Neuaufnahmen großer Opern sind selten geworden: kaum zu bezahlen, klagen die Plattenfirmen. Dass der Markt gewisse Sättigungserscheinungen zeigt, erleichtert die Sache gewiss nicht. Von zwei starken Würfen, gerade frisch auf Silberscheibe gebannt, sei umso freudiger berichtet.

Currentzis’ emotionales Donnerwetter

Der größte Lorbeer gehört dem ersten. Dass ein besessener Grieche ausgerechnet vom Ural aus den fast zu Tode gespielten Meisteropern Mozarts neues Leben einhaucht – dass er im Tiefschnee von Perm sich einschließt mit Sängern aus Berlin oder London, um noch einmal ganz von vorn anzufangen, jungfräulich (und dann wie frisch verliebt!) den Kosmos Mozart zu erkunden, das klingt wie ein guter PR-Gag. Doch hat der verbriefte Wahnsinn entwaffnende Methode. Wir sprechen von Teodor Currentzis, der uns mit seiner Lesart von „Così fan tutte“ tatsächlich eine der aufregendsten und schönsten Überraschungen des Klassik-Jahres 2014 beschert.

Diesen Mozart zu hören, heißt senkrecht sitzen. Es ist nicht allein das halsbrecherische Tempo (schnell kann jeder), es ist vielmehr diese geradezu triebhafte Freude an der Neuschöpfung: Alles ist pralles Theater, was Currentzis mit seinem „Musicaeterna“ der Partitur entlockt. Es klingt so frisch, als wäre Mozarts Notentinte nicht einmal trocken. Wie die Musiker emotionale Donnerwetter beschwören, wie sie Jenseitsversprechen ewiger Liebe zu betörend zartem Orchestergesang machen, ist ein Ereignis. Nicht weniger sind es die (oft schmähenswerten) Rezitative: keine skelettierten Cembalo-Töne, stattdessen ein Hexer namens Maxim Emelyanychev am frechen Hammerklavier.

Currentzis „Così“ ist Starkstrom. Dass heute nicht in jeder Partie der Glanz von Jahrhundertsängern wie Lisa della Casa oder Christa Ludwig schimmert, wissen wir. Doch Simone Kermes, Malena Ernman, Christopher Maltman und Kenneth Tarver sind ein starkes Ensemble in der Balance von Theatralik und staunenswerter Natürlichkeit. Sensationell: Konstantin Wolffs Alfonso – ein Zyniker und Belcantist von Gnaden. Ein heißer Tipp für den Gabentisch. (Bei Sony, 3 CDs, ca. 38€).

Damrau singt magisch schön

Längst hat die bodenständige, stets fröhliche Diana Damrau bewiesen, dass sie mehr ist als ein Koloraturvogel aus dem Frankenland. „Luca di Lammermoor“ ist eben erschienen und dem Live-Mitschnitt einer konzertanten Gala zu verdanken. Vom eher soliden Münchner Opernorchester (eine Art Söldnertruppe anerkannter süddeutscher Klangkörper) unter Jesús Lopez Cobos abgesehen, ist es eine Kostbarkeit.

Damrau schafft den Spagat, die Mordspartie der Schottin, die sich als Verkuppelte blutig rächt, magisch schön, aber nie glattpoliert zu singen. Ihre „Fantasma“-Rufe gehen unter die Haut! Als Mann an ihrer Seite lässt Joseph Calleja an den süßen Schmelz alter Schellack-Tenöre denken. (Erato, 2 CD, 22€).