Berlin. Carsten Maschmeyer über Elon Musks neue Rolle, Hilfen für die deutsche Industrie – und die Alternativlosigkeit einer Vier-Tage-Woche.
Er ist einer der bekanntesten Unternehmer des Landes: Carsten Maschmeyer investiert mit seiner Firma Maschmeyer Group in junge Firmen. In rund 150 Start-Ups hat der 65-Jährige über seine fünf Fondsgesellschaften Geld gesteckt. Regelmäßig reist Maschmeyer in die USA, wo einer seiner beiden Söhne und auch ein Enkelkind lebt und zudem eine seiner Fondsgesellschaften ihren Sitz in San Francisco hat. Im Gespräch gibt er einen Ausblick, wie sich die USA unter Donald Trump und Elon Musk verändern werden.
Herr Maschmeyer, mit Elon Musk wird der vielleicht weltweit erfolgreichste Gründer wichtigster Einflüsterer des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Taugt er noch als Vorbild?
Carsten Maschmeyer: SpaceX, Starlink und Tesla, das er zwar selbst nicht gegründet, aber groß gemacht hat, sind disruptive Industrieunternehmen, die die ganze Welt dominieren. Aber Elon Musks Image fing spätestens durch den Kauf von Twitter an zu bröckeln. Den Unternehmenswert hat er geviertelt, noch nie gab es so viele Fake News, Verherrlichung von Gewalt und übertriebene Migrationshorrorgeschichten wie jetzt auf der Plattform. Das war ein wirtschaftliches Eigentor. Und jetzt die Vermischung von Macht und Geld: Elon Musk ist de facto der Schattenpräsident.
Was erhofft sich Trump davon?
Maschmeyer: Meine Vermutung ist: Trump verleiht ihm Macht. Und Elon Musk leiht Trump Geld. Es heißt, dass Trump in den nächsten Wochen 1,8 Milliarden Dollar Strafen und Schulden zahlen muss. Elon kann da helfen. Aber auch so war es für Elon Musk ein toller Deal. 120 Millionen Dollar Wahlkampfhilfe haben ihn rund sieben Milliarden reicher gemacht – allein durch den Anstieg seiner frei verfügbaren Tesla-Aktien. Das sind fast 6000 Prozent binnen weniger Wochen. Ich kenne wenige Geschäftsleute, die diesen Deal nicht eingegangen wären.
Werden Trump und Musk also das neue starke Duo im Weißen Haus?
Maschmeyer: Kurzfristig ja, aber langfristig glaube ich nicht, dass es funktioniert. Trump will Loyalisten um sich herum. Elon Musk ist nur sich selbst gegenüber loyal. Sie werden sich wahrscheinlich bei den Zöllen in die Haare kriegen, denn Elon braucht die ausländischen Zulieferer für seine Autos. Allgemein finde ich es schwierig, wenn sich Reichtum und Macht zusammen ins Bett legen. Elon Musk hat rund 100 Staatsverträge und darf nun über Bürokratieabbau und Fördergelder entscheiden. Und er wird wohl seine neue Macht nutzen, um sich persönlich an der Finanzaufsicht SEC zu rächen.
Auch interessant
Die Börsen haben positiv auf Trump und Musk reagiert. Wird das Duo der Start-Up-Szene einen Push verschaffen?
Maschmeyer: Trump will die sehr reduzierte Kapitalertragssteuer, die ein steuerfreies Wiederinvestieren ermöglicht, erhalten, die Körperschaftssteuer senken und Bürokratie abbauen. Das lieben Analysten und Aktionäre, entsprechend sind die Börsenkurse gestiegen. „America first“ wird einigen großen deutschen Konzernen schaden. Es gibt weniger Win-win-Situationen und mehr Protektionismus. Start-ups sind indirekt betroffen. Wenn es Unternehmen schlechter geht, weil sie etwa Zölle bezahlen müssen, bleibt weniger Geld für Übernahmen. Es werden weniger Start-ups gekauft werden, es fließt weniger Geld im Ökosystem der Gründerwelt.
Werden sich deutsche Firmen verstärkt in den USA ansiedeln?
Maschmeyer: Das ist ja jetzt schon der Fall. Wer in mehreren Ländern Produktionen unterhält und erweitern will, der macht das aktuell eher nicht in Deutschland. Hier gibt höhere Steuersätze und 12.000 Unternehmensberichtspflichten. Wir haben eine Regulierungsindustrie geschaffen. Die USA dagegen tun alles dafür, dass sich Firmen dort ansiedeln und Geld in die Staaten bringen.
„Die USA können nicht 60 Jahre lang Weltpolizei spielen und dann einfach nach Hause fahren.“
Unterscheiden sich in diesem Punkt Trump und Biden? Der Inflation Reduction Act hat im Kern dasselbe Ziel gehabt.
