Essen/Wenden. Was steckt hinter dem Lifestyle- und Business-Trend? Und wie wende ich es für meine ganz persönlichen Routinen an? Eine kurze Anleitung.

Täglich ein Viertelstündchen Sport, ein Gang um den Block, eine lange Pause zum Durchatmen am Fenster – oder gar mal meditieren… Das wäre schön! Aber wie es so ist mit guten Vorsätzen: Man macht das ein, zwei, drei Mal, aber sie werden selten zur Gewohnheit. Und genau bei diesem Knackpunkt soll Habit Stacking helfen, was man grob als „Gewohnheiten stapeln“ übersetzen könnte. Dahinter verbirgt sich nichts anderes, als der Trick, seine alltäglichen, etablierte Tätigkeiten mit einer neuen, erwünschten Gewohnheit zu verknüpfen. Wir haben uns Business Coach und Expertin Carmen Breuer-Mentzel aus Wenden erklären lassen, wie man das am besten anfängt.

Expertin für Habit Stacking: Carmen Breuer-Mentzel aus Wenden.
Expertin für Habit Stacking: Carmen Breuer-Mentzel aus Wenden. © Cerstin Jütte | Cerstin Jütte

„Habit Stacking erleichtert definitiv mein Leben. Wir werden ja im Jahr 2023 geradezu erschlagen von Erfolgstipps und Erfolgsroutinen aber vieles ist viel zu komplex. Wenn ich auf ein Seminar gehe, um Dinge zu erlernen, ist das erstmal ganz toll. Dann kommt der Alltag und – zack – ich bin in den alten Mustern drin“, erklärt die Beraterin aus dem Sauerland. Diese Falle lässt sich mit Habit Stacking vermeiden, weil sie den Alltag mit berücksichtigt und ihn sich zunutze macht.

Verbindungen der Neuronen

Etabliert wurde der Begriff Habit Stacking vom US-Autor S.J. Scott. Die Verhaltenstechnik basiert auf der Erkenntnis, dass das Gehirn viele Wiederholungen braucht, um stabile Verbindungen zwischen den Neuronen zu etablieren, die aus einer Tätigkeit eine Gewohnheit zu machen. Viele dieser Gewohnheiten, etwa das Zähneputzen, sind als alltägliche Routinen fest in unseren Tagesablauf integriert, wir tun es, ohne noch darüber nachdenken zu müssen. Würde man eine neue Tätigkeit, etwa täglich ein bisschen Yoga zu machen, ähnlich fest verankern wollen, würde es dem Gehirn viel Arbeit bereiten… Es sei denn, man verknüpft eine schon bestehende Tätigkeit wie das Zähneputzen mit dem Yoga. Also: Jedes Mal, wenn ich mir morgens die Zähne geputzt habe, nehme ich mir eine Viertelstunde für Yoga. Diese Verbindung erleichtert es, das Yoga als selbstverständlich anzusehen – und es wird nicht so leicht vom Gehirn hinterfragt oder vergessen.

Zähneputzen erlernt man schon als Kind als tägliche Routine. Gut, wenn man es mit anderen guten Gewohnheiten verknüpfen kann.
Zähneputzen erlernt man schon als Kind als tägliche Routine. Gut, wenn man es mit anderen guten Gewohnheiten verknüpfen kann. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

„Habit Stacking arbeitet mit ganz kleinen Schritten. Und viele kleine Schritte machen am Ende des Tages ein großes Ergebnis aus. Das funktioniert für mich wie der Zinseszinseffekt. Wenn ich jeden Tag eine Kleinigkeit ändere, dann kontinuierlich mehrere Gewohnheiten dazu nehme und das dann hochrechne auf einen Monat, ein halbes Jahr, ein Jahr, auf zehn Jahre, dann habe ich natürlich Wahnsinnseffekte. Das Blöde ist das, was die wenigsten hören wollen: Dass es wirklich in Babyschritten losgeht, die ich immer wiederholen muss. Aber am Ende des Tages zahlt es sich aus, denn machen wir uns nichts vor, sind wir die Summe unserer Gewohnheiten. Und die können eben gut sein oder schlecht“, so Breuer-Mentzel, die das Habit Stacking bei ihren Seminaren meist Führungskräften näherbringt.

