Berlin. Teuer und kompliziert: Riester ist durchgefallen. Nun gibt es Pläne, die private Vorsorge zu reformieren. Was Verbraucher davon hätten.

Die Riester-Rente gilt als Deutschlands größtes Problem bei der privaten Altersvorsorge. Mittlerweile stagniert die Verbreitung bei rund 15 Millionen Riester-Verträgen. Schätzungsweise ein Viertel davon wird aber nicht mehr bespart. Woran das liegt und welche Reformvorschläge es gibt.

Wie funktioniert Riester?

Bei der Riester-Rente fördert der Staat in der Ansparphase Versicherte mit Zulagen und Steuererleichterungen. Die Riester-Zulagen erhalten Versicherte, die mindestens vier Prozent des letzten Bruttojahreseinkommens einzahlen. Gezahlte Riester-Beiträge und Zulagen lassen sich bei der Steuererklärung bis zu einem Betrag von 2100 Euro als Sonderausgaben geltend machen.

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Verabschiedet wurde das Konzept 2001 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Ziel war es, mit Riester einen Ausgleich für die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente zu schaffen.

Welches Problem hat Riester?

Da gibt es mehrere. Problematisch sei zum Beispiel die Freiwilligkeit, sagt der Rentenexperte Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Die Idee hinter Riester war ja, dass diese ergänzende Vorsorge die Kürzung des Rentenniveaus kompensiert. Dafür hätte man sie obligatorisch machen müssen – jedenfalls für alle Personen, die von der Kürzung des Rentenniveaus betroffen und noch jung genug waren, um eine zusätzliche Rente aufzubauen“, erklärt Geyer. Zahlen zeigen jedoch: Gerade in den unteren Einkommensgruppen ist die Verbreitung von Riester-Verträgen gering.

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    Als ein weiteres Problem nennt der Wissenschaftler die Garantien. Versicherer sind verpflichtet, die Sparbeiträge und die staatlichen Zulagen wieder auszuzahlen. Genau das macht aber viele Riester-Verträge unrentabel, da die Anbieter das Geld in sehr risikoarme Fonds und Anleihen anlegen müssen. Auch die Kostenbelastung für die Verbraucher nennen Experten als Hürde für die Riester-Rente: Versicherungen nehmen Gebühren für Vertrieb, Provision und Abschluss und dann auch noch für die Verwaltung der Einlagen.

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    Das dritte Problem ist dem Rentenexperten zufolge die Transparenz und die Qualität der Vorsorgeangebote selbst. „Hier hat sich zwar viel getan, aber es sind immer noch komplizierte Produkte, die von den Sparern in der Regel nur schlecht verstanden werden“, so Geyer.

    Lohnt es sich noch, einen Riester-Vertrag abzuschließen?

    Nur noch in Ausnahmefällen. „Die Förderung, vor allem über die Zulagen für mehrere Kinder, sollte so hoch sein, dass die Einzahlungen gering sind, die Kosten des Vertrags ausgeglichen werden und darüber hinaus noch eine Rendite erwirtschaftet wird, die spürbar über der Inflation liegt“, erklärt der Riester-Experte Martin Klotz vom Geldratgeber Finanztip. Klotz empfiehlt derzeit, lieber zu warten. Hintergrund dafür ist die von der Ampelkoalition angekündigte Reform der privaten Altersvorsorge.

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    Sollte man alte Riester-Verträge kündigen?

    Eher nicht. „Den Vertrag zu kündigen, ist möglich, allerdings ist das die denkbar schlechteste Idee. Denn dann müssen alle bisher erhaltenen Zulagen und die eventuell gewährten Steuervorteile an den Staat zurückgezahlt werden“, erklärt der Fachmann. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Reform und der Garantie der Anbieter von Einzahlungen und Zulagen hält er das Stilllegen und Abwarten für die „momentan vermutlich sinnvollste Variante“.

    Wie sehen Reformvorschläge für die Riester-Rente aus?

