Frankfurt/Main. Fehlende Alternativen bescheren Immobilienaktien in Zeiten niedriger Zinsen einen regelrechten Boom. Hier locken stabile Renditen bei vergleichsweise wenig Risiko. Doch wieder steigende Zinsen könnten dem Höhenflug ein Ende setzen.
Anleger am deutschen Aktienmarkt haben wieder eine Lieblingsbranche: Nach dem Hype um Internetaktien zur Jahrtausendwende und dem Boom der Solarbranche zwischen 2004 und 2008 sind seit geraumer Zeit Immobilienwerte en vogue. Die Kurse steigen und die Zahl der Immobiliengesellschaften in den wichtigsten deutschen Aktienindizes hat rasant zugenommen. Erste Experten warnen allerdings inzwischen vor einer Übertreibung.
Erst am Dienstag kündigte die Wohnungsgesellschaft Swallowbird ihren Schritt aufs Parkett an. Der Börsengang der auf den Berliner Markt spezialisierten Firma soll mindestens 400 Millionen Euro einbringen und noch in diesem Jahr stattfinden. Davor benennt sich das Unternehmen in ADO Properties um. Gerüchte gibt es zudem, dass auch die Deutsche-Bahn-Tochter Aurelis eine Börsennotierung erwägt.
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Für diejenigen, die sich bereits aufs Parkett gewagt haben, hat sich der Sprung in der Regel gelohnt: Reihenweise sind sie in die wichtigsten Indizes der Deutschen Börse aufgenommen worden. Die Zahl ist beeindruckend: Insgesamt sind mittlerweile zwölf Immobilienfirmen in MDax und SDax. Neben der größten, der Deutschen Annington mit einem Börsenwert von rund 11 Milliarden Euro, zählen auch Deutsche Wohnen, LEG Immobilien, Deutsche Euroshop, TAG Immobilien, Patrizia Immobilien, Westgrund oder auch ganz frisch TLG Immobilien dazu.
Bewertung ist ausgereizt
Das Frankfurter Unternehmen Adler Real Estate wird sich bald ebenfalls in dieser Gruppe wiederfinden. Wie die Deutsche Börse am Mittwochabend bekanntgegeben hatte, wird Adler zum 22. Juni in den SDax aufgenommen. Und mit der Deutschen Annington hat sogar erstmals ein Immobilienunternehmen im Spätsommer die Chance auf einen Aufstieg in die erste deutsche Börsen-Liga, den Dax.
"Immer beliebter geworden sind deutsche Immobilien vor allem wegen des billigen Notenbank-Geldes und der Nullzinspolitik", sagt Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg. Für heimische Investoren gilt das sogenannte Betongold immer noch als eine der sichersten Wertanlagen. Ausländische Investoren, die auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten sind, halten zudem den deutschen Immobilienmarkt für vergleichsweise günstig, zumal Deutschland als Konjunkturmotor Europas gesehen wird und Wohnraum in Ballungsgebieten unverändert knapp ist.
Auch die Immobilienkonzerne selbst profitieren vom derzeitigen Klima, da sie sich wegen des billigen Notenbank-Geldes günstig refinanzieren können. Selbst eine Mietpreisbremse, wie sie etwa kürzlich in Berlin eingeführt wurde, sieht NordLB-Analyst Michael Seufert nicht als größeres Problem, da diese das Wachstum der Mieteinnahmen für große Immobilienunternehmen in der Praxis nur geringfügig einschränke.
Inzwischen ist die Bewertung der Immobilien-Aktien, wie NordLB-Experte Seufert sagt, allerdings überwiegend ausgereizt oder zumindest "anspruchsvoll". Und auch der Regensburger Professor Just sagt: "Die sichersten Zeiten für Wertsteigerungen sind vorbei." Immobilien und Mietrendite seien mittlerweile gut bewertet.
Zinswende als Bedrohung?
Verstärkt sind es Übernahmen, die zu mehr Wachstum verhelfen und die Papiere befeuern. Denn jeder Zukauf sorgt für weitere Fantasie: Deutsche Wohnen kaufte GSW Immobilien, Adler Real Estate übernimmt gerade Westgrund, und die Deutsche Annington hat das einstige MDax-Mitglied Gagfah geschluckt und wird demnächst in Vonovia umbenennen.
Die Gefahr einer Blasenbildung wie sie auf die Dotcom-Euphorie im Jahr 2000 oder die Begeisterung für Solaraktien einige Jahre später folgte, sehen die Branchenexperten Just und Seufert bei den eigentlichen Immobilien nur in einigen wenigen Ballungsgebieten, aber noch nicht für die Aktien von Immobilienunternehmen. "Spekulative Übertreibungen wie es sie in den USA oder Spanien gibt es zurzeit keine. Aber die Sorge vor dem Entstehen einer Blase sollte man dennoch immer haben", warnt Just.
Seufert sieht als größte Bedrohung für die Kursentwicklung von Immobilien-Aktien eine Zinswende. Denn steigende Zinsen werden andere Geldanlage-Möglichkeiten wieder attraktiver machen. (dpa)