Wolfsburg. Der Betriebsrat kritisiert den VW-Vorstand scharf. Dabei gerät auch Kilian unter Druck. Doch der kann noch sein Meisterstück abliefern.
Es war eine Demonstration der Macht. Fast 60.000 VW-Beschäftigte strömten nach Angaben des VW-Betriebsrats am Montag an zehn deutschen Standorten zusammen, um an Informationsveranstaltungen der Arbeitnehmervertretung teilzunehmen. Dort übernahm der Betriebsrat eine Aufgabe, die nach seiner Auffassung dem Vorstand zukommt. Er informierte die Beschäftigten über die geplanten Einschnitte der Unternehmensleitung.
Und die hatten es in sich: Drei Werke sollen demnach in Deutschland geschlossen werden, zudem seien Massenentlassungen und Einkommenseinbußen geplant. Zugleich kritisierte Betriebsratschefin Daniela Cavallo, dass die Führungsriege des Autobauers abtauche. „Der Vorstand hat der Belegschaft hier alles angezündet, er hat alles in Flammen gesetzt – und sich dann verdrückt. Ein solches Verhalten ist schäbig. Es hat mit Wertschätzung rein gar nichts mehr zu tun. Aber dahinter steckt System. Denn der Vorstand macht es sich einfach: Er wälzt die Kommunikation auf uns ab, auf den Betriebsrat und auf die IG Metall“, polterte sie.
VW weist die Kritik des Betriebsrats zurück
Vom Unternehmen wird mit Unverständnis auf die Kritik des Betriebsrats reagiert. Es gebe Flugblätter, Informationsrunden für Führungskräfte mit der Gelegenheit, Fragen zu stellen, und dem Auftrag, die Informationen in die Belegschaft zu tragen. Dabei werde das Kernanliegen des Unternehmens stets vermittelt: die Sanierung und die wettbewerbsfähige Aufstellung des Autobauers. Dabei sei der Vorstand bestrebt, „neutral zu kommunizieren, um keine Ängste in der Belegschaft zu schüren“.
Zwar nannte Cavallo in ihrer Abrechnung keine Namen, doch richtet sich ihre Attacke in erster Linie auf die in der derzeitigen Gemengelage wichtigsten Vorstände: Konzernchef Oliver Blume, Thomas Schäfer als Chef der Konzern-Kernmarke VW, Finanzvorstand Arno Antlitz und Personalvorstand Gunnar Kilian. Ihr oben beschriebenes Kommunikationsverhalten sei ein „Tabubruch“.
VW-Vorstand ist in der Öffentlichkeit zurückhaltend
Tatsächlich treten die genannten Vorstände im Zusammenhang mit der historischen Krise des Autobauers in der Öffentlichkeit nur zurückhaltend auf. Das war in der Vergangenheit bei Volkswagen schon ganz anders zu erleben, als Konflikte zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern über die Medien ausgetragen wurden. Auch damals gab es von beiden Seiten Kritik. Nach dem Motto: Streitigkeiten müssen intern geklärt werden. Nur dass sich beide Seiten recht selten daran gehalten haben.
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Die Kritik des Betriebsrats richtet sich nun vornehmlich gegen eine aus seiner Sicht zu oberflächliche und zu plumpe interne Kommunikation der VW-Bosse. Konkret nannte Cavallo ein Flugblatt des Vorstands mit den Sätzen „Wir müssen unsere Produktivität steigern“; „Wir müssen unsere Arbeitskosten senken“; „Wir müssen unsere Werke wirtschaftlich auslasten“. Ihr Kommentar dazu: „Für solche Botschaften an die eigene Belegschaft, um sich ihr gegenüber zu erklären und für den Ernst der Lage zu sensibilisieren, fallen mir nur zwei Beschreibungen ein: peinlich und dreist.“
Blume und Kilian haben den größten Rückhalt im Arbeitnehmerlager bei VW
Aus Sicht der Arbeitnehmervertreter am Stammsitz Wolfsburg und in den benachbarten Werken Braunschweig und Salzgitter teilt sich der Vorstand in zwei Lager. Auf der einen Seite die rein betriebswirtschaftlich orientierten Top-Manager, auf der anderen Seite jene, die auch die Region rund um Wolfsburg und die Standorte in Niedersachsen im Blick haben. Gemeint sind Konzernchef Blume und Arbeitsdirektor Kilian. Der Grund: Beide haben ihre Wurzeln in der Region Braunschweig-Wolfsburg, sind dort aufgewachsen und seit Jahrzehnten für den VW-Konzern tätig.
