Berlin. Wer ein Erbe erwartet, rechnet oft mit hohen Summen von 250.000 Euro und mehr. Dabei haben viele ihren Nachlass noch gar nicht geregelt.

Über den eigenen Tod denkt kaum einer gern nach. Und entsprechend sind in vielen Familien und Freundeskreisen das Erstellen des eigenen Testaments, einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht Tabuthemen. Das legt zumindest eine aktuelle Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Bank nahe, die unserer Redaktion vorliegt.

Zum vierten Mal nach 2012, 2015 und 2018 wollten die Demoskopen wissen, wie die Deutschen über Erben und Vererben denken, was ihre Erwartungen sind, was sie mit einem möglichen Erbe anstellen würden. Und wie sie sich vorbereiten. Für viele, die das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, lässt sich zumindest Letzteres leicht beantworten: gar nicht. Fast neun von zehn Befragten unter 50 Jahren gaben an, kein Testament zu haben. Im Schnitt wird das Testament erst mit 58 Jahren erstellt – zwei Jahre später als noch bei der letzten Befragung vor sechs Jahren. Unter allen Befragten hatte nur etwas mehr als jeder Dritte testamentarisch den Nachlass geregelt.

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    Nicht viel besser sieht es bei Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten aus. 14 Prozent der unter 50-Jährigen haben der Studie zufolge ihren Patientenwillen geregelt, zwölf Prozent eine Vorsorgevollmacht erstellt. Alle drei Dokumente – Testament, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht – besitzen sogar nur zwei Prozent der unter 50-Jährigen. Da passt es ins Bild, dass fast zwei Drittel der Befragten angaben, sich „ungern“ mit dem Thema Erben und Vererben zu beschäftigen – und wenn überhaupt, dann am ehesten, wenn ein Familienmitglied oder Freunde schwer erkranken.

    Diese Themen aufzuschieben sorgt mitunter aber für Konflikte. „Es ist für die ganze Familie angenehm, wenn man Klarheit hat“, sagte Pascal Tavanti, Notar und Rechtsanwalt der Kanzlei Tavanti & Redeker, unser Redaktion. Es lohne sich, frühzeitig mit der Nachlassregelung zu beginnen, etwa mit dem 40. oder dem 50. Geburtstag – auch um das Erbe steuerlich optimieren zu können. Hinzu kommt: „Das Testament kann immer wieder geändert werden“, sagt Tavanti.

    Zuletzt ist der amtlich erfasste Anteil von Erbschaften in Deutschland stark angestiegen. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, wurden im vergangenen Jahr 121,5 Milliarden Euro durch Erbschaften und Schenkungen veranlagt, ein sattes Plus von 19,8 Prozent im Vorjahresvergleich und ein Rekordwert. Allerdings dürfte das nur die Spitze des Eisbergs sein. Denn erfasst werden nur Beträge, die über den jeweiligen Freibeträgen liegen. So gilt zwischen Ehepartnern ein Freibetrag bei der Erbschaftsteuer von 500.000 Euro, bei Kindern von 400.000 Euro. Enkelkinder können bis zu 200.000 Euro steuerfrei erben, wenn die Eltern noch leben, oder 400.000 Euro, wenn die Eltern bereits verstorben sind.

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    Zum Gesamtbetrag des Erbens und Vererbens gibt es nur Schätzungen

    Viele verteilen ihr Vermögen auch schon vorher um. Bei Schenkungen an den Ehepartner oder an die eigenen Kinder und Enkelkinder gelten dieselben Freibeträge wie auch bei der Erbschaftsteuer – alle zehn Jahre lassen sich diese Freibeträge aber neu nutzen. So können hochpreisige Immobilien beispielsweise über mehrere Jahrzehnte anteilig überschrieben werden, ohne später Steuern zahlen zu müssen.

    Wie viel wird also tatsächlich vererbt in Deutschland? Genau weiß das niemand. In der öffentlichen Debatte kursiert immer wieder die Zahl von 400 Milliarden Euro, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aber schon vor sieben Jahren geschätzt hat. Rund 85.000 Euro erbt eine Person im Schnitt, hat das DIW vor drei Jahren ermittelt, allerdings ist das sehr ungleich verteilt. Die Hälfte der Erbschaften und Schenkungen geht demnach an die reichsten zehn Prozent der Begünstigten. Ostdeutsche erhalten seltener und kleinere Erbschaften, stellten die Berliner Forscher damals fest.

    Ostdeutsche erben weniger und seltener

    Das deckt sich nun auch mit den aktuellen Zahlen der Deutsche-Bank-Studie. Rund jeder dritte Befragte gab an, bereits geerbt zu haben. Jeder Fünfte erwarte demnach ein Erbe. Und 34 Prozent derjenigen, die ein Erbe erwarten, gehen davon aus, dass sie mindestens 250.000 Euro erben werden. Viele stapeln offenbar tief. Denn 52 Prozent der potentiellen Erblasser gaben an, dass sie mindestens eine Viertelmillion Euro vererben werden. Zum Vergleich: 2018 äußerten sich lediglich 22 Prozent der künftigen Erben und 30 Prozent der potentiellen Erblasser so. Auf der anderen Seite sagten auch 48 Prozent, dass sie bisher gar nichts geerbt haben und auch kein Erbe erwarten. Elf Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sie später einmal nichts zum Vererben haben werden.

    Zwischen Ost- und Westdeutschland bleiben die Unterschiede dabei signifikant. 55 Prozent der Westdeutschen glauben, dass sie mehr als 250.000 Euro vererben werden. Im Osten sind es lediglich 42 Prozent. Neben den unterschiedlichen Erwerbsbiografien spielen möglicherweise auch die Bewertungen von Immobilien eine Rolle. Denn auch in Ostdeutschland sagen 56 Prozent, dass sie eine Immobilie vererben wollen. Das ist nah bei den Werten aus dem Süden und dem Westen (je 57 Prozent). Nur im Norden geben 67 Prozent an, eine Immobilie zu vererben. Nur sind in vielen Regionen Ostdeutschlands Immobilien schlicht weniger wert als beispielsweise in Süddeutschland. Insgesamt rechnet in Westdeutschland jeder Vierte mit einem Erbe, in Ostdeutschland nur jeder Sechste.

    Beim digitalen Nachlass machen sich die Deutschen keine Gedanken

    Am häufigsten wird laut der Studie Geld vererbt, gefolgt von Immobilien, Wertpapieren und Gold. Wer erbt, nutzt die Mittel häufig zum Vermögensaufbau und zur eigenen Altersvorsorge (60 Prozent). 22 Prozent wollen sich einen Wunsch oder einen Traum erfüllen.

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    Über ein Thema machen sich die Deutschen dabei gar keine Gedanken: was eigentlich mit ihrem digitalen Nachlass passieren soll. Denn der Zugang zu E-Mails, Social-Media-Konten oder Cloud-Daten ist nicht automatisch Teil des Testaments, sondern muss aktiv geregelt werden. Neben dem Testament kann das auch als postmortale Vollmacht geschehen, die über den Tod hinausreicht. Gerade einmal vier Prozent gaben an, konkrete Vorkehrungen getroffen zu haben. „Wer den digitalen Nachlass per Vollmacht regelt, erspart den Erben später Ärger mit den Anbietern“, sagt Notar Pascal Tavanti.