Herne. Motivierte Leute seien in Deutschland schwer zu finden, sagt der Chef der Herner Baufirma Heitkamp – und setzt auf ein anderes Land.
Autobahnen, Brücken, Stromleitungen – beim Herner Bauunternehmen Heitkamp gibt es derzeit jede Menge zu tun. Firmenchef Jörg Kranz braucht neue Beschäftigte. „Wir suchen fieberhaft Fachkräfte“, sagt der Unternehmer. Doch in Deutschland werde es „zunehmend schwieriger, motivierte Leute für den Bau zu finden“. Fündig ist Kranz stattdessen in der Mongolei geworden. Mit hohem Aufwand holt er die Zuwanderer aus Ostasien ins Ruhrgebiet, kümmert sich um Wohnungen und knüpft Kontakte zu Sportvereinen, um die Menschen vor Ort zu integrieren. Rund 600 Beschäftigte gehören derzeit zur Belegschaft des Herner Familienunternehmens, etwa 40 davon kommen aus der Mongolei, darunter 16 Auszubildende – Tendenz steigend.
„Die Leistungsbereitschaft ist wirklich beeindruckend“, sagt Heitkamp-Inhaber Kranz. „Die Leute hängen sich richtig rein, oft sogar mehr als andere. Es ist Ehrgeiz da, und der Wille, sich etwas aufzubauen.“ Er hoffe auf eine langfristige Verbundenheit der mongolischen Beschäftigten, die zwischen 18 und 28 Jahren alt sind. „Uns geht es hier wirklich nicht um billige Arbeitskräfte“, beteuert Kranz. „Wir wollen die Menschen integrieren. Sie sollen auf Dauer bei uns bleiben.“
Delegationsreise mit Verkehrsminister Wissing in die Mongolei
Drei Jahre dauert die Ausbildung. Die ersten Auszubildenden aus der Mongolei sollen im nächsten Jahr fertig sein. Das Ziel sei, „alle zu übernehmen“, sagt Sabrina Kranz, die Tochter des Firmenchefs, die als Geschäftsführerin im familieneigenen Betrieb tätig ist. Vor wenigen Wochen hat Sabrina Kranz an einerDelegationsreise mit Bundesverkehrsminister Volker Wissingin die Mongolei teilgenommen, um die Kontakte im Land zu vertiefen. „Es soll keine einseitige Sache sein“, betont Jörg Kranz. „Deshalb wollen wir uns auch bei Bauprojekten in der Mongolei einbringen, obwohl wir ansonsten nicht im Ausland aktiv sind.“ Geplant sei unter anderem, dass Heitkamp Brücken mit einem Schnellbau-Systemfür die Mongolei liefere.
„Wir haben natürlich auch dafür gesorgt, dass die Menschen eine Bleibe bei uns haben“, erzählt Jörg Kranz. „Für die Neuankömmlinge haben wir Wohnungen bei uns gegenüber unserer Hauptverwaltung geschaffen. Für die Leute, die schon länger hier sind, haben wir Wohnungen an unterschiedlichen Stellen in der Stadt angemietet.“ Die Mitarbeiter unterstütze Heitkamp zum Teil auch finanziell bei der Mietzahlung. „Uns geht es wirklich darum, dass die Menschen hier ankommen“, sagt Kranz. „Deshalb haben wir auch Kontakte zu Sportvereinen bei uns vor Ort hergestellt. Manche Azubis spielen Basketball, andere Fußball. Das hilft auch, wenn es darum geht, die deutsche Sprache zu lernen.“
„Am ersten Tag hatte ich einen Kulturschock“
Einer der Azubis von Heitkamp ist der 23-jährige Ider Munkh-Ochir. Er ist seit etwa anderthalb Jahren in Deutschland und absolviert eine Ausbildung als Asphaltbauer. Eine erste Zwischenprüfung hat Munkh-Ochir bereits mit Erfolg bestanden. In der Freizeit spielt er beim Herner TC Basketball. „Am ersten Tag hatte ich einen Kulturschock“, erzählt der 23-Jährige. Vor allem die deutsche Sprache sei eine Herausforderung. Aber Munkh-Ochir zeigt sich hochmotiviert.