Wobei Blume inzwischen eine größere Distanz zur Region nachgesagt wird. Schließlich ist er nicht nur Boss des VW-Konzerns, sondern auch der Edelmarke Porsche. Daher heißt es in Wolfsburg schon mal flapsig, dass dem Vorstand nur noch 1,5 „gute“ Mitglieder angehören.
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Kritik an VW-Personalvorstand Kilian
Zunehmend in die Kritik gerät nun aber auch Personalvorstand Kilian. Als zum Auftakt der Tarifverhandlungen Ende September in Hannover tausende IG-Metall-Mitglieder gegen die geplanten Einschnitte demonstrierten, wurde es persönlich. Auf einem der Transparente stand: „Gesucht: Personalvorstand mit Rückgrat“. Auch im Betriebsrat und bei der IG Metall wird das Murren lauter.
Dort ist zu vernehmen, Kilian sei zu passiv, zu leise, zu wenig sichtbar. Er müsse in der aufgeheizten Situation mehr vermitteln, Brücken bauen und Kompromisse suchen – und zwar offensiv. Andere sagen, Kilian, der seit Frühjahr 2018 VW-Arbeitsdirektor ist, habe seine Wurzeln vergessen. Tatsächlich war der Manager vor seinem Wechsel in den Vorstand des Autobauers viele Jahre für den Betriebsrat tätig. Er galt als enger Vertrauter des damaligen Betriebsratschefs Bernd Osterloh. Soll heißen: ein Vertreter der Arbeitnehmerinteressen durch und durch.
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Wer wird zum Retter von VW?
Aber kann er das auch als Arbeitsdirektor sein, als Personalvorstand? Wohl kaum. Es geht in seiner Rolle doch um das Ausbalancieren der Interessen beider Seiten. Ob dieses Kunststück gelingt, hängt von der Perspektive ab. Das Arbeitnehmerlager würde diese Frage derzeit sicher mit einem „Nein“ beantworten. Die, die sich hinter Kilian stellen, verweisen hingegen darauf, dass er von seinen Vorstandskollegen zu oft als Überbringer schlechter Nachrichten beansprucht werde. Werden beide Positionen übereinander gelegt, schaut das nach einem ziemlich unangenehmen Spagat aus.
Daran wird sich auf die Schnelle nichts ändern. Zwar wird mit Betriebsrat und Gewerkschaft schon seit dem vergangenen Jahr über die neue Struktur von Volkswagen gesprochen. In die heiße Phase gehen die Gespräche aber erst jetzt. Und das gleich auf mehreren Ebenen: Dazu gehören die Tarifrunde, in der unter anderem über die Löhne verhandelt wird. Dazu gehört auch die VW-interne Planungsrunde, in der es um Investitionen und die Belegung der Werke geht.
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Beide Runden sind mit dem Auftrag verbunden, Volkswagen zu verschlanken und wettbewerbsfähig aufzustellen. Das bietet Kilian, der im Unternehmen bestens vernetzt ist, die Gelegenheit, sein Meisterstück als Arbeitsdirektor abzuliefern. Als das Unternehmen vor 30 Jahren schon einmal schwer angeschlagen war, ersann der damalige VW-Personalvorstand Peter Hartz unter anderem die 4-Tage-Woche, die Massenentlassungen verhinderte. Eine Lösung gleicher Qualität könnte Kilian zum strahlenden VW-Retter werden lassen.
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