Arnsberg. Ende 2022 stand das Projekt HydroNet im Sauerland nach der Förderabsage des Landes auf der Kippe. Jetzt gibt es Aussichten, dass doch Geld fließt.

Grüner Wasserstoff (H2) ist bislang noch eine Hoffnung, die sich möglichst schnell zu einem Energieträger der Zukunft in Deutschland wandeln soll. Dafür ist der Ausbau von Infrastruktur mit Hilfe staatlicher Förderung notwendig, nicht nur entlang der Rheinschiene und im Ruhrgebiet. Das Wasserstoff-Projekt „HydroNet“ im Raum Arnsberg/Balve scheint nach einer Förderabsage vom Land im November vergangenen Jahres nun doch eine reelle Aussicht auf Realisierung zu haben.

Die Bundesregierung hatte 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie verkündet. Deutschland solle zum Vorreiter der Wasserstoffwirtschaft werden. Im Sommer dieses Jahres gab es sogar ein Update, das die Politik in Berlin als „H2-Turbo“ bezeichnet. Es werden noch einmal ehrgeizigere Ziele beim Tempo formuliert und beim Ausbau eines Wasserstoffnetzes, das die großen Lieferanten mit den großen Verbrauchern noch schneller verbinden soll.

Grüner Wasserstoff soll Erdgas in der Produktion ersetzen

Bislang noch viel graue Theorie. Bei den schillernden Skizzierungen aus dem Bundesforschungsministerium und dem Bundesklimaschutzministerium kommt der Mittelstand allenfalls am Rande vor. Entmutigen lässt man sich in der vermeintlichen Peripherie aber (noch) nicht. HydroNet könnte ein positives Signal senden. Wo Unternehmen heute Erdgas im Produktionsprozess einsetzen, ruht eine Hoffnung für die Zukunft auf Wasserstoff, nicht nur im Raum Arnsberg, sondern beispielsweise auch in Hagen oder dem angrenzenden Märkischen Kreis.

Die Idee bei HydroNet skizzieren die Projektentwickler von Westnetz, einem Tochterunternehmen des Essener Unternehmens Westenergie, in etwa so: Im ersten Schritt wird eine elf Kilometer lange, nicht mehr genutzte Erdgasleitung von Arnsberg nach Balve für den Transport von Wasserstoff umfunktioniert. Entlang dieser Leitung sollen verschiedene Unternehmen testweise mit Wasserstoff versorgt werden, gleichzeitig soll diese Leitung ein 150 Megawattstunden großer Wasserstoffspeicher sein, der an kalten Tagen rund 1000 moderne Einfamilienhäuser mit Energie erwärmen könnte.

Irgendwo muss der Wasserstoff natürlich herkommen. Da das große Ganze, ein riesiges bundesweites H2-Verteilnetz, noch nicht existiert und dort ländlichere Regionen erst einmal auch kaum angebunden sein dürften, wird in Arnsberg auf dezentrale Erzeugung gesetzt. Mehrere sogenannte Elektrolyseure sollen im Projekt HydroNet unter Einsatz von (viel) Energie Wasserstoff erzeugen. Idealerweise mit Strom aus erneuerbaren Energien, also Ökostrom, damit der Wasserstoff grün wird. Nur so macht es langfristig Sinn.

Beteiligt werden sollen mehrere große Industrieunternehmen wie der Arnsberger Papierhersteller Wepa, das Entsorgungsunternehmen Lobbe aus Iserlohn, oder der Autozulieferer A+E Keller in Arnsberg. In einer zweiten Phase sollen auch der Arnsberger Leuchtenhersteller Trilux und sogar tief im Sauerland gelegene Firmen wie der Schmiedebetrieb M.Busch in Bestwig beteiligt werden. Langfristig sollte in den 2030er Jahren eine Vernetzung mit in der Nachbarschaft geplanten Projekten wie „Zukunft RuH2r“ bei Hagen und „H2.Ruhr“ von Dortmund nach Duisburg stattfinden.

In engem Austausch arbeitete Westnetz seit 2020 an einem förderfähigen Vorschlag für das Modellprojekt, überarbeitete den Plan auf Wunsch des Landeswirtschaftsministeriums 2022 noch einmal. Über das Förderprogramm „Progres.NRW-Innovationen“ sollte die Landesregierung die Entwicklung einer regionalen Wasserstoffwirtschaft mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag anschieben, die Umsetzung im ersten Quartal 2023 starten. Im November 2022 kam dann eine für die beteiligten Projektpartner, lokale Politik und Wirtschaftsverbände wie die Industrie- und Handelskammer überraschende Absage aus Düsseldorf. „Eine Finanzierung des Projekts durch das Land NRW wurde den Antragsstellern nie verbindlich zugesichert“, hieß es seinerzeit aus dem Landeswirtschaftsministerium auf Anfrage dieser Zeitung.

Über das Programm Progres.NRW wurden in diesem Jahr zahlreiche Projekte vom Land unterstützt, allerdings in überschaubarer Größenordnung, die sich auf rund fünf Millionen Euro summiert. Darüber hinaus erteilte das Landeswirtschaftsministerium 2023 über das Programm Wasserstoff IPCEI für die Entwicklung von Elektrolyseuren dem Solinger Unternehmen Sunfire kürzlich einen Förderbescheid in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Über dasselbe Programm soll mit rund 600 Millionen Euro die höchste Fördersumme, die das Land Nordrhein-Westfalen jemals zugesagt hat, an Thyssenkrupp fließen für den Umbau einer Hochofenroute im Duisburger Stahlwerk.

Duisburg ist das Wasserstoffprojekt, für das in NRW am meisten gezahlt wird, über das in NRW am meisten geredet, geschrieben – und hinter vorgehaltener Hand auch gemurrt wird, weil der Eindruck entstehen könnte, das Land fördere gerne Prestigeprojekte – wie den ohne Zweifel notwendigen Umbau der Stahlindustrie –, während für kleinere Projekte wie HydroNet kein Geld mehr bleibe.

100 Millionen Euro pro Jahr im Fördertopf des Bundes

Nun vielleicht doch. Nicht aus Düsseldorf, sondern über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Berlin. Ein anderes Programm, bessere Aussichten? „Das BMWK hat HydroNet zur Antragstellung im Rahmen der ,Reallabore der Energiewende’ ausgewählt“, teilt Westenergie auf Anfrage dieser Zeitung mit. Mit Hochdruck werde gerade daran gearbeitet diesen Antrag zu stellen. „Dies ist keine Förderzusage, da erst auf Basis des entsprechenden Antrags über den Förderbescheid entschieden wird.“ Dieses Mal bleiben die Projektbeteiligten lieber vorsichtig, aber optimistisch.

Der Topf des Bundesprogramms ist mit bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr gefüllt. Ziel des Bundesprogramms ist es, Projekte anzuschieben, die nach Ablauf des Förderzeitraums eine echte wirtschaftliche Perspektive haben – genau dies ist das Ziel von HydroNet.