Essen. Ein Experte sieht die Rolle von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) und Westenergie-Chefin Katherina Reiche kritisch.
Beim städtischen Dortmunder Energieversorger DEW21 sollen wegen Fehlern im Energieeinkauf während der Energiekrise 2022 viele Millionen Euro verloren gegangen sein. Der Aufsichtsrat der Dortmunder Stadtwerke hat deswegen die damalige DEW21-Chefin Heike Heim im Sommer fristlos entlassen und hofft auf Schadensersatz. Wir haben den auf Haftungsfragen spezialisierten Wirtschaftsjuristen Roderich C. Thümmel gefragt, wie realistisch die Forderung ist. Thümmel erläutert im Gespräch zudem, warum Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) und die Chefin des zweiten DEW21-Gesellschafters Westenergie, Katherina Reiche, seiner Meinung nach eine Mitverantwortung tragen könnten.
Herr Professor Thümmel, die Dortmunder Stadtwerke haben im Sommer Ihre Vorstandsvorsitzende Heike Heim fristlos entlassen und wollen nun Schadenersatz von ihr fordern. Wie funktioniert das und welche juristischen Hürden gibt es da?
Roderich C. Thümmel: Die Entlassung einerseits und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen andererseits sind ganz unterschiedliche Themen, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Nicht jede Pflichtverletzung, die vielleicht Schadensersatzansprüche begründen könnte, kommt auch als Begründung für eine fristlose Kündigung in Betracht. Umgekehrt bedeutet eine Pflichtverletzung, die erheblich genug ist, um eine Kündigung zu rechtfertigen, nicht automatisch, dass auch Schadensersatzansprüche begründet sind. Denn hierzu muss das Unternehmen nachweisen, dass die Pflichtverletzung auch tatsächlich zu einem Schaden geführt hat.
Beginnen wir mit der Kündigung. Die Stadtwerke haben Frau Heim fristlos gekündigt, das klingt für Außenstehende nach einem recht harten Schritt. Ist der Eindruck richtig?
Roderich C. Thümmel: Eine fristlose Kündigung des Vorstandsdienstvertrages ist für eine Aktiengesellschaft die einzige Möglichkeit, sich der Verpflichtung zu entledigen, weiter Gehalt an den Vorstand zu zahlen. Zu unterscheiden sind im Übrigen das Vorstandsamt und der Dienstvertrag. Üblicherweise ist es für einen Aufsichtsrat nicht allzu schwierig, einen Vorstand aus dem Amt abzuberufen. Zwar ist hierfür nach den gesetzlichen Regelungen an sich ein wichtiger Grund erforderlich, der aber nicht unbedingt in einer Pflichtverletzung liegen muss. Im Übrigen führen Differenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand über die Führung des Unternehmens häufig dazu, dass der Vorstand mehr oder minder freiwillig das Feld räumt. Deutlich schwieriger ist der Umgang mit dem Dienstvertrag. Eine fristlose Kündigung erfordert in der Regel eine grobe Pflichtverletzung des betroffenen Vorstands. Sie ist daher in der Tat ein eher harter Schritt, deshalb typischerweise auch meist Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung. Zu beachten ist auch, dass eine solche fristlose Kündigung nur innerhalb des sehr kurzen Zeitraums von zwei Wochen ab Kenntnis des Aufsichtsrats vom Kündigungsgrund ausgesprochen werden kann.
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In Dortmund geht es um angebliche Unregelmäßigkeiten beim Energieeinkauf für die Grundversorgung der Stadt mit Strom und Gas während der Energiekrise. Dadurch soll ein zweistelliger Millionenschaden entstanden sein. Die Stadt Dortmund hat in einer Pressemitteilung den Grund für die Kündigung so erklärt: Frau Heim habe in ihrer vorherigen Funktion beim städtischen Energieversorger DEW21 im Rahmen des Energieeinkaufs „wiederholt und in erheblichem Umfang die vom Aufsichtsrat genehmigten Risikoobergrenzen missachtet“ und darüber den Aufsichtsrat nicht informiert.
