Bad Berleburg. Das Unternehmen für Spezialschrauben aus Bad Berleburg investiert kräftig in den USA, weil der Standort Deutschland immer unattraktiver wird.

Es sind nicht mehr nur die großen Konzerne, die global agieren und in Produktionsstätten und Entwicklungszentren im Ausland investieren. Längst stellt sich auch der Mittelstand immer internationaler auf, wenn er kann. Ist der Standort Deutschland von gestern? Christian Kocherscheidt, Geschäftsführender Gesellschafter von Ejot, einem sehr erfolgreichen Wittgensteiner Unternehmen für Verbindungstechnik wie Schrauben und Dübel für die Bau- und die Automobilindustrie, im Gespräch über wirtschaftliche Notwendigkeiten, im Ausland zu investieren, die verbleibende Perspektive in der Heimat und (k)eine Jacht im Mittelmeer.

Herr Kocherscheidt, Sie wollen in Zukunft stärker in ausländischen Märkten investieren. Hat der Standort Deutschland ausgedient?

Christian Kocherscheidt: Nein, aber die Standortfrage beschäftigt uns bereits seit vier bis fünf Jahrzehnten. Deutschland wird immer teurer. Die gestiegenen Kosten kann man immer schlechter in Schrauben, unserem Kerngeschäft, unterbringen. Dafür ist die Gewinnspanne zu gering. Wir müssen also hier vor Ort immer effizienter werden. Das ist aber nichts Neues.

Ejot stellt sich in Nordamerika gerade ganz neu auf. Sie sind Mehrheitsanteilseigner an einem neuen Joint-Venture. Haben eine Art Ringtausch mit einem langjährigen Partner vollzogen. Welche Rolle spielen die Subventionen der US-Regierung, der Inflation Reduction Act (IRA), bei dieser Entscheidung?

Wir sind bereits seit 15 Jahren in Nordamerika. Für die Entscheidung der Neuaufstellung mit unserem langjährigen und befreundeten Partner ATF spielte der IRA keine Rolle. Er kann aber für uns von Vorteil werden. ATF hat, wie viele anglo-amerikanische Unternehmen, ein Investitionsdefizit. Wir werden dort viel investieren müssen, und als Mehrheitseigentümer kommt das auf uns zu. Wenn wir dabei im Rahmen des IRA gefördert werden, sagen wir nicht nein, aber die Akquisition hätten wir auch ohne das Programm gemacht, weil Amerika strategisch für uns wichtig ist.

Warum ist ausgerechnet Amerika für Ejot so wichtig?

Wir haben zwei Marktsegmente. Die Automobilbranche und die Baubranche. Mehr als 50 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir mit Industrieprodukten. Davon rund 70 Prozent mit der Automobilindustrie. Beim Auto müssen Sie den Kunden folgen. Um mit den Herstellern und erstrangigen Zulieferern wie Bosch und Co. im Geschäft zu bleiben, muss man als Unternehmen dort sein, wo produziert wird. Nach China sind wir vor 15 Jahren aus reiner Neugierde gegangen. Heute haben wir dort ein Werk mit 250 Beschäftigten und sind Zulieferer für die Elektromobilität. E-Mobilität ist für uns eine große Chance. Batterien sind wahre Schraubengräber. Je mehr Elektromobilität es gibt, desto besser sollte es Ejot gehen.

In Bad Berleburg hat die Firma EJOT ihren Hauptsitz. Im Bild das vollautomatische Hochregallager. In Nordamerika ist das familiengeführte Unternehmen bereits seit 15 Jahren aktiv. Jetzt wird dort noch einmal kräftig investiert, auch um die teuren deutschen Standorte zu stützen, erklärt Ejot-Chef Chrisitan Kocherscheidt.
In Bad Berleburg hat die Firma EJOT ihren Hauptsitz. Im Bild das vollautomatische Hochregallager. In Nordamerika ist das familiengeführte Unternehmen bereits seit 15 Jahren aktiv. Jetzt wird dort noch einmal kräftig investiert, auch um die teuren deutschen Standorte zu stützen, erklärt Ejot-Chef Chrisitan Kocherscheidt. © FFS | Fabian Strauch

Auch in Deutschland werden noch Autos produziert, sogar E-Autos.

