Mülheim. Beim WAZ-Medizinforum im Evangelischen Krankenhaus ging es um Verletzungen an Händen und um die Chancen und Grenzen der Rekonstruktion.

Die Klinik für Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie hat es oft mit schrecklichen Verletzungen zu tun, mit zerstückelten und abgetrennten Gliedmaßen. Manchen Fotos, die Chefarzt Dr. Christian Soimaru bei seinem Vortrag zeigt, schickt er denn auch eine Warnung voraus. Nicht jeder kann das gut sehen. Und doch beeindruckt die bildliche Darstellung, die auch zeigt, was Mediziner heute rekonstruieren können. Vor allem die Hände sind häufig von Verletzungen betroffen.

Um die Hand drehte sich am Mittwochabend das erste WAZ-Medizinforum in diesem Jahr. Chefarzt Soimaru sprach im voll besetzten Konferenzsaal mehrfach vom Wunderwerk Hand. 27 Knochen, 30 Muskeln, zahlreiche Sehnen und Blutgefäße, Tausende von Fühlkörperchen – das alles ist Hand, die zugleich die beweglichsten Gelenke am ganzen Körper aufweist. Viele Menschen haben Probleme an den Händen, ob als Folge von Unfällen oder durch Arthrosen oder durch Infektionen. Selbst unscheinbare Verletzungen können sich zu einer ernsten Bedrohung entwickeln. Bisswunden, die gar nicht so selten sind, gehörten dazu. Mag die Wunde oberflächlich schnell verheilen, so können eingedrungene Keime schwerste Entzündungen hervorrufen. Auch diese Bilder erschrecken. „Das ist ein Fall für den Arzt“, betont Soimaru und warnt davor, zu lange zu warten.

Auch Gewebe und Nerven versetzen die Chirurgen

Handchirurgen sind Handwerker, dabei arbeiten sie durchaus mit feinsten Drähten und Geräten. Minimalinvasiv wird auch hier manches repariert. Aber eben längst nicht alles. Große Verletzungen, abgetrennte Gliedmaßen erfordern große Schnitte und viel Geduld am Operationstisch, wie der Chefarzt berichtet. 16 Stunden und noch länger dauernde Eingriffe gehören eben auch zu ihrem Alltag, erst recht, wenn Mehrfach-Amputationen vorliegen sollten.

„Wir streben die funktionale Rekonstruktion an“, sagt Soimaru. Heißt: Wie kann es gelingen, dass der Betroffene am Ende doch noch die so wichtige Greiffunktion behält. Da wird auch schon mal die zweite Zehe genommen, um einen zerstörten und nicht mehr zu rettenden Daumen zu ersetzen. Auch Gewebe und Nerven versetzen die Chirurgen, um am Ende einen Daumen wieder so funktional wie möglich zu machen. Überhaupt ist der Mensch sein eigenes Ersatzteillager. Knochen, Gelenke, Sehnen werden dort entnommen, wo sie entbehrlich sind und dorthin gesetzt, wo sie unverzichtbar sind, um den Alltag zu bewältigen.

Das Gefühl stellt sich nicht sofort wieder ein

Häufig kommt es bei Handverletzungen auch zu Zerstörung von Nerven; auch das kann behoben werden. Doch das Gefühl stellt sich nicht sofort wieder ein. Ein Nerv wächst in jungen Jahren etwa einen Millimeter am Tag, im Alter braucht er dazu eine Woche. „Die Regeneration“, so Soimaru, „kann Jahre dauern.“

Eine Botschaft des Medizinforums war auch: Die Handchirurgie eröffnet neue Möglichkeiten. Ein Defekt muss nicht ein Leben lang bleiben, und manche Erkrankung lässt sich zumindest durch einen Eingriff aufhalten. Auch das kann ein Erfolg sein.

Das Herz ist Thema beim nächsten Medizinforum

Das nächste WAZ-Medizinforum befasst sich mit Herzerkrankungen. Es findet am Donnerstag, 26. April, um 17 Uhr, in der Contilia-Akademie im Marien-Hospital statt.

Über die Behandlungsmethoden sprechen Prof. Dr. Heinrich Wieneke sowie die Privatdozenten Dr. Christoph Kurt Naber und Dr. Oliver Bruder.