Roderich C. Thümmel: Verstöße gegen vereinbarte oder vom Aufsichtsrat oder Gesellschafter verbindlich beschlossene Risikovorgaben können Pflichtverstöße darstellen. Auch kann ein Pflichtverstoß darin liegen, dass der Aufsichtsrat über signifikante Veränderungen der Risikolage des Unternehmens nicht oder nicht ausreichend informiert wird. Von einer Geschäftsführung ist zu erwarten, dass sie den Aufsichtsrat informiert, wenn Veränderungen eintreten, die von bisherigen Annahmen wesentlich abweichen oder Maßnahmen erforderlich machen. Solche Informationen müssen dann auch außerhalb von Sitzungen erfolgen. Ob eine solche Situation vorliegt, ist natürlich immer eine Frage des Einzelfalls.
Leider hat uns die DEW21 trotz wiederholter Nachfrage nicht verraten, gegen welche Regelungen Frau Heim verstoßen haben soll.
Roderich C. Thümmel: Die fristlose Kündigung ist, soweit ich sehe, nicht bei der DEW21 erfolgt, sondern bei den Dortmunder Stadtwerken. Dies macht den Vorgang komplexer, weil der angebliche Pflichtverstoß bei einem anderen Unternehmen stattgefunden haben soll als demjenigen, mit dem das Dienstverhältnis bestand.
Ja, der Energieversorger DEW21 ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke.
Roderich C. Thümmel: Pflichtverletzungen bei der Tochtergesellschaft sind nicht automatisch auch als Pflichtverletzungen bei der Obergesellschaft zu werten. Hier wäre zu überlegen, ob das Frau Heim vorgeworfene Verhalten bei der Tochter so schwerwiegend ist, dass es das Vertrauensverhältnis zur Mutter zentral beschädigt.
„Zwar widerspricht dies formal nicht den gesetzlichen Bestimmungen, ist aber unter dem Gesichtspunkt guter Governance und effizienter Kontrolle zumindest bedenklich.“
Das Besondere in Dortmund ist, dass Heim in beiden Aufsichtsräten teilweise von denselben Kontrolleuren beaufsichtigt wurde. Oberbürgermeister Thomas Westphal ist Aufsichtsratsvorsitzender sowohl bei den Stadtwerken als auch bei der Energietochter DEW21. Er dürfte also ihr Verhalten in beiden Unternehmen relativ genau beurteilen können.
Roderich C. Thümmel: Es ist durchaus ungewöhnlich, dass der Aufsichtsratschef einer AG auch dem Aufsichtsrat eines Tochterunternehmens vorsteht. Zwar widerspricht dies formal nicht den gesetzlichen Bestimmungen, ist aber unter dem Gesichtspunkt guter Governance und effizienter Kontrolle zumindest bedenklich. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Mutter soll den Vorstand überwachen, während er gleichzeitig von diesem Vorstand abhängig ist. Denn der Vorstand der Mutter ist ja für die Auswahl des Aufsichtsrats der Tochter zuständig und kann im Übrigen Weisungen an die Tochter erteilen.
Die Stadtwerke hoffen auch auf Schadensersatz von der Managerhaftpflicht von Frau Heim. Wann zahlt so eine Versicherung?
Roderich C. Thümmel: Anspruchstellerin würde wahrscheinlich die DEW21 sein, bei der der behauptete Schaden eingetreten sein soll. Die Managerhaftpflichtversicherung deckt die Organmitglieder des gesamten Konzerns. Damit die Versicherung eintritt, muss ein Anspruch formell geltend gemacht werden. Es müsste eine Pflichtverletzung festgestellt werden können, wobei das betroffene Organmitglied die Beweislast für das Fehlen einer Pflichtverletzung trägt. Außerdem ist der Nachweis eines Schadens erforderlich, der auf der Pflichtverletzung beruht. Das ist oft gar nicht so einfach. Die Versicherung tritt im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme ein, es sei denn, der Vorstand hätte vorsätzlich gehandelt. Sehr häufig beschränkt sich die Versicherung zunächst auf die Abwehrdeckung, also die Übernahme der Verteidigungskosten.
