Otterlo. Sieben Wölfe leben im Nationalpark De Hoge Veluwe. Nach fünf Jahren zeigt sich, dass die Heidelandschaft so keine Chance aufs Überleben hat.
Auf den Wolf ist Gino Daamen nicht gut zu sprechen. Der Revierförster des Nationalparks De Hoge Veluwe bei Arnheim kann beim besten Willen keine Vorteile für die Artenvielfalt in dem gut 5400 Hektar großen Naturschutzgebiet erkennen. Im Gegenteil: „Der Wolf bedroht die Biodiversität ganz massiv“, sagt er.
Seit fünf Jahren leben Wölfe in dem Nationalpark nördlich von Arnheim. Seit 2021 hat sich ein Pärchen gefestigt, zu dem fünf Jungtiere gehören – und das seien einfach viel zu viele. „Wir haben hier mittlerweile so viele Kadaver von Rehen und Füchsen, dass die Krähen schon gar nicht mehr nachkommen“, erzählt Daamen während der alljährlichen Ausfahrt zur Brunftsaison. Auch Parkmanagerin Monique Kokke fragt mittlerweile kritisch: „Die Naturschutzorganisationen wollen, dass der Wolf als Teil der Artenvielfalt angesehen wird, er soll als Leittier in der Nahrungskette für eine Vielfalt in der Tierwelt sorgen. Aber wir stellen hier mittlerweile genau das Gegenteil fest.“
Der Wolf hat die Mufflons vertrieben
Die Anzeichen in der Landschaft sind nicht zu übersehen. Dort wo einst große Heideflächen waren, kommen langsam die Nadelgehölze hoch. „Die Heide wird zum Wald“, sagt Daamen. Und das liege eindeutig am Wolf, der die zahlreichen Mufflons aus dem Park vertrieben und zum Teil getötet hat. Auch der Bestand der Rehe und Hirsche nimmt deutlich ab. Gino Daamen ist der erste Revierförster der Hoge Veluwe, der noch nie ein Mufflon im Park gesehen hat – es gab mal 340. Vermutet werden jetzt noch 30 Exemplare.
Die Population der Hasen hingegen habe stark zugenommen, da es kaum noch Füchse gebe. „Der Wolf hat die Neigung, Nahrungsrivalen auszuschalten“, sagt Daamen. Entsprechend gebe es in der Veluwe viele Fuchskadaver.
Dass Wölfe sich nur die schwächsten Tiere aus einer Herde herauspicken, hält Daamen mittlerweile für eine Mär. Er konnte selbst beobachten, wie das Wolfsrudel gezielt über die stärksten Hirsche hergefallen ist, obwohl es ein schwaches Tier in der Nähe gab.
Das Verhalten der Tiere im Nationalpark hat sich verändert
Der erste Wolf wurde 2018 auf der Hoge Veluwe gesichtet. „Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Landschaft im Park und das Verhalten der Tiere drastisch geändert“, sagt Daamen. Die Tiere seien scheuer geworden und die Hirsche ständen unter einem enormen Druck: „In fünf bis zehn Jahren wird die Population von 200 auf unter 100 gesunken sein. Dann haben wir ein echtes Problem mit Inzucht“, so Daamen. Mittlerweile gebe es bereits nur noch 160 Rehe.
Die Diskussion über den Wolf wird in den Niederlanden ähnlich kontrovers geführt, wie in Deutschland. Im Nationalpark De Hoge Veluwe ist man noch nicht einmal grundsätzlich gegen das Vorkommen des Wolfes. „Aber sieben Wölfe auf so einer kleinen Fläche sind zu viel. Ein Pärchen benötigt 10.000 Hektar Fläche“, sagt Daamen. Ein Versuch, die Wölfe mit einem Paintballgewehr zu beschießen, wurde von einem Gericht einkassiert: „Aber das sind lediglich Farbpatronen. Was ist der nächste Schritt? Der Wolf wird sein Verhalten immer stärker anpassen, bis er letztlich entnommen werden muss. Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung ist“, so der Revierförster.
Die Heidelandschaft ist besonders schützenswert
Das Ziel der Parkleitung ist es, die offenen Landschaft der Veluwe zu erhalten und damit auch die verbundenen Tier- und Pflanzenarten. Die sandigen Böden bieten einen Lebensraum für angepasste Pflanzen und Insekten. Diese drohen zu verschwinden, wenn die Heide sich in einen Nadelwald verwandelt. In einem Brief an die Europäische Kommission, den die Parkleitung im September 2023 verschickt hat, werden die offenen Graslandschaften und Heidelandschaften als besonders schützenswert erachtet. Der Park selbst zählt zum europäischen Netzwerk der Natura-2000-Gebiete, die einen herausgehobenen Status haben.
Der Wolf hat auch Einfluss auf die Besucher des Parks. In dem Brief an die Europäische Kommission dokumentierte die Parkleitung mit Bildern, wie Wölfe in unmittelbarer Nähe zu Spaziergängern, Radfahrern und Hundehaltern zu sehen sind. Noch seien die Tiere kein Grund, den Park zu meiden, aber die Fotos zeigen, dass die Tiere nicht scheu sind, sondern sich auch in direkte Nähe zu Menschen trauen. 625.000 Menschen haben den Park 2019 besucht.
Die Parkleitung möchte eine moderate Verbrämung des Wolfs erwirken. Man müsse ihm wieder die Scheu vor dem Menschen beibringen. Dies könne man durch Paintball-Beschuss erreichen.
>> Die Wölfe auf der Veluwe
Der Nationalpark De Hoge Veluwe hat für die Europäische Union im September 2022 einen Bericht über die Population der Wölfe erstellt. Der Bericht stützt sich auf Zahlen des Instituts BIJ12, welches das Vorkommen der Wölfe in den Niederlanden zählt und auch für die Schadensregulierung von der Regierung beauftragt wurde.
Demnach gab es 2022 ein Wolfsrudel im Bereich Veluwe-Noord mit einem Pärchen und mehreren Jungtieren.
Im Bereich Veluwe-Mitte gab es im Juni 2022 ein Pärchen mit mehreren Jungtieren. Ferner wurden zwei Welpen registriert, bei denen die Elternschaft noch nicht festgestellt werden konnte. Die Experten gehen daher davon aus, dass es in dieser Region zwei Rudel gibt.
Im Südosten der Veluwe gibt es ebenfalls ein Pärchen mit mehreren Welpen.