Berlin. Der Nahost-Konflikt, der Krieg in der Ukraine, Nervosität an der Börse: Gold als Krisenwährung ist gefragt. Was Experten nun raten.

Die Börsen fahren Achterbahn: Am Montag herrschte Panik an den Märkten, vom „Schwarzen Montag“ war in Japan die Rede, nachdem der Nikkei 225 mit einem Minus von 12,4 Prozent historisch schlecht geschlossen hatte. Auch in den USA und Europa herrschte Verunsicherung. Zwar stabilisierten sich am Dienstag und Mittwoch die Börsen – in Japan gab es gar eine fulminante Aufholjagd. Doch eine nervöse Grundstimmung bleibt.

Spielen die Börsen verrückt, ist häufig ein Edelmetall der große Gewinner: „Bei Angstzuständen an der Börse profitiert Gold normalerweise“, sagt Marco Schwarzbach, Analyst der Deka. Doch auch der Goldpreis wurde am Montag mit einem Minus von 2,35 Prozent kräftig nach unten gezogen, ohne dass am Dienstag oder Mittwoch die große Erholung folgte. Wie kann das sein? Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.

„Bei Angstzuständen an der Börse profitiert Gold normalerweise.“

Marco Schwarzbach
Analyst der DekaBank

Warum ist Gold zusammen mit den Aktien zum Wochenstart gefallen?

Als Faustformel galt lange: Gold läuft häufig entgegengesetzt zum Aktienmarkt. Doch seit einiger Zeit entwickeln sich sowohl die Aktienmärkte als auch Gold positiv, zum Wochenbeginn fielen nun beide. Außergewöhnlich ist das vor allem dann nicht, wenn Panik am Markt herrscht. Auch zu Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 oder mit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 fiel der Goldpreis.

Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank, hat eine Erklärung: „Bei großen Verwerfungen an den Börsen müssen viele Marktteilnehmer Positionen liquidieren, um beispielsweise Margin Calls bedienen zu können oder Verluste auszugleichen. Häufig kommt es dabei auch bei Gold zu Zwangsverkäufen“, sagte Fritsch unserer Redaktion. Da Gold sehr liquide ist, lässt es sich gut verkaufen.

Wie hat sich der Goldpreis zuletzt entwickelt?

Trotz des Rücksetzers zum Wochenstart notiert der Goldpreis nach wie vor auf historisch hohem Niveau. Im Juli kostete die Feinunze in der Spitze 2.468,90 Dollar (2.266,96 Euro) – ein Allzeithoch. Auch wenn der Preis seitdem etwas zurückgekommen ist, ist die Entwicklung der vergangenen Jahre eine der Superlative. Knapp 24 Prozent Rendite konnte man binnen eines Jahres zuletzt mit Gold erzielen, auf Fünf-Jahressicht steht ein Plus von mehr als 63 Prozent zu Buche.

Gold ist gefragt: Der Preis stieg zuletzt stetig.
Gold ist gefragt: Der Preis stieg zuletzt stetig. © Getty Images/iStockphoto | style-photography

Was sind die Gründe für die Rallye?

„Der Goldpreis beinhaltet eine Risikoprämie. Seit jeher wird Gold als sicherer Hafen gesehen. Die vergangenen Jahre waren von Unruhen und Krisen geprägt, entsprechend hoch fällt die derzeitige Risikoprämie bei Gold aus“, sagt Deka-Experte Schwarzbach. Zuletzt hätten die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, die Erwartung an sinkende Zinsen durch die amerikanische Notenbank sowie eine robuste Goldnachfrage der Schwellenländernotenbanken den Goldkurs auf Rekordstände getrieben.

Insbesondere Brasilien, Indien und China haben zuletzt intensiv Gold angekauft – auch, um sich unabhängiger vom US-Dollar zu machen. Vor allem das Einfrieren russischer Vermögen im Zuge des Ukraine-Krieges hat in diesen Schwellenländern für Misstrauen gesorgt. Entsprechend werden in Dollar notierende Staatsanleihen verkauft und dafür Gold eingekauft. Neben der zuletzt hohen Zentralbanknachfrage habe auch der außerbörsliche Goldhandel den Preis zuletzt gestützt, sagt Schwarzbach. Allein im zweiten Quartal seien außerbörslich mehr als 300 Tonnen Gold gehandelt worden.