Versuchen wir es mal Schritt für Schritt durchzugehen. Wir kennen nicht alle Details, wir können uns hier nur auf das stützen, was die Stadt mitgeteilt hat. Wie gravierend ist es, dass die Geschäftsführung die Risikolimits beim Energiehandel gerissen hat?
Roderich C. Thümmel: Ob bei dem geschilderten Fall eine Pflichtverletzung begangen wurde, ist von mehreren Faktoren abhängig. Wenn man davon ausgeht, dass bestimmte Risikolimits nicht eingehalten worden sind, stellt sich die Frage, ob die Geschäftsführung eigenmächtig deren Aussetzung beschließen durfte. Dies könnte der Fall sein, wenn keine formalen Verstöße vorlagen und sie im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens, des Business Judgement, gehandelt hat. Hierzu gehört, sich umfassend zu informieren, die verschiedenen möglichen Handlungsalternativen zu prüfen und Vor- und Nachteile vor dem Hintergrund des Unternehmenswohls gegeneinander abzuwägen.
„Eine Information des Aufsichtsrats wäre in diesem Fall sicherlich auch klug gewesen. Die fehlende Information ist nicht zwingend als Pflichtverstoß zu werten, es sei denn aus anwendbaren Regelwerken wie Geschäftsordnungen ergäbe sich anderes.“
Aus Mails, die uns vorliegen, geht hervor, dass man intern offenbar der Meinung war, dass das Risikokomitee damals die Limits aussetzen durfte und auch der Aufsichtsrat nicht unmittelbar informiert werden musste. Es wurde demnach anscheinend sogar die Rechtsabteilung einbezogen. Zu den Details äußert sich DEW21 leider nicht gegenüber uns.
Roderich C. Thümmel: Wenn die Rechtsabteilung das Verhalten abgesegnet haben sollte, wäre dies für die Geschäftsführung entlastend. Üblich wäre im Übrigen, dass bei so gravierenden Maßnahmen wie der Aussetzung von Risikolimits der Aufsichtsrat zumindest informiert wird. Das ist ja eigentlich auch keine große Sache, in der Krise sind solche Maßnahmen oft gut zu begründen und manchmal sogar alternativlos. Eine Information des Aufsichtsrats wäre in diesem Fall sicherlich auch klug gewesen. Die fehlende Information ist nicht zwingend als Pflichtverstoß zu werten, es sei denn aus anwendbaren Regelwerken wie Geschäftsordnungen ergäbe sich anderes.
Gehen wir mal davon aus, das Reißen der Limits und die Nichtinformation des Aufsichtsrats wären eine Pflichtverletzung. Was müsste jetzt passieren, um Schadensersatz von Frau Heim zu bekommen?
Roderich C. Thümmel: Es muss nachgewiesen werden, dass die Pflichtverletzung kausal zu einem bestimmten Schaden geführt haben. Das Unternehmen muss also den Schaden beziffern und insbesondere nachweisen, dass und um welchen konkreten Betrag seine Vermögenssituation bei pflichtgemäßem Verhalten der Geschäftsführung besser gewesen wäre.
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Es müsste also bewiesen werden, dass der Aufsichtsrat darauf gedrängt hätte, die Risikolimits wieder einzuhalten, wenn er informiert worden wäre?
Roderich C. Thümmel: Ganz genau und dazu, dass er überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Vorgang Einfluss zu nehmen, ihm zum Beispiel ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zustand. Das ist keineswegs trivial. Die Frage ist ja auch: Gab es Alternativen zu der Aussetzung der Limits? Oder wäre der Schaden sowieso eingetreten? Oder ein anderer Schaden?