Der Automobilstandort Deutschland steht sehr unter Druck. Die Hersteller müssen sich etwas einfallen lassen. Die Folge ist, dass wir auch in Ländern wie China oder Amerika sein müssen, um uns unabhängiger vom Standort Deutschland zu machen. Der Markt ist das Wichtigste. Wenn der Markt in Europa anziehen würde, wäre der Anreiz nicht so groß, ins Ausland zu gehen. Wir haben hier in Deutschland zu viel alte Industrie und zu wenig wirklich Neues. Kein Apple und Co. Zuletzt ist Biontech immerhin etwas gelungen, aber es ist nicht einfach, am Standort Deutschland etwas wirklich Neues zu gründen.

Welche Perspektive sehen Sie dann für Ejot in der Heimat?

Wir haben hier bislang unseren Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung (F+E). Wenn etwas erfunden wird, dann meistens hier. Hier wollen wir unsere internationalen F+E-Aktivitäten stärken, um noch stärker lokale oder regionale Entwicklungen aufgreifen zu können. Auch unsere Produktion ist durch das Engagement im Ausland nicht gefährdet. Im Gegenteil. Wir verdienen im Ausland etwas leichter Geld, das wir nutzen, um die deutschen Standorte damit zu stützen.

Dahinter verbirgt sich Ihr Programm Ejot 2025. Sie sagen, es sei notwendig, um unabhängig zu bleiben. Das hört sich an, als gäbe es Interesse an einer Übernahme von Ejot. Gibt das Interesse?

Ja (lacht). Es gibt jede Woche Heiratsinteresse. Diese Anfragen gibt es immer wieder. Das ist halt so. Die Privat-Equity-Gesellschaften wissen genau, wenn sie ein Unternehmen wie Ejot kaufen, zerschlagen und in Teilen wieder verkaufen, verdienen sie Geld. Aber wir sind ja dazu da, um langfristig und stabil in unserer Region ein verlässlicher Arbeitgeber für unsere Beschäftigten zu sein. Warum sollte ich die Firma verjubeln? Um im hohen Alter in Sankt Tropez auf eine Jacht zu schauen?

Haben Sie die nicht?

Nein (lacht). Das haben wir nie reizvoll gefunden. Wettbewerb ist doch viel spannender als eine Jacht im Mittelmeer.

4500 Beschäftigte und Produktion rund um den Globus

EJOT mit Sitz in Bad Berleburg ist eine mittelständische Unternehmensgruppe aus der metallverarbeitenden Industrie und europäischer Marktführer in der Verbindungstechnik. EJOT bietet eine breite Palette innovativer Verbindungselemente, insbesondere gewindefurchende Schrauben für Kunststoffe und Metalle, technische Umformteile aus Kunststoff und Metall sowie das Komplettprogramm für die Befestigung der Außenhülle von Gebäuden.

Die Kunden kommen aus der Automobil- und Zulieferindustrie, der Telekommunikations- und Unterhaltungselektronik oder aus dem Baugewerbe.

Die Produkte von EJOT bieten Potenziale für den Umbau der Wirtschaft von der fossilen Verbrennung hin zu klimafreundlichen, neuen Technologien, sei es in der Automobilindustrie bei der Transformation zur Elektromobilität, dem Leicht- und Mischbau von Rohkarossen oder in der Bauindustrie bei der Gebäude-Isolierung, dem Einsatz regenerativer Energien und deren sicherer Befestigung.

EJOT beschäftigt weltweit ca. 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben den deutschen Produktionsstandorten in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Tambach-Dietharz produziert EJOT in China, Indien, Brasilien, Großbritannien, Mexiko, Polen, Schweiz, Türkei, USA, Litauen, Finnland und Kroatien. Darüber hinaus hat das Unternehmen weltweit zahlreiche Vertriebsgesellschaften. (Quelle: Ejot)