Die Kraft liegt in den vielen kleinen Schritten

Wichtig ist die Vorbereitung: In einem ersten Schritt sollte man ein paar der alltäglichen Gewohnheiten, die man schon etabliert hat, aufschreiben. Das können gute Gewohnheiten sein, an die man anknüpfen will, aber auch schlechte, die man beenden möchte.

In einem zweiten Schritt sollte man sich nun die neuen, wünschenswerten Gewohnheiten notieren. Das sollten nicht zu viele sein, drei reichen für den Anfang. Und sie sollten möglichst konkret formuliert sein. Also nicht „öfter mal Sport machen“. Eher schon: Jeden Tag zehn Minuten Gymnastik im Wohnzimmer. Die Dauer ist für den Anfang nicht entscheidend, denn wer am Ende täglich eine halbe Stunde sporteln will, kann am Anfang ruhig nur so viel machen, wie es einem gut erscheint. Da reichen fünf Minuten, wenn man sie täglich wiederholt und dann kontinuierlich steigert.

Nun sollte man die Gewohnheiten gedanklich verbinden: Nach dem ersten Kaffee morgens gleich mit dem Sport anfangen. Die alten und die neuen Gewohnheiten sollten gedanklich und räumlich nicht weit auseinander liegen, so dass die Verbindung leicht fällt.

Der letzte Punkt ist der schwierigste: In kleinen Schritten sollte man immer und immer wiederholen – und die Verbindungen von alter und neuer Gewohnheit so fest verknüpfen. Dabei sollte man sich nicht zu viel vornehmen. Die Schritte dürfen ruhig winzig sein – und man darf auch mal versagen, Hauptsache, man bleibt am Ball.

Die Dauer? Auch eine Typenfrage

Regelmäßiges Jogging: Die Experten streiten sich, wie lange man braucht, bis es sich zur Gewohnheit verfestigt hat.
Regelmäßiges Jogging: Die Experten streiten sich, wie lange man braucht, bis es sich zur Gewohnheit verfestigt hat. © Getty Images/iStockphoto | vgajic

„Das ist immer etwas, was ich erst mal unsexy anhört: Ich muss etwas dafür tun“, sagt Breuer-Mentzel. Und da man einen langen Atem dafür braucht, stellt sich die brennende Frage: Wie lange dauert es denn, bis man Erfolg hat? „Das dauert natürlich ein paar Tage. Ich kann da nicht sagen, dass passiert jetzt innerhalb einer Woche. Der eine Experte sagt 21 Tage, der wiederum nächste sagt: 30 Tage. Und es herrschen in der geläufigen Meinung auch diese berühmten 66 Tage vor, nach denen etwas etabliert sein soll. Es ist auch so ein bisschen eine Typensache. Allerdings: Wenn ich wirklich damit beginne, und ich ziehe das durch, wenn ich also erst mal nur eine Woche betrachte, in der ich sieben Tage täglich etwas getan habe, dann gibt mir das schon ein richtig gutes Gefühl. Und es motiviert mich auch dranzubleiben. Und nach drei, vier, fünf oder sechs Wochen ist es dann eben genauso leicht und selbstverständlich wie Zähneputzen“, so die Verhaltensexpertin.

Bei der kritischen Betrachtung der bisherigen täglichen Gewohnheiten empfiehlt sie übrigens, ein besonderes Augenmerk zu legen auf das Thema Social Media & Co. „Wenn ich das analysiere, dann ist das für viele ein böses Erwachen“, sagt die Business-Beraterin.

Gefahr durch Social Media

„Oft denke ich, dass ich ja keine Zeit haben. Aber wenn ich dann mal meine Tagesroutine niederschreibe und feststelle: Nach dem Kaffeetrinken verbringe ich tatsächlich anderthalb Stunden mit Instagram, Facebook & Co., dann öffnet mir das im wahrsten Sinne des Wortes die Augen. Für viele ist es also heilsam, wenn man sich einfach seinen Tagesablauf und seine Routinen schriftlich fixiert.“

Die digitale Enthaltsamkeit in bestimmten Momenten wäre übrigens gleich eine der guten Gewohnheiten, die man sich beim Habit Stacking vornehmen könnte, etwa im Sinne: Ich muss jetzt ein, zwei Stunden konzentriert arbeiten, da lege ich das Handy oder die anderen digitalen Störenfriede außer Seh- und Hörweite – schon dieses Verhalten trägt bei den meisten Menschen zu einer enormen Steigerung ihrer Produktivität bei.

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