Düsseldorf. Alle wollen Bivsi sehen. Allein, Bivsi sieht man kaum. Da kommt sie aus dem Zollbereich wie über einen Laufsteg . . . doch dann schlägt sie die Hand vor den Mund, vergräbt das tränennasse Gesicht an der Schulter ihres Bruders – und geht unter. In den Armen der Freundinnen, im Jubel der Klassenkameraden, im Kreis der Kameras. Und aus der plötzlichen Stille vor Ausgang 1 des Düsseldorfer Flughafens dringt nur noch Bivsis Schluchzen. Sie ist wieder da!

Alle wollen Bivsi sehen. Allein, Bivsi sieht man kaum. Da kommt sie aus dem Zollbereich wie über einen Laufsteg . . . doch dann schlägt sie die Hand vor den Mund, vergräbt das tränennasse Gesicht an der Schulter ihres Bruders – und geht unter. In den Armen der Freundinnen, im Jubel der Klassenkameraden, im Kreis der Kameras. Und aus der plötzlichen Stille vor Ausgang 1 des Düsseldorfer Flughafens dringt nur noch Bivsis Schluchzen. Sie ist wieder da!

Sie haben nicht daran geglaubt, „oder eigentlich schon“, sagt Jonas, „nein, gar nicht“, sagt Eric, jedenfalls ist es immer noch „unglaublich“: Sie haben es wirklich geschafft, Schüler, Eltern, Duisburger. Haben getrommelt und gekämpft, Unterschriften gesammelt und Geld, musiziert und demons­triert, bis Politik und Ausländerbehörden ein Einsehen hatten: Bivsi, 15, im Sauerland geboren, in Duisburg aufgewachsen, darf wieder zurück nach Deutschland. Zurück in ihre Klasse 9d, die nach den Ferien eine 10d sein wird.

Dort war sie abgeholt worden und nach Nepal abgeschoben mit ihren Eltern. An einem Tag Ende April hatte man sie in den Flieger gesetzt in ein Land, in dem sie noch nie war. „Sehr erschütternd“ sei das gewesen, sagt Sarah Habibi, Schülersprecherin am Steinbart-Gymnasium. „Wir hatten uns vorher in der Schule sicher gefühlt, das ist doch ein Schutzraum.“ Ein Mädchen musste plötzlich fort, das als „gut integriert“ gilt, wobei Schulleiter Ralf Buchthal das Wort „falsch“ findet: „Sie war nicht ,integriert’, sie gehörte von Anfang an dazu.“ Buchthal ist am Flughafen einer der ersten, dem Bivsi weinend an die Brust fliegt. Er nennt sie „ein super-nettes Mädchen“.

Das ein bisschen berühmt geworden ist in Deutschland, die schmalen Augen, die Zahnspange, das Lächeln. Mit wippendem Pferdeschwanz

Die nepalesische Schülerin Bivsi Rana und ihre Eltern kehren am Mittwoch, den 02.07.2017 zurück nach Deutschland und werden von Freunden und Unterstützern der Familie am Flughafen Düsseldorf in Empfang genommen. 
Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services
Die nepalesische Schülerin Bivsi Rana und ihre Eltern kehren am Mittwoch, den 02.07.2017 zurück nach Deutschland und werden von Freunden und Unterstützern der Familie am Flughafen Düsseldorf in Empfang genommen. 
Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services © Fabian Strauch

kommt Bivsi am frühen Mittwochmorgen an, nach elf Stunden Flug und acht schweren Wochen, einen vollgepackten Rucksack auf dem Rücken. Es warten Fernseh-, Foto- und Handykameras, es wartet Scheinwerferlicht, es wartet eine stolze, vor Aufregung zitternde 9d: mit Herzchenballons, Willkommens-Transparent und einer Kette aus Pralinen. Es wartet Biswash, der Bruder, der als Student in Deutschland bleiben durfte. „Ich hab’ dich so vermisst“, flüstert Bivsi unter Tränen.

Eine Stille in der Klasse

Es ist das Erste und lange Einzige, was sie sagt. Es ist nicht ihrs, dieser Empfang, das ahnt jeder, der ihre Freunde hört: „Schüchtern“ ist das erste Wort, das allen zu Bivsi einfällt. Eine Stille ist sie immer gewesen in der Klasse, „aber das“, sagt Jonas, „war nicht wirklich schlimm.“ Schlimm war, dass das ruhige, freundliche Mädchen plötzlich fehlte, diese eine, von der Schülersprecherin Sarah sagt, sie wachse jedem schnell ans Herz. „Sie ist so etwas wie die beste Freundin von allen geworden.“

Immer ein Arbeitsblatt zu viel

Ohne Bivsi sei es „leer“ gewesen, sagt Sarah, „seltsam“, sagt Dominik, „sie war ein Teil der Klasse.“ Dass sie nicht da war, spürten sie jeden Tag: „Wir hatten“, sagt Eric, „beim Austeilen der Arbeitsblätter am Ende immer eins zu viel.“ Am Flughafen tragen alle, die gerade nicht im Urlaub sind, den Klassenpulli: auf dem Rücken die Namen, der von Bivsi ganz rechts. „Sehr froh“ sind die Mitschüler, „fröhlich“ sogar, dass sie nun auch wirklich wieder dazugehört, aber was soll man da sagen? Die Jungs, alle 15, winden sich unsicher: „Dass es schön ist, sie wiederzusehen“, entscheidet Dominik. „Wir haben dich ganz doll lieb“, sagt Sarah.

Als sie endlich da ist, sagen sie alle erst mal – nichts. Sie weinen, halten sich in den Armen, wollen ein-ander nicht mehr loslassen. Die Eltern stehen stumm im Hintergrund, auch Mutter Maya weint. Sie dürfen ihre Tochter, die nun offiziell eine Austauschschülerin ist, bis zum Abitur begleiten. Was danach ist, ob und wo sie nun Arbeit finden, ist offen, Vater Bimhs Stelle als Koch ist bereits neu besetzt. Die Mutter eines Klassenkameraden fährt die Familie nach Hause.

„Erst mal auspacken“, sagt Bivsi, „was mein Bruder schon eingepackt hatte.“ Der 22-Jährige sollte die Wohnung auflösen, er hat es nicht geschafft, zum Glück. Trotzdem hat Biswash ein schlechtes Gewissen: Aufgeräumt hat er auch nicht. Er war viel zu nervös, die Zeit ohne seine Familie war „schockierend“ und „nicht auszuhalten“. Doch jetzt ist erst mal alles gut, und das Beste: „Dass meine Klasse da war“, sagt Bivsi.

Ihre Freundin Katharina bleibt mit verweintem Gesicht zurück. „Ich bin so glücklich, dass ich sie wieder umarmen kann.“ Katharina muss sich schon wieder die Augen wischen. „Ich dachte, vielleicht sehe ich sie nie wieder.“