Essen. Die islamkritische Bewegung Pediga skandiert auf ihren Demos “Wir sind das Volk“. Die Antwort der Andersgesinnten lautet: “Nicht in meinem Namen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unlängst in ihrer Neujahrsansprache erklärt, was sie sich vom Volk wünscht: "Folgen sie denen nicht", war ihr Statement bezüglich der Pegida-Demonstranten. Und das Volk folgt: Rund 10 000 Gegendemonstranten sind am vergangenen Montag dem Aufruf des 22-jährigen Theologiestudenten Stephan Orth in Münster nachgekommen. „Ich möchte in Münster keine Bilder haben, wie in Dresden“, sagte Orth. Die Gegenbewegung formiert sich jedoch nicht nur auf den Straßen, sondern bietet auch Widerstand im Netz. War die erste Reaktion auf Pegida eine satirische - unter dem Hashtag #schneegida wurde in den Sozialen Medien über Pegida gespottet - beziehen nun Menschen unter dem Hashtag #nichtinmeinemnamen deutlich Stellung gegen den von Pegida propagierten Slogan "Wir sind das Volk."

Die Online-Petition „NoPegida – Für ein buntes Deutschland“ auf der Petitionsplattform www.chance.org haben mittlerweile fast 300 000 Menschen unterschrieben. Ziel von Initiator Karl Lempert sind eine Million Unterschriften. "Es ist Zeit, zu bekennen, dass 'Wir sind das Volk' unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion gilt", so Lempert. Die ProPegida-Petition hat bisher nur knappe 40 000 Unterstützer. Die Stimme des Volkes tendiert damit in eine Richtung und wird lauter, da zahlreiche Prominente, darunter Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff, Altbundeskanzler Helmut Schmidt und TV-Moderator Thomas Gottschalk, öffentlich in den Kanon gegen Pegida eingestimmt haben.

Willkommenskultur für Flüchtlinge

Genau diese Stimmung demonstrieren engagierte Bürger aktuell in einer ehemaligen Dortmunder Schule. Die vormalige Abendrealschule in der Adlerstraße 44 wurde in den vergangenen Wochen zur Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge hergerichtet. Inzwischen leben 45 Menschen aus zwölf Nationalitäten dort. Für insgesamt 120 Menschen bietet die Schule Platz.

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Die gemeinnützige Organisation "Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine DO" (VMDO) hat das Flüchtlingslager eingerichtet und erhält Unterstützung von Anwohnern rund um die Schule. Neben den obligatorischen Kleiderspenden stehen sie den Flüchtlingen bei Behördengängen, Sprachförderung oder der Kinderbetreuung zur Seite. Für Lagerleiterin Christina Kaiser sind Parolen wie "Wir sind das Volk" von daher auch "polemisch" und "Politik sollte solche Strömungen nicht unterstützen". Seit Projektbeginn gäbe es eine Welle von Freiwilligen, die sich auch über die Facebook-Gruppe "Flüchtlingshilfe Adlerstraße" organisieren und eine Atmosphäre der Willkommenskultur schaffen wollen.

Christoph Brodesser, Leiter der Nationale Hilfsgesellschaft des Deutschen Roten Kreuzes, bestätigt dieses aufgekommene Engagement von Freiwilligen. "An allen Standorten bieten ehrenamtliche Helfer ihre Hand an." Derzeit gäbe es 15 Zentrale Unterbringungseinrichtungen in NRW. Zusätzlich bestehen sieben weitere, die im Bedarfsfall genutzt werden könnten. Von Parolen wie "Wir sind das Volk" oder "Nicht in meinem Namen" halte Brodesser wenig. "Wir sollten uns nicht nur auf Slogans beschränken, sondern Taten folgen lassen."

"In der Kirche gibt es keine Ausländer"

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Im ARD-Format "Das Wort zum Sonntag" verbat sich Pfarrer Wolfgang Beck aus Hannover, dass Pegida in seinem Namen spricht. "Die selbst ernannten Retter des Abendlandes meinen etwas schützen zu müssen, was ihnen längst abhandengekommen ist", so Beck.

Die Bonner Hauptkirche machte ebenfalls klar, dass die Botschaft von Pegida nicht mit der christlichen Botschaft vereinbar sei. "In der Kirche gibt es keine Ausländer." Dieser Satz des früheren Kölner Erzbischofs, Joseph Kardinal Höffner, bestimme das Leben der katholischen Kirche in Bonn. Die Kirche hat unter Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki die Initiative "Neue Nachbarn" gegründet. "Wir pflegen eine ausgeprägte Willkommenskultur gegenüber den Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen, vor allem all jener, die ihre Heimat verlassen mussten", erklärte Monsinore Wilfried Schumacher, Dechant von Bonn. "Fremdenhass, Rassismus und jegliche Form des Extremismus lehnen wir strikt ab."

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Die evangelische Theologin Margot Käßmann reihte sich in den Chor der Anti-Pegida-Bewegung ein. "'Haltet Frieden untereinander' schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich (5,13). Das würde ich heute gern nach Dresden und andere Orte schreiben, wo Pegida Unfrieden sät", so Käßmann.