Maschmeyer: Nein, sie unterscheiden sich in diesem Punkt nicht, aber Trump wird wesentlich resoluter und nicht diplomatisch vorgehen. Aus steuerlichen und wirtschaftlichen Gründen kann man durchaus für Trump sein. Aber ich bin Weltbürger und möchte, dass die Welt friedlicher wird. Und das wird sie nicht mit einem solchen Absolutismus. Dass der bekannteste Narzisst der Welt künftig darüber entscheidet, dass ein überfallenes Land keine Unterstützung mehr bekommt, bereitet mir Sorgen. Die USA können nicht 60 Jahre lang Weltpolizei spielen und dann einfach nach Hause fahren. Zu welcher humanitären Katastrophe das führt, haben wir in Afghanistan gesehen.
Auch interessant
IG-Metall-Chefin Christiane Benner hat vorgeschlagen, dass Europa Vorschriften zu lokaler Fertigung machen sollte. Wer sich in Europa ansiedelt, muss 75 Prozent der Komponenten aus europäischer Zulieferwertschöpfung beziehen, schlug sie vor. Eine gute Idee?
Maschmeyer: Wir werden in einen Standortwettbewerb, ja regelrecht in einen Standortkrieg, kommen. Mehr lokale Fertigung ist eine Art Notwehr. Wenn sich andere Länder attraktiver machen, dann müssen wir nachziehen und gleichzeitig ein paar Regeln schaffen, mit denen wir vorgeben, wie viel hier produziert wird. Dafür braucht es ein starkes Europa. Die Vereinigten Staaten von Europa müssen sich zusammentun, mit einer gleichen Fiskalpolitik, einer gleichen Sozialversicherungsquote, und mehr europäische Konzerne wie Airbus ermöglichen. Wir haben in den letzten Jahren die Digitalisierung verpasst und bei der Energiewende grobe Fehler gemacht.
Auch interessant
Die Strompreise sind hierzulande hoch. Was kann helfen?
Maschmeyer: Wir hatten die sichersten Atomkraftwerke Europas. Aber Angela Merkel hat den Atomausstieg beschlossen. Und Robert Habeck hat ihn vollendet. Jetzt beziehen wir Atomstrom aus unsichereren Meilern aus den Nachbarländern. Bis sich ein Windkraftwerk rechnet, muss man es viele Jahre lang betreiben. Habeck hat ein grünes Wirtschaftswunder versprochen. Das kann höchstens zeitversetzt kommen. Bisher ist das Gegenteil eingetreten.
Also brauchen wir Ihrer Ansicht nach neue Atomkraftwerke?
Maschmeyer: Es wäre bizarr, wenn wir jetzt neue bauen, nachdem wir die sichersten Atomkraftwerke abgeschaltet und abgerüstet haben. Es würde erst mal helfen, wenn produzierende Konzerne, die unter diesen hohen Energiekosten leiden, Hilfe bekommen.
Dann soll ein Bäcker, der ebenfalls hohe Energiepreissteigerungen hat, einen Industriestrompreis für Großkonzerne quersubventionieren?
Maschmeyer: Nein, die Hilfen bräuchte es für alle, die etwas produzieren und zum Beispiel 30 Prozent höhere Energiepreise als vor drei Jahren haben. Das gilt dann für den Bäcker genauso wie für den Großkonzern. Aber aktuell lacht sich das Ausland schlapp über uns. Wir haben unsere Autoindustrie nahezu zerstört. Wir haben bei Solardächern und Wärmepumpen massive Verunsicherung geschaffen. Wir sind in einer Schockstarre. Ich bin für stabile Finanzverhältnisse, aber sehe die Schuldenbremse gerade kritisch. Wir brauchen Investitionen in unseren Standort, in Innovationen. Unsere Schuldenquote ist so niedrig, die würden Länder wie Italien gerne haben.
„Meine Erfahrung: Männer sind im Schnitt mutiger, aber nicht besser. Frauen sind unterm Strich oft erfolgreicher.“
Die deutsche Start-up-Szene ist sehr männlich dominiert. Woran liegt das?
Maschmeyer: Ich bedaure das, kann das aber bestätigen. Meine Erfahrung: Männer sind im Schnitt mutiger, aber nicht besser. Frauen sind unterm Strich oft erfolgreicher. Sie können sich viel besser in Verbraucherverhalten hineinversetzen, sie haben mehr Empathie, erzielen eine bessere Teamleistung und eine bessere Stimmung in Unternehmen. Aber es geht ja schon damit los, dass deutlich weniger Frauen Programmieren lernen als Männer. Und dann passen die Lebenszyklen von Start-ups oft nicht zur individuellen Lebensplanung. Wer mit 28 überlegt zu gründen, will vielleicht nicht bis 38 warten mit der Familiengründung, nur weil dann das Unternehmen so weit wäre. Es gibt Frauen, die kurz nach der Geburt wieder einsteigen. Die Mehrheit macht das nicht.
Es ist nicht nur so, dass es weniger Gründerinnen gibt, sie haben auch größere Schwierigkeiten, an Kapital zu kommen. Investiert wird vor allem in männliche Gründer. Fehlt da der Mut auf Investoren-Seite?
