Essen (RS) - .

Die Bilanz ist ausgezeichnet. Von 54 Länderspielen mit Dagur Sigurdsson haben die deutschen Handballer 41 gewonnen. Mit dieser Statistik lässt der Isländer alle Bundestrainer vor ihm alt aussehen. Er machte aus soliden Nachwuchsspielern die berüchtigten „Bad Boys“, die mit ihrer mitreißenden Art den EM-Titel gewannen und auch olympisches Bronze. Alles scheint wunderbar zu laufen, und doch sieht’s nach Abschied aus. Gut zwei Jahre nachdem der 43-Jährige seine Mission beim Deutschen Handballbund (DHB) begonnen hat, schwinden die Hoffnungen, den als Taktik-Genie bekannt gewordenen Trainer halten zu können. Wann wird er gehen? Direkt nach der WM im Januar in Frankreich? Im Sommer? Oder, und das glauben die Wenigsten, wird er doch noch seinen bis 2020 laufenden Vertrag erfüllen? „Er hat mich in seine Gedankenwelt einbezogen, um auch die Beweggründe zu analysieren“, sagt Bob Hanning, Vizepräsident im DHB. Es gebe Situationen im Leben, die sich verändern, und das sei bei Dagur Sigurdsson der Fall. Er gilt als jemand, der Herausforderungen ebenso liebt wie die Einsamkeit der isländischen Fjorde, wohin er sich gerne zurückzieht. Er war schon in Japan als Trainer engagiert, in Österreich und Deutschland. Nun heißt es, er habe wieder Angebote aus dem Ausland. Bob Hanning bestätigte, dass er ungeachtet der leisen Hoffnung, Sigurdsson doch zum Weitermachen bewegen zu können, sich auch mit der Suche nach einem Nachfolger beschäftige. Immer wieder fällt der Name Alfred Gislason, Isländer wie Sigurdsson und schon 2014 als Bundestrainer im Gespräch. Als Spieler wurde er 1986 und 1987 Meister mit Tusem Essen, als Trainer hat er mit dem THW Kiel seit 2008 satte 15 Titel geholt. Dort steht er noch unter Vertrag. Auch die Namen des ehemaligen Nationalspielers Markus Baur, derzeit Trainer in Stuttgart, und des Flensburger Trainers Ljubomir Vranjes werden in Medien genannt. DHB-Vize Bob Hanning gibt sich trotz aller Ungewissheit entspannt: „Dagur hat der Mannschaft neues Selbstvertrauen gegeben und die Eisenbahn wieder auf die Gleise gesetzt. Wir sind stabil.“ Das sieht auch Heiner Brand so. Der langjährige Bundestrainer sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft des Handballs. Die Mannschaft wird sich von der Trainerdiskussion nicht irritieren lassen. Das wird kein Dauerthema im Training oder bei den Spielen sein.“ Brand lobt die Entwicklungen in der Bundesliga. Dort hätten die Vereine erkannt, wie wichtig es sei, jungen Spielern Verantwortung zu übertragen. Diese solide Ausbildung führe mit dazu, dass das Nationalteam wieder in der Spur sei. Über Dagur Sigurdsson sagt Brand: „Er passt perfekt zur Mannschaft. Aber auch mit einem anderen Trainer wird der Erfolg bleiben.“ Für sich selbst schließt der 64-jährige Gummersbacher ein Comeback aus: „Meine Trainerarbeit ist beendet.“ Sigurdsson will noch im November sagen, wie es mit ihm weitergeht.