„Wenn ein Unternehmen in der Krise steckt, darf ich mich auch nicht mit oberflächlichen Informationen abspeisen lassen. So genügt es nicht, dass die Geschäftsführung mir versichert, alles im Griff zu haben. Ich muss mich dann schon kümmern.“
Kehren wir mal zum Aufsichtsrat zurück – und welche Verantwortung er trägt. Die Stadt erklärt, dass der DEW21-Aufsichtsrat 2022 zwar von der Geschäftsführung auf die erheblichen Verwerfungen an den Energiemärkten und auf die grundsätzlichen Reaktionen des Unternehmens hingewiesen worden sei, aber eben nicht auf das Reißen der Risikoleitplanken. Der Aufsichtsrat habe davon ausgehen können, dass die Limits eingehalten werden und keine risikoreicheren Geschäfte gemacht werden. Ist es so einfach?
Roderich C. Thümmel: Ich glaube nicht. Zwar muss ich als Aufsichtsrat nicht bei jedem Thema permanent nachbohren. In normalen Zeiten kann er darauf vertrauen, dass ihm die wichtigsten Informationen geliefert werden. Aber in einer Krise wie derjenigen am Energiemarkt im Jahr 2022 war die Situation eine andere. Hier lag es schon nahe, dass Mitglieder der Aufsichtsgremien nachfragen, welche Konsequenzen die Marktverwerfungen für das Unternehmen haben. Wenn ein Unternehmen in der Krise steckt, darf ich mich auch nicht mit oberflächlichen Informationen abspeisen lassen. So genügt es nicht, dass die Geschäftsführung mir versichert, alles im Griff zu haben. Ich muss mich dann schon kümmern. Wenn ein Aufsichtsrat dies nicht tut, gerät er schnell in den Bereich, wo auch er seine Pflichten verletzt.
„Es ist sicherlich die Pflicht insbesondere des Aufsichtsratsvorsitzenden, ein doch recht existenzielles Thema auf die Agenda des Aufsichtsrats zu nehmen und im Plenum zu diskutieren.“
Die Energiekrise 2022 war existenziell für viele Energieversorger, das haben sogar Laien mitbekommen.
Roderich C. Thümmel: Richtig. Es ist sicherlich die Pflicht insbesondere des Aufsichtsratsvorsitzenden, ein doch recht existenzielles Thema auf die Agenda des Aufsichtsrats zu nehmen und im Plenum zu diskutieren. Nicht nur oberflächlich, sondern in der Tiefe. Wenn um mein Unternehmen herum eine ganze Branche erschüttert wird, kann man darüber nicht einfach hinweggehen – das ist gar keine Frage.
Im Risikohandbuch der DEW21 heißt es „Der Aufsichtsrat und die Gesellschafter kennen das Risikorahmenkonzept von DEW21. Die Gremien überprüfen und bewilligen die globalen Risikolimits und setzen sich mindestens einmal jährlich mit den Risikopositionen der DEW21 auseinander.“ Da ist diese Pflicht auch noch einmal aktiv formuliert, oder?
Roderich C. Thümmel: Ja, daraus leitet sich die Pflicht des Aufsichtsrats ab, sich einmal im Jahr mit den Risikopositionen zu beschäftigen und sich von der Geschäftsführung hierüber informieren zu lassen.
Schweigsame Kontrolleure
Die WAZ hat die DEW21-Aufsichtsräte Thomas Westphal (SPD), Katherina Reiche (Westenergie), Achim Schröder (Westenergie), Jendrik Suk (CDU), Ulrich Langhorst (Grüne), Wolfgang Stammnitz (Linke) und Hendrik Berndsen (SPD) gefragt, ob sie im Jahr 2022 ihrer Pflicht nachgekommen sind, sich mit den Risikolimits auseinanderzusetzen; ob ihnen dabei die Überschreitung der Limits aufgefallen ist; und ob sie die Berichterstattung der Geschäftsführung über die Marktsituation und das Risiko damals für adäquat hielten. Sie haben darauf nicht geantwortet.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Westphal teilte mit: „Die Vorgänge um die Energiebeschaffung im Jahr 2022 sind Gegenstand von Untersuchungen, deren Ergebnisse im Interesse einer unbeeinflussten Aufklärung durch eine Stellungnahme von allen Beteiligten nicht vorgegriffen werden darf.“ Die Frage, ob neben den Pflichtverletzungen der Geschäftsführung auch mögliche Verfehlungen des Aufsichtsrats geprüft werden, beantwortete die Stadt ebenfalls nicht.
