Berlin. Neue Hiobsbotschaft für die Autoindustrie: BMW hat Probleme mit einem Bremssystem. Welche Fahrzeuge betroffen sind – und was Halter tun müssen.
Die deutsche Autoindustrie kommt nicht zur Ruhe. Eine Woche nach dem großen Knall bei Volkswagen, wo erstmalig in der VW-Geschichte Werksschließungen in Deutschland zur Debatte stehen, löst nun BMW eine neue Schockwelle in der kriselnden Branche aus. Am Dienstag mussten die Münchener eine Gewinnwarnung bekannt geben und ihre Jahresprognose senken. Der Hauptgrund: 1,5 Millionen Autos weltweit sollen Problemen mit dem sogenannten Integrierten Bremssystem (IBS) haben. In Deutschland sollen es nach Informationen unserer Redaktion 150.000 Fahrzeuge sein. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Modelle sind betroffen?
Wie eine BMW-Sprecherin unserer Redaktion mitteilte, sind gleich eine ganze Reihe von BMW-Modellen betroffen. Dabei handelt es sich demnach um:
- 2er Active Tourer
- X1, X2 und XM
- die Modellüberarbeitungen des X5, X5X sowie des X6
- neuen Modellen der 5er Limousine
- neuen 5er Toruing
- 7er Limousine
Aber auch die BMW-Töchter Rolls-Royce und Mini sind laut der Sprecherin betroffen. So soll es bei Rolls-Royce beim Spectre, dem ersten batterieelektrisch angetriebenen Pkw der Nobelmarke, den es in der günstigsten Ausstattung ab 390.000 Euro gibt, zu Problemen kommen können. Bei Mini können die beliebten Modelle des Cooper SE sowie der Countryman Probleme haben.
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Ist der Fehler beim Bremssystem gefährlich?
„Auch bei einem fehlerhaften Integrierten Bremssystem ist das Bremsen weiter möglich“, erläutert die BMW-Sprecherin. Es könne allerdings zu Ausfällen beim Antiblockiersystem (ABS) sowie bei der Dynamische Stabilitätskontrolle (DSC) kommen. Das ABS sorgt dafür, dass die Reifen nicht blockieren, wenn es zu einem starken Bremsdruck kommt. DSC, bei anderen Autobauern auch als ESP (Electronic Stability Program) bekannt, hält das Fahrzeug in der Spur.
Verantwortlich für das fehlerhafte System ist der Zulieferer Continental. Konkret handelt es sich laut eines Continental-Sprechers um das System MK C2, das nun teilweise ausgetauscht werden muss. „Grund dafür ist ein elektronisches Bauteil, dessen Funktionsweise möglicherweise beeinträchtigt ist“, teilte der Sprecher unserer Redaktion mit, versicherte aber, dass die Bremsleistung dennoch „deutlich über den gesetzlich geforderten Standards“ liege.
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Was müssen BMW-Fahrer jetzt tun?
„Es muss nicht jedes Fahrzeug in die Werkstatt“, sagt die BMW-Sprecherin. „Fahrzeughalter werden von ihrem Händler oder der entsprechenden Niederlassung angeschrieben und darauf hingewiesen, dass eine Software aufgespielt wird, die überprüft, ob das Integrierte Bremssystem ihres Fahrzeugs betroffen ist.“ Die entsprechende Software wird über eine Funkschnittstelle als Over-the-air-Update installiert. „Wenn das System fehlerhaft ist, dann erscheint im Display des Fahrzeugs der Hinweis, dass die Halter eine Werkstatt aufsuchen müssen.“
Von Continental heiß es: „Auf Basis der bereits getauschten Systeme sowie unserem aktuellen Erkenntnisstand gehen wir derzeit weiterhin davon aus, dass nur ein geringer Anteil der ausgelieferten Bremssysteme tatsächlich getauscht werden muss.“ In BMW-Kreisen wird von einem „niedrigen einstelligen Prozentbereich“ an betroffenen Fahrzeugen gesprochen. Treffen die Angaben zu, könnten womöglich weniger als 10.000 Fahrzeuge in Deutschland tatsächlich von dem Rückruf betroffen sein.
Wie groß ist der Schaden für BMW und Continental?
