Hannover. Robert Enkes Vater hat sich vier Tage nach dem Selbstmord seines Sohnes zu Wort gemeldet: "Eine ganz große Rolle hat die Angst gespielt", sagte Dirk Enke.
Robert Enkes Vater hat sich vier Tage nach dem Selbstmord seines Sohnes zu Wort gemeldet. "Ich bin der Meinung, dass das keine von innen entstandene, angelegte Krankheit gewesen sein kann, sondern eine, die aus den Lebensumständen heraus entstanden ist", sagte Dirk Enke, selbst promovierter Psychotherapeut, dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Enkes Vater geht davon aus, dass Ängste bei seinem Sohn die schwere Depression ausgelöst und letztlich in den Suizid geführt haben: "Eine ganz große Rolle hat die Angst gespielt."
Diese Meinung vertritt auch Jörg Neblung, engster Freund und Berater von Robert Enke, wie er der Bild-Zeitung sagte. "Angstzustände, mangelnder Antrieb. Durch die Angst zu versagen und die Angst, am Morgen aufzustehen, wurde der Wunsch massiv, sich zu verkriechen, alleine gelassen zu werden", beschrieb Neblung, wie sich die Depressionen bei Enke bemerkbar gemacht haben.
Enke hatte sich am Dienstagabend das Leben genommen. Sein Vater geht davon aus, dass sich die Angst bereits im Jugendalter entwickelt habe und nicht erst 2003, als Enke zuerst den FC Barcelona, danach Fenerbahce Istanbul verließ und den Tiefpunkt seiner Karriere erlebte.
Wie der Spiegel weiter schreibt, war der Torhüter als großes Fußballtalent oft in höhere Altersklassen eingestuft worden. "Schon dabei kam es immer wieder zu Krisen. Weil er Angst hatte, nicht mit den Älteren mithalten zu können. Er hat es sich nicht zugetraut. Er war in den eigenen Ansprüchen gefangen", zitiert das Magazin Dirk Enke.
Gedanken, mit dem Fußball aufzuhören
Nach Angaben des Vaters, der wegen persönlicher Befangenheit nicht selbst an der Therapie beteiligt war, hat die Depression auch auf das Berufsleben seines Sohnes großen Einfluss gehabt. "In kritischen Phasen hatte Robert Angst, dass ein Ball auf sein Tor geschossen würde. Er hatte Anfälle, wollte nicht zum Training, konnte sich nicht vorstellen, im Tor zu stehen." Robert Enke habe zwischenzeitlich sogar daran gedacht, mit dem Fußball aufzuhören. So habe er seinen Vater einmal voller Verzweiflung gefragt: "Sag mal, Papa, nimmst du mir das übel, wenn ich mit dem Fußball aufhöre? Ich sagte: Robert, das ist doch nicht das Wichtigste, um Gottes willen."
Neblung sagte, dass ihm Symptome der Krankheit erstmals im Jahre 2002 aufgefallen seien: "Roberts Erkrankung wurde damals, als sich das Scheitern beim FC Barcelona andeutete, auch mit Hilfe seines Vaters als depressive Störung erkannt. Zu Beginn der Spielzeit 2002/03 fiel die Entscheidung überraschend gegen die beiden vermeintlich gesetzten Torhüter Enke und Bonano - das war der Anfang."
Neblung berichtete weiter, dass sein Freund zwischenzeitlich auf dem besten Weg war, die Krankheit zu besiegen: "Bis Dezember 2003 war Robert komplett gesundet. Teneriffa war quasi die Kur nach der Therapie. Hannover war dann das unbelastete, medikamenten- und depressionsfreie Leben."
Vor einem Jahr habe es dann aber einen schweren Rückfall gegeben: "Eine erste Stimmungseintrübung gab es nach dem Kahnbeinbruch bei der Nationalmannschaft im Oktober 2008. Da hat sich Robert selbst wieder rausgearbeitet und wurde ja auch wieder zur deutschen Nummer eins. Er hatte ein tolles erstes Halbjahr 2009. Umso überraschender, dass er vor acht Wochen bei der Nationalmannschaft wieder in einen Strudel gekommen ist. Er hatte morgens wieder ähnliche Symptome wie in Barcelona: Angst vorm Aufstehen, Versagensängste, Panik - das potenzierte sich. Dann haben wir die Therapie wieder aufgenommen."
Dirk Enke betonte aber ausdrücklich, dass es bei dem Selbstmord seines Sohnes keine Rolle gespielt habe, dass ihn Bundestrainer Joachim Löw nicht für die geplanten Länderspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste berufen habe: "Ein wichtiges Anliegen ist mir, Herrn Löw von der Frage zu entlasten: Was wäre, wenn ich ihn nominiert hätte? Ich glaube, dass Robert das in Ordnung fand, weil er neun Wochen raus war."
Vater Enke habe zuletzt mehrfach das Gespräch mit seinem Sohn gesucht, doch dieser habe abgeblockt. "Es geht mir darum zu verstehen, warum es zu so einer Mauer kam. Zu so einer Verschlossenheit. Robert hat die anderen ganz intensiv im Glauben gehalten, dass alles gut ist." Noch eineinhalb Wochen vor dem Suizid habe er seinen Sohn in Hannover besucht, um über die gesundheitlichen Probleme zu sprechen, doch Robert habe kein Interesse daran gezeigt und sich auch einer Einweisung in eine Fachklinik verweigert. "Er war immer mal wieder kurz vor diesem Schritt, sich einweisen zu lassen, dann sagte er wieder: Wenn ich in der psychiatrischen Klinik behandelt werde, dann ist es aus mit meinem Fußball. Das ist das Einzige, was ich kann und will und gerne mache", berichtet Dirk Enke.
Zudem glaubt der Vater, dass der Tod der herzkranken Tochter Lara vor drei Jahren seinen Sohn stärker belastet habe, als bislang angenommen. Er habe sich selbst große Vorwürfe gemacht, dass er den Tod seiner geliebten Tochter nicht verhindern konnte. (sid)