Maschmeyer: Zumindest für unsere Investitionen kann ich das nicht bestätigen. Wir orientieren uns nur daran, wie gut das Produkt ist, wie groß der Markt dafür und ob die Biografie der Person für uns stimmig ist. Wir haben noch nie gesagt, das sind Frauen und deswegen geben wir weniger Geld oder gar kein Geld dafür. Es gibt einfach weniger Gründerinnen. Leider logisch, dass zu ihnen dann auch insgesamt weniger Geld fließt.
In der Debatte um die wirtschaftliche Schwäche in Deutschland gibt es eine Diagnose, die von Arbeitgeberseite häufig kommt: Die Deutschen würden zu wenig arbeiten. Ist das so?
Maschmeyer: Nein. In Deutschland wird Präsenz und pünktliches Antreten morgens mit Ergebnissen gleichgesetzt. Das ist falsch. Die Länge der Arbeitszeit korreliert nicht mit den Ergebnissen. Nach acht Stunden lassen Kreativität und Konzentration nach, das wissen wir aus Studien. Und wenn ich sage, dass die Vier-Tage-Woche in manchen Berufen richtig ist, dann, weil es auch eine Frage von Angebot und Nachfrage ist. Laufen Sie mal durch München, da sucht jeder zweite Betrieb Leute: Restaurantleiter, Verkäuferinnen, Servicekräfte. Die Arbeitsbedingungen sind oft nicht attraktiv, da kann ein freier Tag mehr viel ausmachen. Da ist dann die Frage nicht: Hab ich die Leute vier oder fünf Tage? Da ist die Frage: Vier Tage oder null Tage?
Auch interessant
Aber der Pool von Arbeitskräften wird doch nicht größer.
Maschmeyer: Natürlich nicht. Ich halte das auch nicht in jedem Beruf für sinnvoll. Bei Führungskräften ist eine Vier-Tage-Woche zu wenig. Aber wir vergessen den technologischen Fortschritt: In der Pflege zum Beispiel ist ein großer Teil der Arbeit Administration. Die laufen mit Klemmbrettern und Klebezetteln rum. Eine gute Software kann da viel Zeit sparen! Da sind große Produktivitätssteigerungen drin – und damit auch weniger Arbeitszeit.
Also gibt es keine Nachteile?
Maschmeyer: Der eine große Nachteil, den ich sehe: Mit flexibleren Arbeitszeiten und mehr Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem immer mehr, es wird schwerer, abzuschalten. Wir brauchen aber echte Pausen, sonst kriegen wir mentalen Muskelkater. Die Erwartung, dass man ständig sofort erreichbar ist, ist schlecht für die Leistung. Ich gebe mir Mühe, das zu trennen. Eineinhalb Stunden, bevor ich schlafen gehe, sind die elektronischen Geräte aus. Ich habe auch kein Handy neben dem Bett, das lädt im Badezimmer.
Viele Ihrer Positionen werden als arbeitnehmerfreundlich wahrgenommen, das Internet hat Ihnen sogar den Spitznamen „Genosse Maschmeyer“ gegeben. Was sagen Sie dazu?
Maschmeyer: Ich bin sogar in einem Artikel als SPD-Vorsitzender vorgeschlagen worden. Wenn sich deswegen jemand bei einer unserer Firmen bewirbt, ist mir das recht. Ich sage allen offen: Es ist mir egal, von wo du arbeitest, wann du arbeitest. Du bekommst für deine Arbeit Ziele. Wenn du die nicht erreichst, wirst du hier nicht bleiben, wenn du sie nur gerade so erreichst, kannst du bleiben. Übererfüllungen belohnen wir mit Gehaltserhöhungen, Beförderungen und höherem Bonus. Am Ende zählt das Ergebnis. Beim Fußball bekommt ja auch nicht die Mannschaft die drei Punkte, die den höheren Puls hat oder mehr gelaufen ist. Es geht um Tore und nicht um Kilometergeld.
- Altersvorsorge: Ruhestand mit 30, 40 oder 50? So viel Geld brauchen Sie dafür
- Arbeit & Ausbildung: 5000 Euro für Azubis – Deutschlands bestbezahlte Berufe
- Arbeitsplatz: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Ruhestand: Drei Banker verraten, was sie für ihre Altersvorsorge tun
- Wohnen und Mieten: Reich werden mit Airbnb – Zwei Brüder verraten, wie es geht
- Geldanlage: Goldpreis auf Rekordhoch: Lohnt sich der Einstieg noch?
Zur Person: Carsten Maschmeyer
Als Finanzunternehmer investiert Carsten Maschmeyer (65) über seine Fonds in aufstrebende junge Unternehmen. Der gebürtige Bremer wuchs in ärmlichen Verhältnissen mit einer alleinerziehenden Mutter auf, seinen Vater hat er nie kennengelernt. Berühmt wurde er mit dem Finanzdienstleister Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD), dessen Mehrheit er übernommen hatte. Viele Kleinanleger erlitten mit von AWD vermittelten Produkten hohe Verluste, Maschmeyer stand in der Kritik. 2012 gründete der heute zweifache Vater und zweifache Großvater die Maschmeyer Group. Seit 2016 ist er in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ zu sehen. Maschmeyer wohnt mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Veronica Ferres, in München.