    Nicht nur Riester, sondern generell die private Altersvorsorge gelte es zu reformieren, sagt Finanztip-Experte Klotz. Eine denkbare Lösung wäre ein staatlich verwalteter Fonds, in den Menschen für ihre Altersvorsorge einzahlen können und in den auch alle Förderungen, zum Beispiel vom Arbeitgeber oder vom Staat fließen. Auch eine Idee: die Riester-Förderung für andere Sparformen wie etwa einen ETF-Sparplan zu öffnen und den Verrentungszwang im Alter aufzuheben. Das wären gute Schritte, um die Kosten für die Verbraucher zu reduzieren und eine flexiblere Verwendung des Angesparten im Ruhestand zu ermöglichen, so der Fachmann.

    Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Florian Toncar (FDP) umriss kürzlich erste Inhalte. Ermöglichen will die Regierung ein steuerlich gefördertes Altersvorsorgedepot. Wie jetzt bei Riester sind auch weiterhin Zulagen geplant, vor allem für untere Einkommensgruppen, Berufseinsteiger und Eltern, die Kindergeld beziehen. Auf im Depot erwirtschaftete Erträge soll in der Ansparphase keine Abgeltungssteuer fällig werden. In der Auszahlungsphase fallen die Erträge dann unter den persönlichen Einkommenssteuersatz des Sparers.

    DIW-Forscher Geyer hält das Depotsparen für den falschen Weg. „Ein Auszahlungsplan ist keine Rentenversicherung. Außerdem wird der Flickenteppich der Altersvorsorge noch komplizierter“, so Geyer. Mit Blick auf Riester helfe eigentlich nur ein verpflichtendes System. Wichtig sei ein „staatlich reguliertes Standardprodukt mit geringen Verwaltungskosten“.

    Was sagen die Parteien?

    Starre und undurchsichtige Vorgaben müssen bei der privaten Altersvorsorge der Vergangenheit angehören, fordert die FDP-Politikerin Anja Schulz. „Dafür müssen wir die Fördersystematik weiterdenken, die Ansparphase attraktiver gestalten und die Auszahlungsphase liberalisieren“, sagt sie dieser Redaktion. Nötig sei auch eine beitragsproportionale Förderung anstatt fixer Zulagen, die Erweiterung der Förderberechtigung auf Selbständige und flexible Garantieniveaus. Herzstück der Reform sollte daher ein Altersvorsorgedepot sein, so Schulz.

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    Auch die SPD will Produkte standardisieren und die Rendite verbessern. Dafür könne gegebenenfalls teilweise auf die Beitragsgarantie verzichtet werden, so der finanzpolitische Sprecher Michael Schrodi. Vorsorgeprodukte mit vollständiger Beitragsgarantie soll es aber weiter geben. Aber auch risikoreichere und damit rentierlichere Kapitalanlagen sollen möglich sein. Die staatliche Förderung will Schrodi „noch stärker als bisher auf Bezieher geringer Einkommen“ konzentrieren.

    Die Union will aus der Riester-Rente eine Zulagen-Rente machen. „Die hundertprozentige Beitragsgarantie soll in der Zulagen-Rente auf bis zu 70 Prozent abgesenkt werden können. Damit würden wir eine renditeorientierte Anlage zugunsten der Sparerinnen und Sparer ermöglichen“, sagt die finanzpolitische Sprecherin Antje Tillmann.

    Wie sehen es Sozialverbände?

    Das Ziel, mit Riester das sinkende Rentenniveau auszugleichen, sei „kläglich gescheitert“, heißt es vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Nicht einmal jeder zweite Erwerbstätige habe eine Riester-Rente. „Unser Ansatz ist daher, die gesetzliche Rente direkt zu stärken, zum Beispiel durch mehr Möglichkeiten für freiwillige Beiträge“, sagt die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Soll weiterhin auf private Vorsorge gesetzt werden, müsse „der Staat für gute, einfache und kostengünstige Produkte sorgen“.

    Wann könnte es erste Änderungen bei Riester geben?

    Noch in diesem Jahr plant das Bundesfinanzministerium, dem Bundestag einen Gesetzesentwurf vorzulegen, sagt ein Sprecher dieser Redaktion.