Man kann die Welt schlimm finden. Oder man will sie retten. Möglichkeiten dazu gibt es. Tante Agnes schaltet lieber ins andere Fernsehprogramm.

Wer sich lang genug mit Trump-News, Berichten über Selbstmordattentate, Insektensterben, Hasskommentaren, der Lage im Nahen Osten, AfD-Tweets oder Wasserstandsmeldungen zur Klimaerwärmung beschäftigt, könnte ziemlich leicht zu dem Eindruck gelangen, dass die Welt einfach nicht mehr zu retten ist.

Deswegen guckt Tante Agnes schon seit Jahren keine Nachrichtensendungen mehr. Sie schaltet dann immer um auf Programme, die ihr für die nächsten Minuten mehr Heiterkeit oder zumindest erbaulichere Neuigkeiten bieten, wie beispielsweise eine neue Tournee von Helene Fischer.

Facebook und ähnliche neumodische Medien hat sie sowieso nicht, schon wegen des vielen unerfreulichen und unsinnigen Zeugs, was darin zu lesen ist. „Tante Agnes, Verdrängung der Welt ist nun auch keine Lösung“, sage ich. Doch ist es, findet Agnes und nörgelt: „Ich möchte so wenig Schreckliches wie möglich hören, ist doch alles auch so schon deprimierend genug“.

Ist die Welt wirklich so schlimm? Nein, ist sie nicht, halte ich Agnes entgegen.

Schon allein deshalb, weil es im Kleinen so unendlich viele gute Aktionen und Initiativen, so viel Engagement gibt, dass die Welt eigentlich gar keine andere Möglichkeit hat, als besser zu werden.

Ich erzähle ihr von den Leuten aus der Stadt, die seit Wochen Blumenerde schleppen, Beete harken und säen, um mit dem Gemeinschaftsgarten, in dem sie gemeinsam mit Kindern Gemüse anpflanzen, das Stadtquartier nicht nur schöner und lebenswerter, sondern auch gesünder und ökologischer zu machen.

Ich schwärme von den Firmen und Vereinen, die in diesen Tagen unter dem Motto „Rettet die Insekten“ palettenweise Saatgut-Tütchen verschenken, damit möglichst viele Menschen Blumenwiesen zum Blühen bringen, über denen dann demnächst Hummel, Biene und Co. fliegen und summen.

Ich berichte ihr von einer Kampagne, die in vielen Städten des Landes an einem Samstag Mitte Juni Menschen einlädt, gemeinsam an langen Tafeln zu speisen und bei Keksen und Couscous miteinander ins Gespräch kommen - zum Beispiel darüber, wie wir als Gesellschaft leben möchten, was wir unter Toleranz, guter Nachbarschaft oder gelebter Integration verstehen. Das ist so eine Art Mittsommerfeier mit sozialem Impetus (und für alle, die es interessiert: www.die-offene-gesellschaft.de/16juni). „Eine mitreißende und nachahmenswerte Idee, findest du nicht auch?“, sage ich zu Agnes.

Und ich könnte ihr natürlich noch von 1000 anderen tollen Ideen erzählen. „Du bist so idealistisch, das kenn’ ich gar nicht von dir. Und ein bisschen kitschig bist du auch“, erwidert Tante Agnes ziemlich ungerührt. Was natürlich gemein ist und so schon mal gar nicht stimmt. Ich warf ihr im Gegenzug Hartherzigkeit und Ignoranz vor. Und dachte mir: Wenn das Kitsch ist, dann wäre es vielleicht angebracht, dass wir alle in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren mal so richtig unsere kitschige Seite auslebten.

In diesem Moment schaltete Agnes den Fernsehsender um - im Ersten drohten die Nachrichten.