In der legendären “Tatort“-Episode “Franziska“ spielte Hinnerk Schönemann einen denkwürdigen Mörder. Auch als Ermittler kennt sich der langjährige “Marie Brand“-Kommissar bestens aus. Was läge also näher, als ein eigenes “Tatort“-Revier zu bekommen? Warum er darauf keine Lust hat, verrät er im Interview.

Eigentlich will der ehemalige Großstadtpolizist Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) im Ostsee-Kaff ein neues Leben als Tierarzt beginnen und möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen haben. Als er jedoch in einem gestrandeten Kutter zwei Leichen entdeckt, ist es mit der Ruhe vorbei - denn so ganz kann der ehemalige Ermittler es nicht lassen, der Kriminalkommissarin Lona Vogt (Henny Reents) auf die Finger zu schauen.

Mit "Nord bei Nordwest" (die erste Folge "Käpt'n Hook" läuft am 6. November um 20:15 Uhr im Ersten) bekommt Hinnerk Schönemann seine eigene Krimi-Reihe. Die Rolle des Hauke Jacobs wurde ihm auf den Leib geschrieben. Doch ist der Schauspieler tatsächlich genauso verschlossen wie der eigenwillige Tierarzt? Die Nachrichtenagentur spot on news hat beim 39-Jährigen nachgefragt.


Mit "Nord bei Nordwest" bekommen Sie Ihre eigene Reihe. Warum haben Sie nicht einfach einen eigenen "Tatort" übernommen?


Hinnerk Schönemann: Ich wollte mit Absicht kein "Tatort"-Kommissar werden. Zweimal wurde ich dafür angefragt, und zweimal habe ich es auf die lange Bank geschoben. Erstens spiele ich in der Reihe "Marie Brand" mit Mariele Millowitsch schon einen Kommissar. Mein Problem mit dem "Tatort" ist außerdem, dass es momentan etwa 25 Ermittlerteams gibt und ich mich nicht gerne vergleichen lassen möchte. Denn beim "Tatort" wird man immer verglichen. Insofern ist das für mich zurzeit nicht reizvoll.


Die Rolle des Hauke Jacobs wurde speziell für Sie geschrieben. Wie ähnlich ist er Ihnen?


Schönemann: Wahrscheinlich ist er mir schon sehr ähnlich. Der Autor Holger Karsten Schmidt kennt mich seit zehn Jahren und hat schon mehrere Sachen für mich geschrieben, unter anderem die Krimis um den Privatdetektiv Finn Zehnender. Deswegen kommt wirklich viel direkt von mir, vor allem dieses Wortkarge, Zurückgezogene. Ich rede auch privat nicht viel. Im ersten Film der "Nord bei Nordwest"-Reihe ist man bei den Macken einer Figur noch zurückhaltender, weil man noch nicht genau weiß, wohin die Reise geht. Im zweiten oder dritten Film werde ich versuchen, Hauke eine noch speziellere Note zu geben.


Steht denn schon fest, dass es weitere Folgen geben wird?


Schönemann: Wir werden auf jeden Fall eine zweite Folge drehen. Ich freue mich sehr, dass ich die Rolle noch weiter erforschen darf.


Sie beschreiben sich als wortkarg und zurückgezogen. Fühlen Sie sich bei Dreharbeiten dann nicht sehr unwohl?


Schönemann: Nein, das ist für mich ein großer Unterschied. Privat möchte ich nur ganz wenige Leute sehen. Ich gehe auch nie, oder zumindest sehr selten, auf rote Teppiche. Ich brauche diese Menschenmengen um mich herum nicht. Beim Drehen ist es wiederum anders. Da liebe ich das. Die Filmcrew ist dann wie mein Publikum. Das brauche ich zum Arbeiten. Beim Film rede ich auch viel und bin offener. Privat ist dann wieder Ruhe. Das ist, als ob ich einen Schalter umlege.


Der Beruf des Schauspielers ist in der Regel eher etwas für Extrovertierte. Ist es für Sie befreiend, wenn Sie Rollen wie Simmel aus "Marie Brand" spielen, die ihrer Persönlichkeit weniger entsprechen?


