Herne. . Bei Kindern gelten bereits seit dem 1. September neue Untersuchungskriterien. Konkrete Pläne für Umsetzung in der Praxis gab es lange nicht.

  • Seit September gibt es ein neues gelbes Untersuchungsheft für die Vorsorge beim Kinderarzt
  • Der Fokus liegt auf der Entwicklung und auch auf dem sozialen Umfeld
  • In der Praxis gibt es aber noch keine konkreten Handlungsvorgaben

Das kleine gelbe Heft für die Untersuchungen von Kindern ist nicht nur bei Familien wohl bekannt. Eingetragen werden dort Routineuntersuchungen, die über den Gesundheitszustand des Kindes informieren. Seit September ist das Untersuchungsheft reformiert worden. Aber mit der praktischen Umsetzung hapert es noch.

Das „Kinder-Früherkennungsprogramm“ gibt es in Deutschland seit den 1970er Jahren. Schon nach der Geburt des Kindes im Krankenhaus bekommen Eltern das Untersuchungsheft mit nach Hause. Bis zum neunten Lebensjahr werden Kinder medizinisch begleitet; der Entwicklungsstand wird in dem gelben Buch festgehalten. Letzte große Reformen bezüglich der Untersuchungen gab es zuletzt 1977 und 1987. Zwischenzeitlich wurden die Kontrollen in den Bereichen zusätzlicher Untersuchungstermine oder neue Schwerpunkte, wie die Sprach- oder die Zahnentwicklung, hinzugefügt.

Behandlungen erfolgte vorerst nach alten Vorgaben

Doch die Lebensumstände der Kinder haben sich in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich verändert – und damit auch die gesundheitliche Entwicklung. So spielen Krankheiten wie Tuberkulose heute weit weniger eine Rolle als noch in den 1980er Jahren. Deshalb hat die Bundesregierung seit dem 1. September ein neues Untersuchungsheft herausgegeben, das neue Schwerpunkte bei den Kontrollen setzt. So ist seitdem die Beratung zum Impfschutz ein verbindlicher Bestandteil der Untersuchung. Außerdem müssen ab jetzt festgelegte Standards eingehalten werden – vor allem beim Hör- und Sehtest.

Lange gab es keine konkreten Umsetzungspläne für die Praxis. Erst Mitte Dezember wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe ein Informationsschreiben inklusive Starterpaket mit den neuen Heften verschickt. Fortan sollen nur noch die neuen Hefte beim Kinderarzt ausgegeben werden. Dr. Lars Vogler vom Paedicum Ruhrkidz am Standort Wanne-Eickel beschrieb die knappen drei Monate zwischen Gesetzesfeststellung und Umsetzung wie folgt: „Wenn es um die Gesundheit und die nötigen Diagnosen geht, schauen wir nicht auf jeden Cent, sondern auf das Wohl des Kindes.“ Heißt konkret: Viele Kinderärzte hätten auch schon vorher mehr als die vorgeschriebenen Untersuchungen des alten Heftes durchgeführt – ohne den Deckmantel der neuen Untersuchungsvorgaben.

Untersuchungen wurden in die Gebührenordnung aufgenommen

Drei Monate nach dem geplanten Startschuss sind nun endlich auch die Behandlungs- und Bezahlfakten geklärt, so dass die Ärzte ihre Untersuchungen an den Vorgaben anpassen können. Zukünftig erhalten Ärzte für jede der Untersuchungen U2 bis U9 etwa 42 Euro. Derzeit sind es rund 32 Euro beziehungsweise 37 Euro für die U7a. Zusätzliche Leistungen, wie das Screening von Neugeborenen auf Mukoviszidose werden neu in die Gebührenordnung aufgenommen, so dass die vorgeschriebenen Untersuchungen für die Patienten frei sind.

Diese Reform begrüßt der Kinderarzt Dr. Lars Vogler: „Es ist sinnvoll neue Anforderungen zu stellen und alte Konzepte zu überarbeiten.“

>> DAS ÄNDERT SICH MIT DEM NEUEN U-HEFT

Zu dem Heft gibt es zusätzlich eine „Teilnahmekarte“, die hineingelegt wird. Auf dieser Karte werden alle Besuche der Untersuchungstermine bestätigt. Die Erkrankungen des Kindes werden darin aber nicht eingetragen, so dass die Teilnahmekarte als Beleg bei Behörden genutzt werden kann, ohne gegen den Datenschutz zu verstoßen.

Bis zur U6 bekommen Eltern von ihrem Kinderarzt ein gelbes Heft, ab der U7 werden zusätzliche Seiten eingelegt. Neugeborene werden künftig in einem Screening auf Mukoviszidose untersucht.
Die Augen der Kinder werden vom behandelnden Arzt mit untersucht. So sollen Krankheiten wie grauer Star oder eine Trübung der Augenlinse schneller erkannt werden.

Auf dieEntwicklungsoll besonders genau geachtet werden. So schreiben die neuen Kontrollen vor, dass gesunde Kinder mit spätestens 18 Monaten laufen können und mit zwei Jahren mindestens zehn Worte sprechen können. Auf Kinder, die diese Anforderungen nicht erfüllen, muss gesondert geachtet. Gegebenenfalls müssen zusätzliche Behandlungen durchgeführt werden.

Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern soll in den Fokus gerückt werden. Ist der Umgang schroff, distanziert oder unüblich, können Ärzte Gespräche und Hilfe anbieten. Kinder- und Jugendärzte bieten künftig Beratungen zu verschiedenen Themen wie Stillen, Ernährung oder auch Impfen an. Im Vorschulalter sind alle Früherkennungsmaßnahmen von der U1 bis zur U9 regulär bezahlte Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.