Essen. Frauen haben sich vernetzt, um die Dominanz der Männer in der Start-up-Szene zu bremsen. Warum es Gründerinnen immer noch schwerer haben.

Frauen treten nur mühsam aus dem Schatten der Männer, zumindest wenn es darum geht, Start-ups zu gründen. Im Ruhrgebiet soll sich das jetzt ändern. Die weibliche Gründerszene hat sich vernetzt und will mit der Initiative „Herhood“ neue Impulse setzen – und positive Beispiele bekannter machen.

„2022 ist der Frauenanteil bei den Gründungen von Start-ups auf 20 Prozent gestiegen. Das Ruhrgebiet liegt allerdings noch leicht darunter. Frauen sind im Start-up-Ökosystem also immer noch unterrepräsentiert“, analysiert Britta Dombrowe, die Leiterin der Gründerallianz, die vom Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr, der RAG-Stiftung und den Unternehmen Vonovia, RAG und Evonik getragen wird.

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Dombrowe setzt sich seit geraumer Zeit dafür ein, dass die Gründerszene im Revier nicht so sehr von Männern dominiert wird. „Besonders eklatant finde ich, dass nur zwei Prozent des zur Verfügung stehenden Risikokapitals an weibliche Start-ups fließt“, erklärt sie. Das habe zur Folge, dass männliche Start-ups durchschnittlich die neunfache Summe zur Verfügung haben, um ihre Firmen ans Laufen zu bringen. „Durch diese Ungleichverteilung können weibliche Start-ups nur sehr viel langsamer wachsen“, so Dombrowe.

Investorin aus Bottrop fördert Start-ups mit Frauen

Entsprechend klein sei die Zahl der erfolgreichen Gründungen, die als gute Beispiele anderen Frauen Mut machen sollen. Doch es gibt sie: Pamela Kelbch aus Bottrop hat selbst vor Jahren „mit einem Kleinkind zu Hause“ gegründet, wie sie erzählt. Inzwischen unterstützt sie andere junge Firmen ideell als Businessangel, aber auch finanziell. „Ich habe Anfang 2023 die PDT Invest als Familien-GmbH gegründet. Wir haben uns das weibliche Unternehmertum auf die Fahnen geschrieben und investieren vorrangig in ein Start-up, wenn mindestens eine Gründerin dabei ist“, sagt Kelbch.

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Die Investorin hat die Probleme, die Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit begegnen, also am eigenen Leib erlebt – seinerzeit noch an ihrem damaligen Wohnort München. „Auf meinem Weg zur Unternehmerin haben mich überwiegend Männer begleitet – vom Bankberater über den Immobilienberater bis hin zum Notar. Aber sie waren alle davon überzeugt, dass ich es schaffen kann“, berichtet Kelbch.

Es fehlen die weiblichen Beispiele

Ihre Erfahrungen bringt sie nun im Netzwerk Herhood ein, das sich beim Gründerkongress Ruhrsummit im Juni in der Bochumer Jahrhunderthalle einem großen Publikum vorgestellt hatte. „Frauen haben tolle Ideen. Wichtig sind aber auch Kontakte, Menschen, die einen unterstützen“, sagt Kelbch und erinnert sich. „Im Ruhrgebiet war es wegen der regional verstreuten Angebote im Gegensatz zu München aber gar nicht so leicht, Netzwerke zu knüpfen. Allein ist man weniger erfolgreich und allein kann man auch kein Unternehmen aufbauen.“ Gleichwohl betont die Unternehmerin, dass Frauen im Gegensatz zu Männern eher zurückhaltend seien. „Frauen mögen oft keine Sichtbarkeit. Sie gehen nicht so gern in die Öffentlichkeit, um ihre Leistung zu zeigen“, so Kelbch

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Beim Ruhrsummit ist die Investorin dann auch auf Maja Krishnabhakdi aufmerksam geworden. Mit zwei Kollegen hat sie im Oktober 2022 das Start-up Lucoyo gegründet, das Softwarelösungen für psychotherapeutische Praxen entwickelt und vertreibt. „Mit einem Wandeldarlehen der NRW-Bank konnten wir in diesem Jahr den nächsten Schritt gehen, und Lucoyo wird nun in den ersten psychotherapeutischen Praxen eingesetzt“, berichtet die Geschäftsführerin, die schon eine weitere Wachstumsphase vor Augen hat. „Für die nächsten Schritte brauchen wir zusätzlich Kapital“, sagt Krishnabhakdi. Und da habe Pamela Kelbch „die Finger in die Wunde unseres Finanzierungsmodells gelegt“.

Herhood deckt das gesamte Ruhrgebiet ab

Herhood trägt also bereits erste Früchte. Vergangene Woche haben sich die Frauen aus der Region wiedergetroffen. „Es gibt viele gute Netzwerke in den einzelnen Städten. Es fehlt aber noch die Klammer für das Ruhrgebiet“, sagt Rebekka Bracht, die Herhood von Seiten des Initiativkreis Ruhr betreut. Das Bündnis aus 70 namhaften Unternehmen und Institution der Region biete sich als Plattform an. Bracht: „Wir setzen uns für die ganze Region ein.“

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Ihre Kollegin Britta Dombrowe macht Druck. „Es ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels fahrlässig, das Potenzial der Frauen, die die Hälfte der Bevölkerung stellen, einfach brach liegen zu lassen“, sagt sie und zeigt weitere Defizite auf: „Nach wie vor besteht auch das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die meisten Menschen gründen in ihren Dreißigern, das ist die Zeit, in der viele Frauen Kinder bekommen. Es fehlt an Konzepten, sie am Arbeitsmarkt zu halten.“

Gründerin: Ökonomisch nachhaltig wachsen

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Dabei zeigt die Statistik, dass Frauen eher nachhaltige und soziale Unternehmen, die dabei helfen können, aktuelle Herausforderungen nicht nur im überlasteten Gesundheitswesen zu lösen. Auch deshalb betont Maja Krishnabhakdi: „Für mich ist es kein Risiko zu gründen. Mir ist wichtig, ein ökonomisch nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, also achten wir seit Beginn darauf, effizient zu wirtschaften und daraus zu wachsen.“