In der ohnehin angespannten Lage zeigen sich Investoren nervös. Sowohl die BMW- als auch die Continental-Aktien büßten zwischenzeitlich knapp 9 Prozent an Börsenwert ein. Damit zogen sie auf dem Börsenparkett auch andere Autotitel mit. VW und Mercedes notierten rund 3 Prozent leichter.
Sowohl für Continental als auch für BMW geht es nun darum, den Schaden so schnell wie möglich zu beheben. Eine Herausforderung: Je nach Markt wird unterschiedlich mit dem Fehler umgegangen. Während in Deutschland die Fahrzeuge entsprechend überprüft und gegebenenfalls in die Werkstatt müssen, haben die USA einen Auslieferungsstopp verhangen, bis die Probleme gelöst sind.
Da BMW wie auch die anderen deutschen Autobauer darüber hinaus mit der schwachen Nachfrage im wichtigsten Absatzmarkt China zu kämpfen haben, kommt nun die Gewinnwarnung zustande.
Insgesamt geht BMW davon aus, dass sich die Ergebnismarge vor Zinsen und Steuern in diesem Jahr zwischen 6 und 7 Prozent bewegen wird. Ursprünglich hatte der bayerische Konzern mit 8 bis 10 Prozent kalkuliert. Die Kosten für die technischen Maßnahmen zur Behebung der Probleme beim Integrierten Bremssystem beziffert BMW auf eine „hohen dreistellige Millionenhöhe“. Continental teilt mit: „Wir haben Rückstellungen im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich gebildet und gehen davon aus, dass dies für den Gewährleistungsfall ausreichen wird.“
Was sagt der Fall über den allgemeinen Zustand der deutschen Autoindustrie aus?
Laut Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), muss man zwischen dem Rückruf und der Gesamtsituation trennen. „Qualitätsprobleme in Form von Rückrufen machen auch vor Premiumherstellern wie BMW nicht halt“, sagte Bratzel im Gespräch mit unserer Redaktion. Autobauer würden durch die Modulbauweise Entwicklungskosten sparen und an Geschwindigkeit gewinnen. Würden aber Fehler passieren, habe die Bauweise entsprechende Nachteile. „Die Zahl der Rückrufe ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen. Die Systeme werden immer komplexer, was sie zugleich aber auch fehleranfällig macht“, sagt Bratzel.
Mit Blick auf den Standort Deutschland ist Bratzel der Meinung, dass dieser „generalüberholt“ werden müsse: „Das Deutschland-Tempo reicht nicht, weil der China-Speed höher ist.“ Zunehmend würden chinesische Autobauer wie SAIC, Xiaomi oder jüngst Huawei in Kooperation mit Chery auch das hochpreisige Premiumsegment angreifen. Entsprechend seien auch BMW und Mercedes zunehmend von den Problemen betroffen.
Alarmiert mit Blick auf den deutschen Standort zeigte sich am Dienstag der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und der Boston Consulting Group (BCG) sei ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung bedroht. Im Automobilbereich liege der Wert noch höher. „Deutschland hat ein fundamentales Standortproblem“, urteilte Industriepräsident Siegfried Russwurm.
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), nannte die Daten und Zahlen mit Blick auf den Standort „alarmierend“: „Andere Regionen geben das Tempo vor, wir verlieren uns in Regulierungen und fehlender Entscheidungsfreudigkeit. Ein Kurswechsel ist zwingend notwendig“, sagte die oberste Autolobbyistin unserer Redaktion. Sie verwies darauf, dass die deutsche Autoindustrie große Summen in die Transformation und in Zukunftstechnologien investiere. „Doch unsere Innovationen und Investitionen können nur dann maximale Wirkung zeigen, wenn das Umfeld stimmt, wenn Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität Wachstumsbeschleuniger und nicht Wachstumshindernis sind.“
SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz verwies gegenüber unserer Redaktion auf die Wachstumsinitiative der Bundesregierung, die unter anderem Maßnahmen für E-Autos und das Ladesäulennetz enthalte. „Deutschland ist Autoland und soll es auch bleiben. VW, BMW und die anderen Hersteller sind nicht nur Tradition, sie sind wichtiger Kern unseres Wohlstands“, sagte Hubertz.
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