Essen. .

Mehr als 30 000 bis 40 000 Todesfälle durch multiresistente Keime in deutschen Krankenhäusern. Mehr als 30 000 behandelte Fälle der drei gefährlichsten Keime VRE, ESBL und MRSA 2013 allein in NRW. Und Experten wie Prof. Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, gehen von „einer noch deutlich höheren Dunkelziffer“ aus. Die gemeinsamen Recherchen der FUNKE Mediengruppe, der Zeit und des Recherchebüros Correctiv haben beunruhigende Zahlen zu Tage gebracht.

Dunkle Farbe bedeutet hohes Risiko

Die Keimkarte Rhein-Ruhr (siehe Grafik) zeigt das bislang ermittelte Ausmaß der Bedrohung. Helle, schattige und halbdunkle Flecken zeigen die Verbreitung multiresistenter Krankheitserreger in den Kliniken der Region. Grundsätzlich gilt: je dunkler die Farbe, desto größer das Keimproblem.

Die Zahlen werfen Fragen auf. Was ist da los? Wer trägt dafür die Verantwortung? Sind einige Krankenhäuser wirklich so schlecht und andere um so viel besser? Oder untersuchen einige Klinken nur mehr Patienten auf Keime als andere – und finden dann eben auch mehr? Die statistische Auswertung zeigt Ballungsräume der Keimbelastungen in NRW. Und sie zeigt: Es gibt Erklärungsbedarf vor Ort.

Etwa in Bottrop. Dort ist die Behandlung von multiresistenten Erregern seit 2010 am stärksten angestiegen: um 70 Prozent. Gehäuft werden Patienten mit multiresistenten Erregern in Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Bochum und Mülheim behandelt.

In Essen wurde der Darmkeim VRE, gegen den kaum noch Antibiotika wirken, im vergangenen Jahr 1000 Mal diagnostiziert. Nur sechs Kreise in ganz Deutschland haben prozentual mit mehr gefährlichen Darmkeimen zu kämpfen. 2013 wurden in Essen rund 4500 Mal multiresistente Bakterien erfasst. Seit 2010 sind die ESBL-Fälle um 128 Prozent gestiegen, die VRE-Fälle um 83 Prozent.

Bemerkenswert: Im gleichen Zeitraum gingen die erkannten multiresistenten Erreger in Dortmund um 17 Prozent zurück. Auffallend auch die geringen VRE-Fallzahlen in Dortmund. Mit 121 Fällen bleibt die Stadt um mehr als die Hälfte unter den 266 Erkrankungen, die sich im Märkischen Kreis summierten, bei 30 000 Patienten weniger.

Südostwestfalen verzeichnet deutlich weniger Patienten mit multiresistenten Erregern, aber die höchsten dreistelligen Zuwachsraten in NRW. Der VRE-Anstieg im Märkischen Kreis seit 2010: 422 Prozent – der größte prozentuale Zuwachs landesweit. Mit einem 315-prozentigen VRE-Anstieg folgt Hagen nicht weit dahinter. Die Zahl aller abgerechneten multiresistenten Erreger nahm in der Volmestadt binnen vier Jahren fast um ein Viertel zu. Der Anstieg: 23 Prozent.

Hagen, der Hochsauerlandkreis und der Ennepe-Ruhr-Kreis verbuchen seit 2010 eine Zunahme von MRSA, ESBL und VRE. Die meisten MRSA-Diagnosen in diesem Bereich kamen aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis: 933, mehr als doppelt so viele wie in Hagen.

Interaktive Karte im Netz

Auf unserer interaktiven Karte im Internet werden die Sprünge bei der Keimentwicklung deutlich – in jeder Stadt, in jedem Kreis. Die von dieser Zeitung, Zeit und Correctiv ermittelten Daten zeigen alle Abrechnungen aller Krankenhäuser aus den Jahren 2010 bis 2013 bei den häufigsten und gefährlichsten multiresistenten Erregern MRSA, VRE und ESBL.

Die Daten beziehen sich auf den Wohnort der Patienten, nicht auf den Ort des Krankenhauses. Dazu geeignet, jeden einzelnen Fall exakt nachzuhalten, sind sie nicht. Die Abrechnungsdaten liegen deutlich höher als die Daten des Robert-Koch-Institutes. Das RKI sammelt nur Daten zu MRSA, nicht zu den gefährlicheren Darmkeimen VRE oder ESBL.