Hattingen. . Joachim Lichtinghagen betreute viele Jahre die schweren Straftaten in Hattingen. Er erinnert sich an Erfolge und an noch ungelöste Fälle.
Aus dem aktiven Berufsleben verabschiedete sich in diesem Jahr Staatsanwalt Joachim Lichtinghagen aus Hattingen. Über viele Jahre hatte er die Kapitalverbrechen in Hattingen und der Umgebung bearbeitet. Dabei nimmt der 65-Jährige viele Erinnerungen mit – an Ermittlungserfolge, aber auch an noch ungelöste Fälle.
„Ich bin seit August im Ruhestand und noch ist das wie ein langer Urlaub“, sagt Lichtinghagen. 41 Jahre war er Staatsanwalt und genießt nun die aktenfreie Zeit. Er erinnert sich: „Mein erster Kontakt zu Kapitalsachen war gleich ein großer Knaller: das Gladbecker Geiseldrama.“ Lichtinghagen war damals 36 Jahre alt. „Ich war im Prozess nicht federführend, aber mit dabei.“
Um die schweren Hattinger Straftaten kümmerte er sich seit 2006. „Hattingen war immer speziell. An sich ist es ruhig, aber wenn mal etwas ist, dann etwas Besonderes.“ Lichtinghagen erinnert zum Beispiel an den so genannten „Highlander“, zwar vor seiner Zuständigkeit für Hattingen, der 1999 seinen Nachbarn enthauptete. Außerdem an eine Mutter, die ihren erwachsenen Sohn getötet und zersägt hat.
Von Anfang bei jedem Fall an dabei
Über die Jahre wurde Lichtinghagen zu einem Experten auf seinem Gebiet. „Ich bin ein gut ausgebildeter Laie“, lacht er. Er erklärt, dass er bei seinen Fällen von Anfang an dabei war – an den Orten, an denen Leichen gefunden wurden, bei der Obduktion. Mit dem, was er dort gesehen hat, musste er klarkommen. „Eine Notfallseelsorge ist bei der Staatsanwaltschaft nicht vorgesehen“, erklärt er. Meist sei es ihm aber gelungen, nicht alles mit nach Hause zu nehmen. „Ich kann bestimmte Erinnerungen aus der Schublade herausholen, aber ich kann die Schublade auch wieder zu machen.“
Besonders gelingt das natürlich bei einem Erfolg. Wie bei einem Fall in Blankenstein, als eine junge Frau erstochen wurde. Alle Spuren verliefen im Sande. „Das wurmt einen, wenn es nicht weitergeht. So eine Akte lege ich aber nie richtig weg. Sie lag immer auf einem Sideboard“ – in Sichtweite.
In diesem Fall half fünf oder sechs Jahre später „Kommissar Zufall“. Unter den Fingernägeln des Opfers hatte man DNA-Spuren sichergestellt, die aber nicht zugeordnet werden konnten. Als fünf Jahre später in Bochum ein Auto gestohlen wurde, wurde nach dem Wiederauffinden des Wagens die gleiche DNA entdeckt. Und dieses Mal konnte die Polizei den Dieb ermitteln – und damit den Mörder von Blankenstein. „Das war eine exzellente Arbeit der Polizei – schon, dass sie überhaupt DNA-Spuren aus dem Fahrzeug gesichert hat“, lobt Lichtinghagen.
Einige Fälle konnten aber auch bisher nicht gelöst werden. Übrig ist zum Beispiel die Suche nach dem mutmaßlichen Mordopfer auf der Straußenfarm in Sprockhövel. „Wir haben halb Huxel umgegraben und nichts gefunden. Ich habe den Fall selbst eingestellt.“ Auch der Mord an Resat Özdemir, dessen Leiche am Katzenstein gefunden wurde, ist noch ungeklärt.
Prüfer für Jurastudenten
Lichtinghagen lässt aber auch im Ruhestand die Juristerei nicht ganz hinter sich. Er ist Mitglied des Justizprüfamtes beim Oberlandesgericht Düsseldorf und Mitglied des Landesjustizprüfamtes. „Ich wirke da an den Prüfungen für das erste und zweite Staatsexamen mit“, erklärt Lichtinghagen. Entsprechend behält er neue Entwicklungen im Auge: „Es ist nichts peinlicher, als wenn ein Student etwas Neues weiß und ich nicht.“
Die übrige Zeit nutzt der Neu-Ruheständler, um an seinen alten Autos zu schrauben. „Ich habe einen 28 Jahre alten Polo. Wenn man den volltankt, verdoppelt sich der Wert“, sagt der 65-Jährige lachend. Außerdem genießt er es, wieder mehr Bücher zu lesen und auf Konzerte zu gehen. „Ich bin fleißig dabei, den Musiknachwuchs zu entdecken.“ Noch im Januar feiert Joachim Lichtinghagen dann seinen 66. Geburtstag. „Und mit 66 Jahren, da fängt das Leben ja bekanntlich erst an.“