Essen. Das legal gerauchte Gras kommt noch vom Schwarzmarkt. Um kommerziellen Anbau wird gerungen. NRW-Kammer stellt Cannabis-Lehrgänge wieder infrage.

Für den medizinischen Gebrauch darf in Deutschland Cannabis kommerziell angebaut werden, für den Genuss nicht. Unternehmen, die bereits Cannabisprodukte herstellen, importieren oder vertreiben, haben natürlich auf den großen Durchbruch durch die Legalisierung in diesem Jahr gehofft - und tun dies immer noch. Doch ihre Pläne, etwa für Fortbildungen zum lizenzierten Cannabis-Anbauer oder für neue Ausbildungsberufe rund um die Cannabiswirtschaft, liegen einstweilen auf Eis.

Die Landwirtschaftskammer NRW sagte unserer Redaktion, Ideen zu Cannabis-Fortbildungen würden „nicht weiter vertieft“. Vor rund einem Jahr hatten der Düsseldorfer Arzneimittel-Großhändler Kineo und die Landwirtschaftskammer eine Absichtserklärung für die Entwicklung eines entsprechenden Lehrgangs unterzeichnet. Im Bildungszentrum Gartenbau und Landwirtschaft in Münster-Wolbeck sollten ausgebildete Landwirte und Gärtner zu „Cannabis-Fachkultivierern“ fortgebildet und zertifiziert werden.

Cannabis-Fortbildungen für Bauern? Landwirtschaftskammer NRW skeptisch

„Das ruht derzeit – ob es überhaupt kommt, steht in den Sternen“, sagte ein Sprecher der NRW-Kammer jetzt auf unsere Anfrage. Denn noch sei der kommerzielle Anbau ja nicht erlaubt, solange sei das auch kein Thema. Kineo erklärte, weiter an dem Lehrgang zu arbeiten. Man wolle „ein schlüsselfertiges Weiterbildungskonzept“ anbieten, sobald der kommerzielle Anbau erlaubt sei.

Das Rauchen eines Joints wurde zum 1. April teilweise legalisiert.
Das Rauchen eines Joints wurde zum 1. April teilweise legalisiert. © imago/Sven Simon | IMAGO stock

Dennoch erfreuen sich Cannabis-Unternehmen in den ersten Monaten dieses Jahres großer Beliebtheit. In freudiger Erwartung der Cannabis-Legalisierung in Deutschland zum 1. April hat sich etwa der Aktienkurs der Münchner Branchengröße Synbiotic seit dem Jahreswechsel fast verdreifacht. Allerdings gehen die Anleger damit eine recht unsichere Wette auf die Zukunft ein.

Denn das Cannabis-Gesetz der Ampel erlaubt zwar das Kiffen, aber nicht den kommerziellen Anbau und Vertrieb. Das soll zwar noch in der geplanten „zweiten Säule“ der Legalisierung geschehen, aber noch gibt es dafür keinen Gesetzentwurf. Ob die Ampel das in ihren verbleibenden knapp anderthalb Regierungsjahren noch hinbekommt? Diese Frage ist gerade nach dem Hickhack und dem vielen Ärger um das erste Legalisierungspaket offener denn je. Dabei geht in diesen Tagen nicht nur Kritikern der Legalisierung auf, dass die Koalition womöglich die falsche Reihenfolge gewählt haben könnte.

Wirklich legale Joints frühestens im Juni

Denn der Cannabis-Konsum ist jetzt zwar legal, aber einstweilen nur mit illegaler Beschaffung möglich. Wer in diesen ersten Apriltagen sogar öffentlich entspannt kiffen darf, muss sich sein Gras auf strafbare Weise besorgt haben. Erwachsene dürfen zwar ab sofort ihre eigenen Cannabispflanzen anbauen, doch bis diese zum ersten Mal erntereif blühen, dauert es in der Regel zehn bis zwölf Wochen. Die ersten wirklich legalen Joints kann es demnach frühestens im Juni geben. Wer auf sein Gras in den ab Juli erlaubten Anbauvereinigungen (Cannabis Social Clubs) warten will, kann erst im Herbst legal bezogenes Gras rauchen.

Selbst der Bezug der Hanfsamen ist rechtlich gesehen sehr ambivalent geregelt: Man darf sie nun aus EU-Staaten einführen, also in Onlineshops kaufen. Der Verkauf auch von Samen im deutschen Handel bleibt aber verboten und strafbar. Das stellte das Bundesgesundheitsministerium auf unsere Nachfrage klar. Ab Juli dürfen die Cannabis-Clubs Samen an ihre Mitglieder - zum Selbstkostenpreis - aber auch an Nichtmitglieder abgeben.

Düsseldorfer Cannabis-Konzern Kineo: Anbau in Clubs ist etwas für Fachkräfte

Doch wer organisiert in den Cannabis-Clubs den Anbau der je nach Mitgliederzahl beträchtlichen Mengen an Marihuana? Patrick Schmitt, der Wissenschaftliche Leiter am Kineo Campus, betont gegenüber unserer Redaktion, dafür werde hochqualifiziertes Personal benötigt. Bei 500 Mitgliedern dürfe ein Club immerhin 1500 weibliche Cannabispflanzen anbauen, benötige Zöglinge und für die Kultivierung auch männliche Pflanzen. Entsprechend müssten auch die Clubs große Flächen fachmännisch bewirtschaften.

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Das Düsseldorfer Unternehmen, bisher ein Großhändler vor allem für medizinische Cannabisprodukte, bietet bereits Lehrgänge für den Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf an. Kineo entwickelt aber auch neue Ausbildungsberufe rund um die Cannabiswirtschaft. Bisher geht es dabei dem Gesetz folgend ausschließlich um medizinisch genutztes Gras, um Handel und Vertrieb.

Cannabis-Experte: Hoffe, dass die nächsten Schritte zügiger kommen

Mit der Legalisierung verbindet das Unternehmen wie viele andere auch große Hoffnungen, hadert aber etwas mit dem Tempo der Ampel-Koalition bei der Umsetzung ihres Vorhabens. „Natürlich hoffen wir, dass die nächsten Schritte zügiger vorangetrieben werden - allein schon, um den Unternehmen etwas Planungssicherheit zu bieten, die bereits in hohem Ausmaß in entsprechende Infrastrukturen investiert haben“, sagt Kineo-Experte Schmitt, selbst Molekularbiologe. Und ergänzt: „Aus der bisherigen Erfahrung ergibt sich aber eher Hoffnung als Glauben.“ Andererseits sei auch klar, dass die bisherigen Änderungen erst einmal „verantwortungsvoll umgesetzt“ werden müssten.

Dass seit Ostermontag Besitz und Konsum von Marihuana erlaubt sind, man es faktisch aber noch illegal beschaffen muss, sei der „von uns vorhergesehene Gordische Knoten“, so Schmitt. Der Eigenbau stelle die eleganteste Lösung dar, die Kineo mit entsprechenden Online-Lehrgängen auch unterstütze. Aber: „Alle anderen Konsumenten sind darauf angewiesen, dass Behörden mit Augenmaß agieren“, betont er.

Was er damit meinen dürfte: So lange die Politik den kommerziellen Anbau und Handel von Cannabisblüten nicht erlaubt, viele Konsumenten aber darauf angewiesen wären, mögen die Ordnungshüter nicht so genau nachfragen, woher sie ihr Gras haben. Die Polizei und die Kommunen sehen sich allerdings bereits damit überfordert zu kontrollieren, ob Konsumenten in der Öffentlichkeit die Mindestabstände zu Kitas, Schulen und Sportstätten einhalten.

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