten belegt, die bisher selbstverständlich in unsere Landschaften gehörten.
Verschlechterung des Lebensraums
In der „Landesjagdstrecke“ wurden im vergangenen Jahr rund 47 000 Feldhasen, 64 000 Wildkaninchen und etwa 35 000 Fasanen gezählt. Vor zehn Jahren waren es noch rund 170 000 Hasen, 134 000 Kaninchen und 193 000 Fasanen. Dieser Trend hält schon sehr lange an. „Im 9. Jahr in Folge“ sinkt laut der NRW-Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung die Zahl der gejagten Wildkaninchen, zuletzt sogar um satte 30 Prozent.
Bei den Feldhasen liegt das Minus im Jahresvergleich bei 13 Prozent, beim Fasan bei sechs Prozent. Wer sehr weit zurück blickt, erkennt die besondere Dramatik bei den Fasanen. Den rund 35 000 erlegten Tieren aus der vergangenen Jagdsaison 2016/17 steht die Rekordzahl von rund 438 000 Tieren aus der Saison 1971/72 gegenüber.
Kann man in diesen Statistiken erkennen, dass die genannten Arten tatsächlich bedroht sind? Man darf ja vermuten, dass sich aus einer Jagdstrecke nicht zwingend eine Bestandsaufnahme herausinterpretieren lässt. „Strecke ist nicht gleich Bestände“, bestätigt Andreas Schneider vom Landesjagdverband NRW.
Jäger üben freiwllig Verzicht
Viele Jäger übten aber freiwillig Verzicht, weil sie registrierten, dass es nur noch wenige dieser Tiere gebe, erklärt Schneider. „Wir beobachten seit Jahren mit Sorge die Entwicklung beim Niederwild.“ Der Rückgang bei den Feldhasen liegt aus Sicht vieler Jäger wohl an der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft und im Jahr 2016 auch noch am feuchten Wetter. Bei den Kaninchen komme eine Anfälligkeit für Tierseuchen wie Myxomatose hinzu, die die Populationen reduzierten.
Eine fortschreitende „Lebensraumverschlechterung“ trifft laut dem Wildtier-Informationssystem der Länder viele Tiere in der Natur. Die Fasanen leiden wohl auch unter dem Insektensterben. „Die Küken brauchen als Nahrung eiweißreiche Insekten, die aber werden immer seltener“, so Birgit Königs vom Naturschutzbund (Nabu) in NRW.
Aus diesem Grund sind wohl auch die Rebhuhnbestände eingebrochen. Maisfelder, die Wildschweinen Schutz und Nahrung bieten, sind für Fasanen und andere Vögel ungeeignet. „Wie soll ein Fasan dort überleben?“, fragt der Jäger Andreas Schneider.
Experten vermuten einen Ursachen-Mix
Fasanen-Experte Ulrich Vogt von der Tierärztlichen Hochschule Hannover vermutet einen Ursachen-Mix. Es gibt keine Beweise, aber Indizien: „Die sinkende Insektenmenge, die Witterung, der Einfluss von Räubern wie Fuchs und Marder, der Mangel an Blühstreifen an den Feldrändern tragen wohl dazu bei“, so Vogt. Auch der Einsatz von Planzenschutzmitteln könne eine Rolle spielen, bewiesen sei das aber nicht. Bei den Hasen scheinen Menge und Qualität der Muttermilch eine Rolle zu spielen. Wildkräuter, die klassische Hasennahrung, seien seltener, aber wichtig für eine gute Milch.
Was kann man tun? Vogt und andere Experten fordern eine veränderte Agrarlandschaft mit breiteren, blühenden Randstreifen. Die Bauern benötigten mehr Unterstützung aus der Politik, um sich solche Maßnahmen leisten zu können. Interessant ist, dass das Verschwinden der Arten ausgerechnet 2008 begann: Da endete die staatlich verordnete Stilllegung von Agrarflächen.