Schönemann: Diese Rollen sind ja trotz allem immer auch aus mir heraus geboren. Es ist eine Seite von mir, die etwas extremer hervorgehoben wird. Simmel bin also in gewissem Maße auch ich. Aber es ist natürlich toll, wenn man wie bei dem Mörder in "Tatort - Franziska" Sachen spielen kann, die man privat natürlich nicht tun würde. Als Schauspieler sind solche Rollen sehr reizvoll.


Hauke Jacobs sagt im Film, dass er deswegen so wenig Menschen um sich haben will, weil er sie nicht mag. Ist es bei Ihnen ähnlich?


Schönemann: Ich glaube, dass Hauke schon sozial ist und Anschluss haben will. Dieser Satz hat eher mit einer Verletzung zu tun. Das ist bei mir nicht der Fall. Bei mir ist es so, dass ich gar nicht die Energie habe, mich ständig mit Leuten zu unterhalten, in Cafés zu gehen oder etwas zu unternehmen, weil ich so viel mit mir selbst zu tun habe. Darin sind wir uns schon ähnlich. Allerdings ist es bei mir selbst gewählt, und bei Hauke vermutlich nur eine Phase.


Hauke kauft sich bezeichnenderweise ein Boot, mit dem er jederzeit auf das Meer rausfahren kann, um Abstand zu haben.


Schönemann: Ich verstehe das sehr gut. Als ich meinen Hof gekauft habe, war der nicht eingezäunt. Das bedeutete, dass ständig Leute auf den Hof kamen und sich unterhalten wollten. Das hat mich unglaublich genervt. Nicht, weil die sich schlecht verhalten hätten, sondern weil ich dadurch meinen eigenen Rhythmus verlor. Plötzlich waren Leute da und wollten einen Kaffee trinken, und schon waren wieder zwei Stunden um. Seit ich meinen Zaun habe, habe ich meine Ruhe. Die Leute müssen sich jetzt erstmal anmelden. Ich habe mich also quasi eingezäunt, um frei zu sein. Ich schätze, mit dem Boot ist das ähnlich - das Wasser ist wie ein Zaun, und wenn Hauke rausfährt, kann keiner unangemeldet vorbeikommen. Das ist eine tolle Art von Freiheit.


Eine Sache, die Sie mit Hauke Jacobs gemeinsam haben, ist die Tierliebe. Was mögen Sie so an Tieren?


Schönemann: Das kann ich gar nicht erklären. Tiere begleiten mich schon mein Leben lang. Erst war es ein Aquarium, später dann Reptilien und so weiter. Ich wollte früher auch Tierarzt werden. Das war mein Traumberuf, lange bevor es die Schauspielerei war. Wenn es einem Tier schlecht geht, will ich immer am liebsten etwas tun, damit es ihm wieder besser geht. Deswegen ist es so absurd und witzig zugleich, dass ich jetzt einen Tierarzt spielen darf.


Heute haben Sie einen Hund und Pferde. Hängt ihr Herz an denen besonders?


Schönemann: Nein, mich sprechen Tiere generell an. Wenn irgendwo ein Tier ist, schaue ich mir das immer an, egal, was für ein Tier das ist. Ich liebe es auch, in den Zoo zu gehen. Es gibt mittlerweile viele richtig gute Zoos. Manche lehnen das ab, weil die Tiere dort eingesperrt sind, aber ich finde Zoos wichtig, damit auch Kinder etwas über verschiedenste Tiere lernen können.


Auch Hauke Jakob hat den Drang, Tieren zu helfen und geht dabei ganz schön weit, wie man an der Szene sieht, in der er einen Hund wiederbelebt.


Schönemann: Das fand ich toll. Diese Idee, dass er einen Hund erstmal tötet, damit er frei sein kann, ohne zu wissen, ob es ihm tatsächlich gelingt, ihn wiederzubeleben. Das habe ich gern gespielt, und so was sehe ich auch gern. Viel lieber als einen 08/15-Plot, bei dem ich kleinen Mädchen ihre geheilten Kätzchen wiedergebe. Ich mag es, wenn da noch eine zweite Ebene ist.