Hagen. Die Flaute am Bau in Deutschland spüren mittlerweile immer mehr Branchen. Warum die Kettenreaktion besonders Hersteller edler Armaturen trifft.
Die Auswirkungen der Zinswende und der im vergangenen Jahr rasant gestiegenen Inflation auf die Baubranche sind offenkundig. Geld leihen ist teuer geworden und immer mehr Menschen müssen beim Blick ins Portemonnaie täglich rechnen. Der jahrelange Bauboom scheint vorerst beendet. Inzwischen wird sichtbar, wie stark sich dies auch auf Folgebranchen auswirkt. Betroffen sind beispielsweise die Hersteller rund um den Bäderbau, von denen einige in Südwestfalen beheimatet sind.
Mit derGrohe AG kündigte einer der Riesen in der Branche für Armaturen und Sanitärausstattung vor ein paar Wochen für das Werk in Hemer Kurzarbeit an. Das benachbarte mittelständische Unternehmen Keuco, nach wie vor in Familienbesitz, hatte da nach eigenen Angaben die Produktion bereits zurückgefahren und das Arbeitsmarktinstrument Kurzarbeit eingesetzt. Keuco produziert hochwertige Badmöbel und -Accessoires.
Pleite eines Luxusherstellers
Bei Kludi im benachbarten Menden steht eine Arbeitszeitreduzierung derzeit nach Unternehmensangaben nicht an. Allerdings hatte das Traditionsunternehmen, das seit rund einem Jahr nicht mehr in Familienhand ist sondern zur RAK-Gruppe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört, bereits im Herbst 2022 Personal reduziert und die Produktionen an den Standorten in Menden sowie in Österreich und Ungarn stärker automatisiert und so Kosten gesenkt.
Wie schnell eine plötzliche Flaute nach goldenen Jahren des Baubooms – wesentlich getrieben durch eine unerwartet lange Phase historisch niedriger Baufinanzierungszinsen – zu einer Schieflage führen kann, zeigt das Beispiel der Dornbracht-Tochter Alape. Bekannt ist die Marke seit Jahrzehnten für edle Design-Waschtische aus glasiertem Stahl, die in der Manufaktur in Goslar im Harz gefertigt werden. Neben diesen Luxus-Design-Produkten gehört auch ein Becken zum Portfolio, das als Klassiker in vielen Garagen oder Kellern zu finden ist und als Dauerbrenner über lange Zeit einen stabilen Umsatz garantierte: das emaillierte Blechwaschbecken.
„Abwärts-Sog“ am Bau hält an
Der Abwärtstrend am Bau in Deutschland setzt sich laut Hauptverband der Deutschen Bauindustrie rasant fort. „Die weiterhin stockende Nachfrage hat die Auftragseingänge am Bau auch im Mai zurückgehen lassen. Der Abwärts-Sog hat den Bau damit fest im Griff”, sagt Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Von Januar bis Mai dieses Jahres gab es demnach ein Auftragsminus von 14,7 Prozent. Der Umsatz sank gegenüber dem Vorjahr um 7,3 Prozent. In den ersten vier Monaten hätten 437 Unternehmen des Bauhauptgewerbes Insolvenz angemeldet – 20,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Die Krux: Alape ist vor allem auf dem sogenannten DACH-Markt vertreten, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und seit mehr als 125 Jahren wird am Standort Deutschland produziert. Hier ist derzeit nicht nur die Nachfrage im Keller, es sind auch die Energiekosten im Vergleich zum Ausland hoch. „Für ein kleines Unternehmen wie Alape ist das Geschäftsmodell mit seiner energieintensiven Produktion unter den neuen deutschen Rahmenbedingungen nach der Energiewende nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Der Wettbewerbsdruck durch Importe vor allem aus Fernost und die starke Abhängigkeit von den europäischen Kernmärkten, insbesondere der DACH-Region mit ihrer negativen Nachfrageentwicklung, haben letztlich diesen für uns alle tragischen Schritt erzwungen“, erläuterte Alape-Geschäftsführer Bodo Müller vom Hofe Anfang Juli den Gang zum Amtsgericht, um ein Insolvenzverfahren zu beantragen.
Seit 2001 ergänzt die Manufaktur das Sortiment des Edel-Armaturenherstellers Dornbracht aus Iserlohn. In das Iserlohner Familienunternehmen war 2020 die Dortmunder Unternehmerfamilie Knauf eingestiegen. Jüngst wurde am Standort Iserlohn noch eine Millioneninvestition getätigt, um die Galvanik für neueste Anforderungen und Trends zu ertüchtigen. Für die Marke Dornbracht ist der deutsche Markt zwar wichtig, mit ihren Luxusprodukten sind sie aber weltweit erfolgreich. „Es sind aktuell sehr herausfordernde Zeiten für die Sanitär-Branche, insbesondere in Deutschland. Das spüren auch wir sehr deutlich bei Dornbracht. Wir sind jedoch international gut aufgestellt und können dadurch regionale Schwankungen besser kompensieren. Unsere globale Präsenz bauen wir schon seit vielen Jahren kontinuierlich aus: Zuletzt haben wir 2022 unser Büro in Shanghai vergrößert und um einen repräsentativen Showroom ergänzt. Zusätzlich haben wir neue Niederlassungen in den Wachstumsmärkten Thailand und Vietnam gegründet. Noch in diesem Jahr eröffnen wir ein Dornbracht Experience Center in Singapur und im Frühjahr 2024 folgt ein Showroom im angesagten Mailänder Designviertel Brera“, erklärt Stefan Gesing, Vorstandsvorsitzender der Dornbracht AG, auf Anfrage dieser Zeitung. Zur kleinen in Schieflage geratenen Tochter Alape hält man sich in Iserlohn derzeit lieber bedeckt und verweist auf den Insolvenzverwalter.
Kategorie gehobene Keramik
Dass insbesondere die Sanitärbranche derzeit so große Problem auf dem deutschen Markt hat, dürfte in Teilen nicht nur an der Bauflaute liegen, sondern auch mit Unsicherheiten rund ums Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung zu tun haben. Vor der Antwort darauf, wie hübsch ich bade oder dusche, gilt es für Bauherren die Fragezeichen auszuräumen, wie in Zukunft überhaupt warmes Wasser im Gebäude fließt. Also: wie heize ich? Gleich, ob die von der Bundesregierung ständig angepriesene Wärmepumpe oder eine mit den fossilen Energieträgern Gas oder Öl betriebene Brennwerttherme die Lösung ist – die Installateure sind rar und derzeit viel mehr mit Heizungsbau als dem Aus- und Neubau von Luxus-Bädern beschäftigt.
Und schließlich gehören die Sauerländer Armaturen- und Sanitärmöbelhersteller eher zur Kategorie gehobene Keramik. In Zeiten, in denen die Budgets knapper werden, dürfte der Eigenheimbesitzer eher zu solider Baumarktware greifen. Von einer Dauerkrise geht die Branche dem Vernehmen nach allerdings nicht aus. Im kommenden Jahr rechnet man wieder mit besseren Geschäften. Davon, dass momentan die Einnahmen nicht sprudeln, will man sich nicht beirren lassen.