Rom. Bei italienischen Autobauern geht die Angst um: Dem Land drohe wegen Brüssel die Deindustrialisierung. Nun soll die Regierung helfen.

Im Standort des Autobauers Stellantis in Cassino südlich von Rom herrscht Unmut: Die Nachfrage nach den Modellen Maserati Grecale, dem neuen Alfa Romeo Giulia und Stelvio stagniert. Die Zukunft des Stellantis-Standortes mit 2.500 Mitarbeitern ist ungewiss. Denn in der EU dürfen ab 2035 keine neuen mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Pkw neu zugelassen werden. Eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot soll es für E-Fuels geben. Das Motorenland Italien zittert.

Die Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni befürchtet die Streichung zehntausender Jobs in den nächsten Jahren und verschärft ihren Druck auf Brüssel für eine Aufhebung des Aus der Verbrennungsmotoren, das auch die deutsche Automobilindustrie belastet. Die Regierung in Rom wirbt fast verzweifelt um Investitionen von Autoherstellern. Im Gespräch sind neben Tesla die chinesischen Hersteller Chery Automobile, Great Wall Motors und vor allem BYD, der weltweit größte Hersteller von Elektroautos.

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Die hektischen Bemühungen Roms erfolgen vor dem Hintergrund des massiven Produktionsrückgangs im Land. Der Stellantis-Konzern, zu dem die italienischen Marken Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Maserati gehören, baut immer weniger Autos in Italien, das einst neben Deutschland der führende Fertigungsstandort in Europa war. Inzwischen ist Italien auf Platz acht in Europa abgerutscht. Stellantis ist der einzige große Hersteller im Land.

Italien: Drohendes Verbrenner-Aus hat erste Folgen für Standorte

„Die Einstellung der Produktion von Benzin- und Dieselmotoren führt bereits jetzt zu schwerwiegenden Schäden für die europäische Wirtschaft, ohne dass eine wesentliche Verbesserung der Umwelt gewährleistet ist“, betonte Verkehrsminister Matteo Salvini, Chef der rechten Regierungspartei Lega. „Es ist kein Zufall, dass die Aufhebung des Verbots auch in Deutschland ein Thema ist.“

Salvinis Partei will das italienische Parlament und die Regierung verpflichten, Maßnahmen in Brüssel gegen das Aus von Verbrennungsmotoren zu ergreifen. Eine ähnliche Initiative planen auch die EU-Parlamentarier der Lega in Brüssel. Die Kfz-Industrie im Stiefelstaat tritt massiv gegen die Einstellung der Verbrennerproduktion auf. Italiens Industriebosse drohen mit einer öffentlichen Kundgebung der in der Autoproduktion und in der Zulieferindustrie tätigen Unternehmen.

„Entweder wir einigen uns auf neue Regeln oder wir schließen unsere Unternehmen sofort, weil wir sonst keine Zukunftsperspektiven haben“, warnte der Präsident des Industriellenverbands Unindustria in Cassino, Francesco Borgome. Die Autoindustrie forderte von der italienischen Regierung Unterstützung, um überleben zu können.

Auto: In der Industrieproduktion drohen 70.000 Jobs wegzufallen

Rund 70.000 Jobs sind in Italien laut Gewerkschaften ab 2035 gefährdet. Die Autoindustrie im Mittelmeerland, die immer noch weitgehend auf die traditionelle Verbrenner-Technologie ausgerichtet ist, beschäftigt laut dem Branchenverband Anfia direkt oder indirekt mehr als 270.000 Menschen. Sie generiert einen Umsatz von 93 Milliarden Euro, was 5,6 Prozent des nationalen Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht. Die Branche zählt mehr als 2.000 Unternehmen.

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Die Gefahr einer Deindustrialisierung des Automobilsektors ist konkret, warnen die Gewerkschaften. Unternehmen und Gewerkschaften verlangen auch, dass soziale Sicherheitsnetze ausgebaut werden, um die derzeitigen Übergänge zu E-Autos zu begleiten. Fraglich ist, ob das ausreichen wird, die Folgen des Verbots abzumildern.