Overbeck plädiert für vorbehaltlose Gastfreundschaft 

Auch das Bistum Essen stellt sich gegen die Proteste gegen eine vermeintliche Überfremdung der Gesellschaft. "Das Boot ist lange noch nicht voll. Es ist absurd zu behaupten, dass Justiz, Kultur und Politik hierzulande vor einer Islamisierung stünden", sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in seiner Weihnachtsbotschaft. Overbeck nennt die Rituale der Angst und Hetze "beschämend". Millionen Menschen müssten vor Terror und Unterdrückung fliehen, verlören ihren Besitz, ihre Familie und ihre Heimat. "Wir sind eine integrationsfähige Gesellschaft, in der wir Christen helfen, Raum zu schaffen für Solidarität und für die Achtung der Würde aller Menschen", so Overbeck weiter. Er rief die Christen zu einer vorbehaltlosen Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen auf.

Man müsse zwischen Flüchtlinge und religiösen Fanatikern differenzieren und diese nicht gleichsetzten. Die Menschen haben schließlich vor diesen Fanatikern Zuflucht gesucht. (mrx)

Prominente gegen Pegida

"Die Drahtzieher dieser Demos sind Rechtsextreme, die von Islam- und Ausländerfeindlichkeit getrieben werden. Wer dort hingeht, muss sich im Klaren sein, welchen Rattenfängern er eine Bühne bietet", schreibt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf ihrer Facebook-Seite. Dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte sie: "Gegen Engstirnigkeit, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit müssen wir Zeichen von Weltoffenheit und Toleranz stellen." Wer sich von der Politik nicht richtig vertreten fühle, sei aufgerufen, selbst mitzumachen. © Volker Hartmann/WAZ FotoPool
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert die Pegida-Initiatoren scharf:
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert die Pegida-Initiatoren scharf: "Nicht wenige der Organisatoren sind verurteilte Kriminelle, Neonazis und Antisemiten. Anständige Leute laufen solchen Typen nicht hinterher." © picture alliance / dpa
Grünen-Chef Cem Özdemir lehnt einen Dialog mit den Demonstranten der islamfeindlichen Pegida-Bewegung entschieden ab.
Grünen-Chef Cem Özdemir lehnt einen Dialog mit den Demonstranten der islamfeindlichen Pegida-Bewegung entschieden ab. "Wir sind eine Exportnation, und dazu gehört auch Weltoffenheit und Toleranz." Das dürfe aber nicht verwechselt werden mit Beliebigkeit. Es dürfe keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben - dies gelte für Islamisten wie für Rechtsradikale: "Auch ich fürchte mich vor dem Islamismus. Aber Fanatismus kann nicht mit anderem Fanatismus bekämpft werden", sagte Özdemir. (dpa) © dpa
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits in ihrer Neujahrsansprache die Bürger aufgerufen, sich den Pegida-Kundgebungen nicht anzuschließen. Zu oft sei
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits in ihrer Neujahrsansprache die Bürger aufgerufen, sich den Pegida-Kundgebungen nicht anzuschließen. Zu oft sei "Kälte, ja sogar Hass" in den Herzen der Organisatoren. © dpa
Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Volker Beck schreibt auf seiner Facebook-Seite:
Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Volker Beck schreibt auf seiner Facebook-Seite: "Köln hat sich heute als Stadt der Weltoffenheit & Vielfalt gezeigt, in der dumpfer Rassismus keinen Platz mehr hat. Ich bin stolz auf die vielen tausend Kölner*innen, die sich stundenlang in der Kälte ‪#‎kögida‬ entgegengestellt haben. Am Ende liefen wir und nicht die Pegiden über die Deutzer Brücke zum Heumarkt." © dpa
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet hält es hingegen für unnötig, der islamkritischen Pegida zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. In nordrhein-westfälischen Städten habe sie bislang nur wenige Hundert Demonstranten mobilisiert, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet hält es hingegen für unnötig, der islamkritischen Pegida zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. In nordrhein-westfälischen Städten habe sie bislang nur wenige Hundert Demonstranten mobilisiert, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Darum muss man keinen so großen Hype machen." Eine größere außerparlamentarische Opposition am rechten Rand sehe er mit Pegida nicht kommen. Man dürfe aber auch nicht leichtfertig alle, die etwa in Dresden zu Tausenden auf die Straße gingen, als "Nazis in Nadelstreifen" abstempeln, kritisierte Laschet. Es sei schwierig, aus der Ferne zu erklären, womit diese Menschen unzufrieden seien. Prinzipiell müsse die Politik jedem zuhören und Sorgen ernst nehmen. © dpa
Vor den ersten Kundgebungen der Pegida-Bewegung im neuen Jahr hatte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, Christen vor einer Teilnahme gewarnt.
Vor den ersten Kundgebungen der Pegida-Bewegung im neuen Jahr hatte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, Christen vor einer Teilnahme gewarnt. "Wir können nicht das Abendland verteidigen, indem wir den Islam als Feind ausrufen", sagte der im November aus dem Amt geschiedene Schneider der "Rheinischen Post" am Montag. Christinnen und Christen hätten auf diesen Kundgebungen nichts zu suchen. Schneider warnte die Politik davor, Forderungen der Pegida-Protestler aufzunehmen: "Hier müssen wir widersprechen und deutlich sagen, dass das Unsinn ist." (dpa) © dpa
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