Essen. Jeder fünfte Haushalt hat Probleme mit Schimmel. Der Absatz von Luftentfeuchtern boomt. Bauingenieur aus NRW räumt mit „Mythos“ auf.
Schimmel in der Wohnung gehört zu den häufigsten Mieterbeschwerden. Nach Erkenntnissen des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit ist europaweit jeder vierte bis fünfte Haushalt davon betroffen. Laut Umweltbundesamt ist Schimmel „eines der häufigsten Probleme in Innenräumen“. Als Reaktion auf nasse Wände beobachtet der Onlinehändler Galaxus einen sprunghaften Anstieg der Verkaufszahlen für Luftentfeuchter.
Die Kurve ist rasant gestiegen: Im vergangenen Jahr verkaufte Galaxus 91 Prozent mehr Luftentfeuchter. Sie kosten immerhin zwischen 200 und 616 Euro. Daniela Sanzoni, Managerin bei der Online-Plattform, sieht mehrere Gründe für den Nachfrage-Boom: Die Isolation neuer und sanierter Häuser, den Dauerregen der vergangenen Monate, aber auch Fehler beim Lüften und Heizen.
Galaxus: Boom bei Entfeuchtungsgeräten
Bauingenieur Jörg Friemel beschäftigt sich nahezu täglich mit feuchten Wänden und Schimmel in den Zimmerecken. „Von November bis März haben wir Gutachter alle Hände voll zu tun“, sagt der Unternehmer aus Recklinghausen, der auch dem Vorstand der Ingenieurkammer-Bau NRW angehört und an der Ruhr-Universität Bochum studiert hat.
Der Experte hat einen fachlichen Blick auf das Thema, der zum Teil überrascht. „Es ist ein Mythos, dass Häuser durch nachträglich aufgebrachte Wärmedämmung und neue Fenster nicht atmen können. Vielmehr sind die Häuser dichter. Wärme dringt nicht nach draußen“, räumt er mit weit verbreiteten Annahmen auf, will das Problem gleichwohl nicht klein reden. „Natürlich haben wir Feuchtigkeit in den Gebäuden“, betont Friemel. „Die war schon immer da, weil wir in der Wohnung atmen, schwitzen, kochen, waschen und unsere Blumen gießen.“
Deshalb sei es so wichtig, die Feuchtigkeit wieder aus den Räumen zu führen. Der Bauingenieur verrät da kein Geheimnis.: „Das gelingt am besten durch Stoßlüften – zwei Mal täglich fünf Minuten lang. Dadurch kommt die trockenere Luft ins Innere“, sagt Friemel. Lüften sei auch sinnvoll, wenn es draußen regnet. „Der Putz auf den Wänden dichtet das Haus ausreichend gegen Feuchtigkeit von außen ab. Das Wetter hat deshalb keinen Einfluss.“
Bauingenieur Friemel: Stoßlüften hilft gegen Feuchtigkeit
In der Regel seien keine zusätzlichen Geräte erforderlich, um die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung auf den empfohlenen Wert von rund 50 Prozent zu halten. Das Niveau erreiche man normalerweise durch richtiges Lüften. Sollte der Hygrometer dennoch nicht fallen, vermutet Friemel tiefergehende Ursachen. „Es kann zu Schimmelbildung insbesondere in den Ecken der Zimmer kommen, wenn die Sanierung nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde“, sagt er. „Das passiert insbesondere in Schlafräumen, weil sie weniger beheizt werden. Kalte Luft kann weniger Wasser speichern.“
Die Folge: Die überschüssige Feuchtigkeit setzt sich vor allem in den Ecken des Raumes ab und bilde Schimmel aus. Die Verbraucherzentrale nennt ein Beispiel: Danach gibt ein Mensch pro Nacht bis zu einem halben Liter Wasserdampf ab. Das entspreche in etwa einer Menge, die bei einmal Duschen anfällt.
Wenn er als Gutachter in ein feuchtes Haus gerufen werde, finde er häufig Schlafzimmer vor, in denen sein Thermometer nicht mehr als 16 bis 18 Grad anzeige. „Das ist zu kalt. Auch Schlafzimmer sollten leicht geheizt werden“, mahnt der Bauingenieur. Um Feuchtigkeit und Schimmel vorzubeugen, rät Friemel dazu, Schlafräume zu beheizen, auch wenn man sich darin tagsüber nicht aufhalte. Seine Faustformel: „Idealerweise sollte man in allen Räumen an die 20 Grad kommen.“
>>> Schimmel macht krank
Vor allem Kinder, die in Wohnräumen mit sichtbarem Schimmelbefall oder Feuchte aufwachsen, müssen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen. Darauf weist das Umweltbundesamt hin. Bei Kindern mit bestehendem Asthma wird nach neueren Studien ein kausaler Zusammenhang von Schimmelbefall mit einer Verschlimmerung der Erkrankung gesehen.
Wissenschaftler haben dem Amt zufolge zudem nachgewiesen, dass auch Erwachsene, die in schimmeligen Räumen leben, Asthma entwickeln können. Schimmel könne auch Atemwegsinfektionen, Husten und Atemnot auslösen.
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