Duisburg. Gutachter sehen positive Perspektive. Mutterkonzern versichert weitere Finanzierung. Warum die Beschäftigten trotzdem weiter zittern müssen.

Gute Nachricht für die 27.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE): Zumindest die kurzfristige Finanzierung des kriselnden Unternehmens ist gesichert. Das bestätigte die Stahl-Tochter des Essener Industriekonzern unserer Redaktion. Demnach ist das vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Gutachten fertig und sieht keine Insolvenzgefahr für die kommenden zwei Jahre. Daraufhin hat die Essener Zentrale grünes Licht für die Finanzierung ihrer Tochter über diesen Zeitraum gegeben.

„Wir können bestätigen, dass das von der Thyssenkrupp AG und der Thyssenkrupp Steel Europe AG beauftrage IDW S11-Gutachten zu einer positiven Fortführungsprognose für die Stahlsparte des Konzerns gekommen ist“, erklärte TKSE auf Anfrage unserer Redaktion. Der „Spiegel“ hatte zuerst darüber berichtet. Das Unternehmen betonte: „Auf dieser Basis hat die Thyssenkrupp AG eine Finanzierungszusage getroffen, die die Liquidität des Stahlgeschäfts in den kommenden zwei Jahren sicherstellt.“

Das langfristige Gutachten ist wichtiger und steht noch aus

Ein zweites, noch wichtigeres Gutachten steht aber noch aus: Es soll die langfristige Perspektive und vor allem den Finanzbedarf von Deutschlands größtem Stahlerzeuger bewerten und als Basis für den Sanierungsplan des Vorstands dienen. Dieses sogenannte S6-Gutachten soll Anfang 2025 vorliegen.

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Doch den Beschäftigten, die in den Werken in Duisburg, Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Siegen und an weiteren Standorten arbeiten, gibt das positiv ausgefallene Kurzfrist-Gutachten zumindest auf Sicht etwas mehr Sicherheit. Zwar waren die meisten Beteiligten von diesem Ergebnis ausgegangen, doch das Gespenst einer möglichen Insolvenz in Folge ausbleibender Gelder aus Essen schwebte dennoch durch die Hochöfen und Walzwerke. Diese Sorgen sind die 27.000 Männer und Frauen nun erst einmal los.

Allerdings in der Gewissheit, dass sie so nicht beisammen bleiben, sondern um mehrere Tausend weniger werden. Wie viele Arbeitsplätze genau abgebaut werden, soll der vom neuen Stahlchef Dennis Grimm aufzustellende Business-Plan beantworten. Die Frage, ob es tatsächlich um 10.000 Stellen gehe, wovor die IG Metall gewarnt hatte, beantwortete Konzernchef Miguel López unlängst bei der Vorlage der Jahresbilanz nicht.

Konzernchef López will die Stahltochter aus der Bilanz kriegen

López möchte möglichst bald nicht mehr die Mehrheit an seiner Stahltochter, der Keimzelle der Industrie-Ikone, halten. Damit will er die Bilanz des Gesamtkonzerns mit seinem Anlagenbau, der Marine, der Dekarbonisierungs-Sparte sowie dem Werkstoff- und Autozuliefergeschäft entlasten und die Risiken durch das stark schwankende Stahlgeschäft minimieren. Bereits 20 Prozent der TKSE-Anteile hat der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky mit seiner Industrieholding EPCG erworben, vereinbart ist eine Option zur Aufstockung auf 50 Prozent.

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Genau das hatte überhaupt erst die Sorgen um die weitere Unterstützung der Stahltochter durch den Essener Mutterkonzern ausgelöst. Denn durch den Einstieg Kretinskys wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen TKSE und der Thyssenkrupp AG hinfällig und lief mit dem Geschäftsjahr im September aus. Versuche der vor drei Monaten zurückgetretenen Aufsichtsratsspitze, eine schnelle Zusage für die kurzfristige Weiterfinanzierung zu erhalten, waren fehlgeschlagen. Auch deshalb und weil López auf einem härteren Sanierungsplan bestand, traten der Vorsitzende Sigmar Gabriel und Stellvertreter Detlef Wetzel Ende August ebenso wie Stahlchef Bernhard Osburg zurück.

Thyssenkrupp Steel: „Damit herrscht nun Klarheit über die Finanzierung“

Das S11-Gutachten holt dies jetzt nach. „Damit herrscht nun Klarheit über die Finanzierungssituation des Stahlbereichs nach Beendigung des bisherigen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages“, teilte das Unternehmen mit. Ziel sei es nun, „den eingeschlagenen Weg zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Fortführung der grünen Transformation im Stahlgeschäft konsequent fortzusetzen“.

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Nach der verlustträchtigen Bilanz des Vorjahres und der Wertminderung der Stahlsparte um eine Milliarde Euro ist das nach langer Zeit mal wieder eine gute Botschaft an die Stahl-Belegschaft. Während die Marine gute Gewinne erzielt und für schnelleres Wachstum verkauft werden soll, wird auch in anderen Sparten gespart. Im „Material Services“ genannten Werkstoffhandel etwa sollen 450 Stellen wegfallen und sieben Standorte geschlossen werden.

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