Essen. Aldi-Zulieferer Medion ist in rote Zahlen gerutscht und will Stellen abbauen. Chinesischer Konzern Lenovo stockt auf fast 100 Prozent auf.
Als Lieferant von Aldi machte der Essener Elektronik-Hersteller Medion in der Vergangenheit glänzende Geschäfte. Doch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 ist das Unternehmen in die roten Zahlen gerutscht und will nun durch Stellenabbau die Kosten senken. Darauf drängt offensichtlich der chinesische Eigentümer Lenovo, der am Donnerstag seinen Anteil von rund 87 auf 98,21 Prozent der Stimmrechte aufgestockt hat.
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Der Abwärtstrend dürfte vor allem dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden von Medion schmerzen: Gerd Brachmann, den man auch das „Phantom des Ruhrgebiets“ nennt, hatte das Unternehmen im Jahr 1983 gemeinsam mit Helmut Linnemann in Mülheim gegründet. Bis heute gibt es von dem gebürtigen Bochumer kein Foto. Nachdem Linnemann ausgestiegen war, brachte Brackmann Medion – entstanden aus einer Reihe von Videotheken – 1999 an die Börse.
Lenovo stieg 2011 bei Medion ein
Zuvor hatte sich das Geschäft mit Computern für den Privatgebrauch rasant entwickelt. Vor den Aldi-Filialen – seinerzeit Hauptvertriebskanal für seine Elektronikprodukte – bildeten sich regelmäßig lange Schlangen, wenn der Discounter einen PC-Turm im Angebot hatte. Der Konzern wuchs so schnell, dass das Firmenareal in Mülheim rasch zu klein wurde. Medion zog auf das Gelände der ehemaligen Gustav-Heinemann-Kaserne in Essen-Kray um.
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2006 rutschte das Unternehmen erstmals in die roten Zahlen. 2011 dann kam der Umbruch: Brachmann verkaufte die Mehrheit an den chinesischen Elektronik-Riesen Lenovo. Seit Donnerstag befindet sich Medion zu fast 100 Prozent im Eigentum des Konzerns, dem inzwischen auch Teile von IBM gehören, NEC und Motorola. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Joint-ventures mit Wettbewerbern.
Medion schreibt rote Zahlen
Die Aufstockung bei Medion fällt mitten in eine Krise. Die Essener hatten im Geschäftsjahr 2022/23, das am 31. März endete, einen Umsatzeinbruch um 16 Prozent auf 877 Millionen Euro verkraften müssen. Das geht aus dem im Internet veröffentlichten Geschäftsbericht hervor. In Hochphasen setzte das Unternehmen drei Milliarden Euro um. Das Ergebnis vor Abzug von Zinsen und Steuern rauschte sogar um 171 Prozent in den Keller und landete bei einem Fehlbetrag von 33 Millionen Euro – 70,7 Millionen Euro unter den Erwartungen.
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Darin enthalten seien Rücklagen in Höhe für „Restrukturierungsmaßnahmen“ mit einem Volumen von 23 Millionen Euro zum Umbau des Geschäfts, aber auch zum Abbau von Personal. Wie viele der zuletzt 1018 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen, teilte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion nicht mit.
„Im Rahmen der Restrukturierung werden vor allem Prozesse angepasst und Synergien im Unternehmen gehoben. Arbeitsplätze gehen verloren durch nicht mehr vorgenommene Nachbesetzungen freiwerdender Stellen und einen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat durchgeführten Personalabbau“, sagte ein Sprecher. Medion verfüge über eine „gesunde Bilanzstruktur“ und wolle „weiter in neue Produkte und Dienstleistungsangebote investieren“. Essen als Unternehmenssitz bleibe erhalten.
Einstieg ins Mobilfunkgeschäft
Laut Geschäftsbericht besteht die „Kernkompetenz“ von Medion darin, Notebooks, PC-Systeme, Smartphones und Tablets zu entwickeln und zu vertreiben. Zum Sortiment gehören überdies Fernseher, Internetradios, Bluetooth-Lautsprecher, Haushalts- und Gesundheitsprodukte. Inzwischen hat das Unternehmen auch ein Dienstleistungsgeschäft etwa im Mobilfunk, als Fotoservice und in Form von Musik-Plattformen aufgebaut, die hauptsächlich über Handelspartner wie Aldi angeboten werden. Medion hat aber auch einen Onlineshop und einen Fabrikverkauf in Essen aufgebaut.
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Das Abgleiten in die roten Zahlen erklärt Medion mit „steigenden Kaufzurückhaltungen“. Die zuviel produzierten Geräte könnten nur noch „mit deutlichen Preisabschlägen“ verkauft werden. Handelskunden hätten überdies von „großvolumigen Bestellungen Abstand genommen“.
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Wie es nun bei Medion weitergehen soll, nachdem Lenovo knapp 100 Prozent der Aktien besitzt, ist unbekannt. Der Vertrag von Gründer und Vorstandschef Gerd Brachmann läuft noch bis zum 31. März 2025, der seines Stellvertreters Christian Eigen ein Jahr länger. Die Altersgrenze liegt bei 67 Jahren. Den dreiköpfigen Medion-Aufsichtsrat führt der ehemalige Deutsche-Bank-Manager Rudolf Stützle, der auch Chefaufseher des Duisburger Stahlhändlers Carl Spaeter ist. Die beiden anderen Mandate im Aufsichtsrat haben die Lenovo-Manager Wai Ming Wong und Francois Bornibus inne.