Essen. In Essen wurden 2022 nur noch sehr wenige Wohnungen gebaut. Und der ganz große Einbruch kommt laut Immobilienverband erst noch. Die Städtedaten.

Am bereits angespannten Wohnungsmarkt wird es in vielen Ruhrgebietsstädten immer enger: 2022 ist der Neubau in Gelsenkirchen und in Essen um fast die Hälfte eingebrochen, in Bochum und Mülheim um jeweils knapp 40 Prozent (siehe Tabelle). Das zeigt die Statistik des Landesstatistikportals IT-NRW für 2022. In Oberhausen wurden dagegen deutlich mehr neue Wohnungen fertiggestellt (+62 Prozent) als im Vorjahr, allerdings hat die Stadt auf ihre Bevölkerung hochgerechnet nach wie vor eine der niedrigsten Zubauquoten: 9,1 neue Wohnungen kamen auf 10.000 Einwohner, nur Gelsenkirchen und Hagen haben noch niedrigere Werte.

Das wiegt deshalb so schwer, weil die Lage sich in diesem Jahr noch einmal dramatisch verschärft hat und viele Bauherren und -frauen ihre Pläne fürs neue Eigenheim gestoppthaben. „Wir werden einen signifikanten Einbruch der Baufertigstellungszahlen erleben“, prognostiziert Alexander Rychter, Chef des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) in NRW. Und appelliert an die Politik: „Neben den hohen Baukosten, den steigenden Zinsen und der Verunsicherung in der Energieversorgung verträgt die Baukonjunktur keine weiteren Belastungen mehr.“

Es geht auch anders: Dortmund baut kräftig zu

Wie in ganz Nordrhein-Westfalen waren die Bautätigkeiten im vergangenen Jahr aber von Stadt zu Stadt höchst unterschiedlich. So legte etwa Dortmund kräftig zu, kam mit 2121 fertiggestellten Wohnungen auf eine weit überdurchschnittliche Neubauquote von 35,8 Wohnungen je 10.000 Einwohner. Das gelang auch deshalb, weil unter den Neubauten mit 108 Mehrfamilienhäusern ungewöhnlich viele Gebäude für drei oder mehr Parteien waren. Zum Vergleich: In Essen, das fast genauso viele Einwohner hat wie Dortmund, wurden 2022 nur 44 Mehrfamilienhäuser fertig.

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Ob der Zubau reicht, hängst natürlich entscheidend davon ab, wie groß die Wohnungsnot in der jeweiligen Stadt ist. So sieht das jüngste Wohnungsmarktgutachten für das Landesbauministerium etwa für Gelsenkirchen kaum mehr Neubaubedarf als es auch im schwachen Jahr 2022 gab. Essen müsste dagegen etwa doppelt so viele Wohnungen bauen, Dortmund hat seinen Bedarf sogar recht deutlich übererfüllt.

Grundsätzlich wird außerhalb der Städte deutlich mehr gebaut – allein schon weil es an den Speckgürteln und auf dem Land noch Platz für neue Häuser und Siedlungen gibt. So erlebte der Bau in den Kreisen Ennepe-Ruhr, Recklinghausen und Mettmann ein gutes vergangenes Jahr mit teils deutlich mehr bezugsfertigen Wohnungen als 2021.

Immer mehr bauen in der Peripherie

„Durch die hohen Preise und Mieten in den Großstädten orientieren sich immer mehr Menschen in die Peripherie, vor allem Familien“, weiß VdW-Direktor Rychter. Die Landkreise im Umland der kreisfreien Großstädte entwickelten sich zu „Hotspots der Bautätigkeit“. Auch spiele „der höhere Anteil von selbst genutztem Wohneigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäusern im Umland eine Rolle“, sagte er unserer Redaktion.

Landesweit sank die Zahl der neuen Wohnungen um 4,4 Prozent auf 47 354. Den größten Einbruch gab es bei den Einfamilienhäusern (- 6,2 Prozent). Da in den Städten der Platz besonders knapp ist, wird in vielen Rathäusern schon darüber diskutiert, den Bau von frei stehenden Einfamilienhäusern zu begrenzen oder fast ganz zu verbieten, wie es zurzeit Münster vorhat.

Sozialer Wohnungsbau wird ausgebremst

Dass in den Städten vor allem Mehrfamilienhäuser fehlen, betont auch Rychter. Genug Vorhaben dafür gebe es, auch 2022 habe die sozial orientierte Wohnungswirtschaft ihre Planungen nicht komplett auf Eis gelegt. Die Zahl der genehmigten neuen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, in denen vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen wohnen, sei sogar um 1,6 Prozent auf 34.305 gestiegen. Die Frage ist nur, ob und wann sie nun auch realisiert werden. „Jetzt muss es gelingen, diese Bauvorhaben auch umzusetzen. Das wird immer schwieriger, denn aktuell stehen die Zeichen für bezahlbaren Wohnungsneubau denkbar schlecht“, sagt Rychter.

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Seit Monaten werde der soziale Wohnungsbau von massiven Kostensteigerungen gebremst. „Die Bau- und Materialkosten steigen immer weiter, die Zinsen ebenfalls. Hinzu kommen Lieferengpässe und fehlende Handwerkskapazitäten“, so Rychter. Auch schlechtere Förderbedingungen des Bundes für effiziente Gebäude (BEG) zeigten Auswirkungen. „Kaum freie Grundstücke und die gestiegenen energetischen Anforderungen an Gebäude hemmen den bezahlbaren Mietwohnungsneubau“, warnt der Verbandschef. Unter diesen Bedingungen werde „der Neubau bezahlbarer und energetisch zukunftsfähiger Wohnungen zurückgehen“. Die Bundesregierung will genau das Gegenteil.