Droht jetzt eine größere Korrektur?

Historisch gesehen kommt es beim Goldpreis immer wieder zu größeren Schwankungen. „Betrachtet man den Goldpreis über eine längere Dauer, dann sieht man, dass es durchaus 10 bis 15 Jahre sehr gute und renditestarke Jahre geben konnte, danach aber auch anhaltend sehr schwache Jahre. Seit längerem kommen die unruhigen Zeiten dem Goldpreis zugute, aber eine anhaltende Schwächephase wäre perspektivisch auch wieder denkbar“, ordnet Schwarzbach ein.

Für Commerzbank-Rohstoffexperte Fritsch stellte der Juli-Anstieg in Richtung 2.500 Dollar bereits eine Übertreibung dar. Der Goldpreis sei den Zinserwartungen voraus enteilt. Thomas Kulp, Analyst bei der DZ-Bank, hält sogar eine anhaltende Korrektur für denkbar, „möglicherweise bis in Richtung der 2.200-Dollar-Marke.“ Zugleich beruhigt er: „Die 2.000-Dollar-Marke werden wir die nächsten Monate oder vielleicht auch Jahre aber nicht mehr berühren.“

Lohnt sich der Einstieg noch?

Auch wenn man mit Gold zuletzt hohe Renditen erzielt hätte – Experten empfehlen das Edelmetall eher als Beimischung im Depot. Manche Experten raten, bis zu einem Viertel des Portfolios in Gold zu investieren, andere sind deutlich zurückhaltender und tendieren lediglich zu fünf bis zehn Prozent. Klarer Nachteil bei Gold: Es gibt keine Zinsen oder Dividenden. Wer Rendite erzielen möchte, muss auf eine positive Preisentwicklung hoffen. Auf lange Sicht haben Aktien in breit gestreute Märkte besser abgeschnitten als Gold.

Silber kam zu Wochenbeginn stärker unter die Räder als Gold.
Silber kam zu Wochenbeginn stärker unter die Räder als Gold. © picture alliance / Zoonar | Stockfotos-MG

Kurzfristig allerdings könnte der Goldpreis einen Schub erhalten. Als Kriegs- und Krisenwährung profitiert Gold derzeit von den militärischen Konflikten. Für Anleger geht der Blick daher auch in Richtung Israel und Iran. Zwar sei eine hohe Unsicherheit bereits eingepreist, sagt DZ-Bank-Experte Kulp: „Es kann aber auch noch einen Sprung nach oben geben, sollte der Konflikt eskalieren.“ Deka-Analyst Schwarzbach hält bei einer Eskalation auch den Sprung über die 2.500-Dollar-Marke für möglich.

Ist Silber die bessere Alternative?

Silber kam seit Wochenbeginn ordentlich unter die Räder, notierte knapp sechs Prozent im Minus. „Silber hat auch in der Vergangenheit häufig die Preisbewegung bei Gold überproportional nachvollzogen“, sagt Commerzbank-Experte Fritsch. Der Markt sei kleiner und weniger liquide, Schwankungen können daher stärker ausfallen.

Im konkreten Fall kommt beim Silber noch ein weiterer Faktor hinzu: „Neben seiner Funktion als Edelmetall wird es zu 60 Prozent für industrielle Anwendungen genutzt. Entsprechend reagiert es auf Rezessionsängste stärker als Gold“, sagt Fritsch. Im vergangenen halben Jahr ist Silber besser gelaufen als Gold, auf Ein-Jahressicht ließ sich dagegen mit Gold eine um fast sieben Prozent bessere Rendite erzielen. Schaut man fünf Jahre zurück, hätten sich mit Gold und Silber fast identische Renditen erzielen lassen.