Hattingen. Geldmann und Wiedenkamp, Turmklause und Taubenschlag: Ortsbürgermeister erinnern sich an Zeiten, als Gaststätten noch Kulturgut waren.
Kneipensterben. Für die einen ist das ein ganz normaler Vorgang, weil sich die Gesellschaft, die Gewohnheiten, die Freizeitgestaltung geändert haben. Andere haben Tränen im Knopfloch, weil nichts mehr so ist wie früher.
Ortsbürgermeister Theo Haske (CDU) sprudelt nur so hervor, wenn er über die Kneipenszene in Niederwenigern spricht und über die vielen Änderungen in den letzten Jahrzehnten. Der legendäre Gastronom Wilhelm Ohm, Geldmann genannt, gründete 1890 die Gaststätte. Danach gab es ziemlich viele Turbulenzen. Mehrere Pächter gaben sich die Klinke in die Hand. „Pech mit Pächtern“ schrieb die WAZ im Jahr 2011.
Irmgard und Jürgen Kickermann verabschiedeten sich nach 21 Jahren 2007 in den Ruhestand. Auch wieder ein gravierender Einschnitt. „Verrückt, aber so ist es eben“, meint Theo Haske. „Früher hatte Niederwenigern 3000 Einwohner und zig Gaststätten, heute leben hier 6000 Bürger und es gibt gerade noch ein paar Kneipen.“
Das Kneipensterben habe früher begonnen, als man denkt. „Damals hatte der Fußballclub die Gaststätte als Vereinslokal. Heute hat der TuS Hattingen kein Vereinslokal mehr, die Mannschaft organisiert die Freizeit in Eigenregie.“
In Bredenscheid fehlt die Ortsmitte
Es habe auch mit dem Rauchverbot zu tun, mutmaßt Haske. Im Sommer sei das im Biergarten kein Problem, aber im Winter würde es sich schon bemerkbar machen.
In Bredenscheid sieht es ähnlich aus, vermutlich aber aus anderen Gründen. „Wir haben keine Mitte“, bedauert Ortsbürgermeister Christoph Ritzel (SPD), der dort geboren wurde. „Früher gab’s vier Kneipen, zum Teil mit Kegelbahn: Zum Taubenschlag, Am Bahnhof, Zur Nieden und Am Wiedenkamp. Jetzt gibt es hier fast nichts mehr, keine Bäckerei, keinen Lebensmittelladen, das ist schade. Aber die Privateigentümer sind beim Umlageverfahren für eine Ortsmitte dem politischen Willen nicht gefolgt. Dann hat man keine Chance.“
In Vronis Pferdestall Silvester gefeiert
Außerdem habe sich das Freizeitverhalten geändert. Früher habe es einen engen Zusammenhalt bei den Bergleuten gegeben, die auch gemeinsam in die Kneipen gingen. Heute hole doch niemand mehr den Vater vom Frühschoppen ab, um ihn zum Mittagessen mit nach Hause zu nehmen
Ähnlich sieht die Wandlung auch die Ortsbürgermeisterin von Holthausen, Marlis Fry (SPD). Völlig locker und mit Enthusiasmus erzählt die 56-Jährige über „ihr Revier“. Die geborene Hattingerin machte zwischen ihrem 15. und 19. Lebensjahr die Kneipenszene unsicher. Wenn man sich für eine Kneipe entschieden hatte, blieb man dabei. „In Vronis Pferdestall hab’ ich oft Silvester gefeiert. Daneben gab es noch Alt-Hattingen und die Turmklause von Ferdi mit vielen Stammkunden“, erinnert sie sich. Fry glaubt nicht, dass das Kneipensterben mit dem Rauchverbot zu tun hat. „Die Gewohnheiten haben sich einfach geändert.“ Es werde jetzt mehr Wert auf Gastronomie gelegt, weniger auf Kneipenkultur.
Freizeitparks sind Konkurrenz geworden
Heinz Theo Weghaus (CDU), Ortsbürgermeister von Elfringhausen, sieht die Wandlung der Gesellschaft zwar genauso, hat aber noch einen anderen Aspekt. „Die Hälfte der Gaststätten hier hat in den letzten 20 Jahren geschlossen. „Wenn ein Rentner stirbt, gibt es keinen Ersatz“, sagen die Kneipeninhaber. Durch die Freizeitparks habe auch die Elfringhauser Schweiz als Erholungsgebiet nicht mehr das Gewicht wie früher.