„Ich habe Respekt ohne Ende“, sagt Jörg Kranz, wenn er über die Zuwanderer spricht. „Unsere Erfahrungen mit den Leuten aus der Mongolei sind hervorragend. Daher wird es ganz sicher nicht bei den 40 Menschen bleiben, die schon bei uns sind. Es kommen weitere hinzu.“
Für das Ausbildungsjahr 2024 hat Heitkamp kürzlich sechs neue Ausbildungsverträge mit Zuwanderern aus der Mongolei abgeschlossen. Straßenbauer, Beton- beziehungsweise Stahlbetonbauer und Asphaltbauer – das sind die Ausbildungsberufe. „Unsere derzeit 16 mongolischen Auszubildenden und die bereits sechs ausgewählten stellen dann etwa ein Drittel unseres betrieblichen Nachwuchses dar“, erklärt Sabrina Kranz. „Daran lässt sich ablesen, wie ernst wir das Thema nehmen.“ Es gebe auch schon erste Beschäftigte, die ihre Familien nach Deutschland holen wollen. „Das ist ganz in unserem Sinne“, betont die Geschäftsführerin.
Heitkamp-Chef: „Unser Lebensstandard in Deutschland ist deutlich höher“
Was die Menschen aus der Mongolei bewege, ihre Heimat zu verlassen und nach Deutschland zu kommen? „Die Mongolei ist ein wunderschönes Land, auch für uns Deutsche als Tourismusziel. Aber unser Lebensstandard in Deutschland ist deutlich höher“, sagt Jörg Kranz. „Auch die Verdienstmöglichkeiten sind es. Ich sage gerne salopp: In der Mongolei gibt es mehr Pferde als Einwohner. Viele Familien sind von einer Nomaden-Kultur geprägt. Für die jungen Leute ist es einfach sehr spannend, nach Deutschland zu kommen. Sie können sich hier ein neues Leben aufbauen.“
Vor der Ausreise organisiert Heitkamp Sprachkurse in der Mongolei beim dortigen Goethe-Institut. „Aber natürlich sind die Leute noch weit davon entfernt, fließend Deutsch zu sprechen, wenn sie bei uns anfangen“, gibt Sabrina Kranz zu bedenken. Das Schriftbild in der Mongolei – ein Land, das an Russland und China grenzt – ist ein anderes als in Europa. „Das ist eine Herausforderung. Aber da die Leistungsbereitschaft stimmt, gibt sich das mit der Zeit.“
„Da geht es oft um Themen wie Work-Life-Balance oder die Vier-Tage-Woche“
Auch Sabrina Kranz lobt die Motivation der Menschen aus der Mongolei. „Wenn ich mich in Berufsnetzwerken wie LinkedIn umschaue, dann geht es da oft um Themen wie Work-Life-Balance oder die Vier-Tage-Woche“, sagt sie. „Dies ist in einigen Branchen sicherlich einfacher umzusetzen als in der Baubranche. Umso erfrischender ist es, mit unseren mongolischen Azubis zu sprechen. Da ist zu spüren: Hier stimmt die Motivation.“
Ihr Unternehmen habe im Übrigen nicht nur Männer eingestellt, sondern auch sechs Frauen. „Unser Eindruck ist, dass es in der Mongolei üblich ist, körperlich hart zu arbeiten. Körperlich anstrengende Berufe sind für Frauen in der Mongolei akzeptiert“, sagt Sabrina Kranz. „Für manche, die zu uns nach Deutschland gekommen sind, wäre eine Alternative gewesen, nach Südkorea oder Japan auszuwandern, um dort zu arbeiten.“
Heitkamp-Inhaber Jörg Kranz plädiert dafür, bürokratische Hürden bei der Zuwanderung von Fachkräften in Deutschland abzubauen. „Ein Thema sind Dokumente, die benötigt werden, damit die Menschen aus der Mongolei bei uns arbeiten dürfen“, sagt er. „Arbeitszeugnisse, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es nicht in der Mongolei. Es lässt sich also auch nicht so leicht bei einer Behörde nachweisen, dass jemand eine Tätigkeit ausgeübt hat, die für uns interessant ist. Aber klar ist doch auch: Wir wissen sehr genau, wen wir gerne bei uns als Arbeitskraft hätten.“ Er habe den deutschen Behörden versichert, „dass sie sich keine Sorgen machen“ müssten. „Wir wollten zusichern: Falls es mal nicht klappt, bezahlen wir auch das Rückflug-Ticket. Aber ein solcher hemdsärmeliger Ansatz passt nicht so recht zu unserer Bürokratie. Ich finde aber: Mehr Pragmatismus wäre gut.“
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür