Essen. Trotz Immobilienkrise boomen Logistikhallen weiter. Doch die Vorbehalte in den Ruhrgebietsstädten wachsen. Wie sie Ansiedlungen verhindern.
Während das Geschäft mit Büro- und Einzelhandelsimmobilien in der Krise steckt, floriert die Logistik. Im Ruhrgebiet wollen sich mehr Logistiker ansiedeln als Flächen zur Verfügung stehen. Dabei wachsen die Vorbehalte gegen die Branche.
„Es müsste mehr Logistik-Flächen geben. Die Nachfrage ist größer als das Angebot“, sagt Andreas Schulten vom Beratungs- und Analysehaus Bulwiengesa im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Ein zentraler Grund liegt für ihn auf der Hand: „Logistik ist auch ein bisschen unbeliebt. Gerade für die Stadtplaner. Für sie ist es immer ein schwerer Schritt, Flächen für Logistik rauszugeben.“
Das kann ein Praktiker nur bestätigen. Das Essener Maklerunternehmen Brockhoff hat seit 2017 rund 600.000 Quadratmeter Fläche vermarktet. „Der Markt für hochwertige Logistikimmobilien boomt und ist das Geschäftsfeld, das am stärksten wächst“, sagt Geschäftsführer Tobias Altenbeck. Corona, Inflation und Zinssteigerungen scheinen der Branche nicht zu schaden.
„Die Kommunen zögern, große Flächen zu genehmigen“
Das ist kein Wunder angesichts des immer bedeutender werdenden Onlinehandels. „Im Ruhrgebiet sind, wie in allen Ballungsgebieten, vor allem Objekte für Last-Mile-Logistik stark nachgefragt, über die Unternehmen die Zustellung auf der letzten Meile abwickeln können“, berichtet Altenbeck. Doch gerade im verkehrsgünstig gelegenen zentralen Ruhrgebiet gebe es praktisch keine Grundstücke mehr, um große Logistikbetriebe anzusiedeln. „Die Kommunen zögern, große Flächen für die Ansiedlung oder Expansion von Logistik-Unternehmen zu genehmigen“, sagt der Makler. Oft gebe es für die Standorte Einschränkungen, die etwa Nachtarbeit ausschließen und den Lkw-Verkehr begrenzen.
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Altenbeck kennt die Vorbehalte: „Logistikfirmen werden als ,Flächenfresser‘ betrachtet, die viel Verkehr, aber wenige Arbeitsplätze mit sich bringen.“ So komme es immer wieder vor, dass ein Unternehmen etwa in Mülheim eine Fläche sucht, der Makler mit ihm aber einen Vertrag im niederrheinischen Hünxe abschließt. „Außerhalb des zentralen Ruhrgebiets sind die Chancen, Standorte für große Flächen zu finden, größer“, meint der Geschäftsführer.
In Mülheim gesucht, nach Hünxe gezogen
Manche Interessenten könnten trotz der angespannten Lage am Ende doch innerhalb der Revier-Grenzen gehalten werden. „Die Zusammenarbeit zwischen den Ruhrgebietsstädten wurde in den letzten Jahren intensiviert“, hat Altenbeck beobachtet und lobt die bessere Vernetzung der Kommunen untereinander über die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Business Metropole Ruhr.
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Für den Immobilienexperten liegen die Gründe für den Logistikboom im Ruhrgebiet auf der Hand. „Hier gibt es die Mitarbeiter und die Infrastruktur“, sagt Altenbeck. „Die Logistik-Branche im Ruhrgebiet boomt, weil es hier die Mitarbeiter und die Infrastruktur gibt. Allein in Essen gibt es rund 42 Autobahn-Abfahrten.“ Während die Mietpreise zwischen Duisburg und Dortmund im Vergleich zu anderen Wirtschaftsmetropolen üblicherweise recht gering sind, gebe es bei großen Lagerhallen einen Aufwärtstrend. Altenbeck: „In den letzten fünf Jahren haben sich die Mieten für Logistikimmobilien teilweise verdoppelt. In diesem Sektor wird auch trotz hoher Preise gebaut, sofern sich Flächen finden.“ 6,90 Euro pro Quadratmeter für eine modern ausgestattete Neubauhalle sei keine Seltenheit mehr.