Damals sind die Energiepreise teils auf das Zehnfache gestiegen, teilweise wurde auf den Märkten gar nicht mehr gehandelt. Er herrschte Chaos. War es da nicht offensichtlich, dass Risikolimits, die vor der Krise gesetzt wurden, weitgehend wertlos sind?
Roderich C. Thümmel: Klar ist auf jeden Fall: Solche Marktverwerfungen machen etwas mit den Risiken, der das Unternehmen ausgesetzt ist. Und darum müssen sich die Geschäftsführung und auch der Aufsichtsrat kümmern. Was bedeutet das für uns und unsere Positionierung? Wie reagieren wir? Welche Alternativen gibt es? Und natürlich gibt es im Normalfall in jedem Aufsichtsrat auch Experten, die da noch eine höhere Verantwortung tragen, weil sie die Sachverhalte besser einschätzen können.
„Menschen mit spezieller Expertise stehen sicherlich stärker in der Verantwortung als „normale“ Aufsichtsratsmitglieder. Bei Westenergie kannten sie den Markt und wussten sicherlich genau, was dort los war.“
Bei DEW21 dürften das vor allem die Vertreter des zweiten Gesellschafters Westenergie gewesen sein. Die DEW21 gehört zu 60,1 Prozent den Dortmunder Stadtwerken, zu 39,9 Prozent Westenergie. Für die Tochter des Energiegiganten Eon sitzt unter anderem Katherina Reiche im DEW21-Aufsichtsrat. Die war als CDU-Politikerin Bundestagsabgeordnete, Staatssekretärin in mehreren Ministerien und ist nun seit mehreren Jahren Spitzenmanagerin in der Energiebranche.
Roderich C. Thümmel: Menschen mit spezieller Expertise stehen sicherlich stärker in der Verantwortung als „normale“ Aufsichtsratsmitglieder. Bei Westenergie kannten sie den Markt und wussten sicherlich genau, was dort los war. Man kann sich deswegen kaum vorstellen, dass wesentliche Fragen wie die Risikolimits nicht mindestens in kleiner Runde diskutiert worden sind.
Auch Aufsichtsratschef und Geschäftsführung tauschen sich oft auch neben den Sitzungen intensiv aus.
Roderich C. Thümmel: Ich bin selbst Aufsichtsratsvorsitzender in mehreren Unternehmen, deswegen kann ich sagen: Das ist der Normalfall, ja. Übrigens gilt: Auch wenn ich als Aufsichtsrat in informellen Gesprächen mit der Geschäftsleitung etwas erfahre, muss ich das ins Plenum bringen, wenn es relevant für das Unternehmen ist.
„Wenn in einer tiefgreifenden Krise nicht nachgefragt wird, kann das durchaus auch eine Pflichtverletzung von Aufsichtsräten sein.“
Und wenn ich das nicht tue, verletzte ich meine Pflichten und mache mich haftbar?
Roderich C. Thümmel: Ja. Wobei bei der Haftung natürlich wie bei den operativen Organen auch gilt: Es muss den pflichtwidrig handelnden Aufsichtsratsmitgliedern nachgewiesen werden, dass ihr Verhalten kausal einen Schaden des Unternehmens verursacht hat. Hiervon kann man umso mehr ausgehen je klarer es ist, dass der Aufsichtsrat eine Veränderung hätte bewirken können, insbesondere durch ein entsprechendes Einwirken auf die Geschäftsführung oder die Verweigerung einer etwa erforderlichen Zustimmung. Spricht allerdings viel dafür, dass der Aufsichtsrat die Dinge genauso gesehen hätte wie die Geschäftsführung, weil es keine ernsthaften Alternativen gab, so wird man kaum von einer Schadensverursachung ausgehen können. Aber wenn in einer tiefgreifenden Krise nicht nachgefragt wird, kann das durchaus auch eine Pflichtverletzung von Aufsichtsräten sein. Das muss man aber im Detail prüfen.
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