Berlin. Wer im Alter von Erträgen aus Aktien und ETFs leben will, sollte einiges beachten und sich in einem wichtigen Punkt nicht verrechnen.
Wer jahrelang in Aktien und ETFs investiert hat, steht im Ruhestand vor der Herausforderung, das eigene Depot zu entsparen. Ein Experte gibt Tipps und verrät auch, mit welchen einfachen Mitteln sich die Steuerlast verringern lässt.
Depot entsparen: Was heißt das eigentlich?
Ein Entnahmeplan ist das Gegenteil eines Sparplans, mit dem man in der Ansparphase monatlich einen gewissen Betrag in Aktien oder ETFs investiert. Grundsätzlich geht es darum, das angesparte Geld so aus dem eigenen Depot zu entnehmen, dass es für die Dauer des eigenen Lebensabends als zusätzliche Kapitalspritze neben der gesetzlichen Rente zur Verfügung steht.
Ab wann sollte man sich damit beschäftigen?
Etwa fünf Jahre vor Beginn der geplanten Entnahmephase lohnt sich ein detaillierterer Blick auf das Depot und die eigenen finanziellen Bedürfnisse im Ruhestand, sagt der Börsenexperte Hendrik Buhrs vom Geldratgeber Finanztip. Dann könne man sowohl genau beurteilen, was an Rente monatlich auf dem eigenen Konto lande – und was noch an zusätzlichen Finanzmitteln aus dem Depot kommen müsste, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können.
Kann man in der Rente nicht einfach alle Aktien und ETFs verkaufen?
Grundsätzlich ist das natürlich möglich, allerdings nicht unbedingt zu empfehlen. Vor allem steuerlich könnte es sich auszahlen, lediglich in Tranchen Aktien und ETFs abzustoßen. Zudem würde man bei einer kompletten Depotauflösung auch nicht weiter von möglicherweise positiven Entwicklungen am Kapitalmarkt profitieren.
Wie sollte man vorgehen?
„Nicht überoptimieren“, sagt Experte Buhrs. Grundsätzlich sollte man sich zunächst von der Idee freimachen, alles perfekt machen zu können. „Ein Stückchen ist Börse immer Kontrollverlust, wir wissen ja nicht, was passiert.“ Je näher die Entnahmephase aber rückt, umso besser kann man den derzeitigen Zustand der Finanzmärkte einschätzen. „Wenn die Antwort ist, dass es in letzter Zeit ganz gut gelaufen ist an den Börsen, kann man zeitnah damit beginnen, offensiver umzuschichten“, erklärt der Fachmann.
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Generell gehe es darum, das schwankungsanfällige und risikoreichere Aktienkapital in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Einen Teil des Geldes kann man deshalb zum Beispiel auf einem Tagesgeld-, aber auch zeitweise auf einem Festgeldkonto parken. Wer sich dagegen entscheidet, direkt einen größeren Teil des Depots zu verkaufen, sollte zunächst Berechnungen anstellen. Anfangen sollte man dabei mit der eigenen Lebenserwartung. Dabei empfiehlt es sich, großzügig zu sein. „Wir werden immer älter. Nichts ist ärgerlicher, wenn am Ende das Geld doch nicht reicht“, sagt Hendrik Buhrs. Danach kann man dann über Broker oder Bank eine monatliche Summe festlegen, die vom Depot wieder auf das eigene Konto wandern soll.
Buhrs empfiehlt dabei, auch auf die Gebühren zu achten. Anbieter, die sich genau auf diese Entsparphase spezialisiert haben, gibt es aber noch nicht. Bei höheren Gebühren könne es daher Sinn ergeben, die Auszahlung beziehungsweise den Verkauf von Wertpapieren nur einmal im Quartal oder sogar nur alle sechs Monate vorzunehmen oder die Papiere zu einem günstigeren Depot zu übertragen, so der Experte. Fachleute verweisen bei Entnahmen auch auf die Vier-Prozent-Regel. Demnach sollte als Faustregel gelten, über einen Zeitraum von 25 Jahren maximal vier Prozent des Depotvolumens pro Jahr zu entnehmen.
Wie gelingt es, möglichst wenig Steuern zu zahlen?
Grundsätzlich gilt derzeit für Kapitalerträge in Deutschland ein steuerlicher Freibetrag (Sparerpauschbetrag) in Höhe von 1000 Euro pro Jahr. Darüber fällt auf realisierte Gewinne mit Aktien und ETFs eine Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag an. Experte Buhrs empfiehlt, sich von dem Gedanken, möglichst viel Steuern zu sparen, nicht verrückt machen zu lassen. „Grundsätzlich sind gezahlte Steuern beim Investieren ja ein gutes Zeichen, weil das zeigt, dass meine Strategie erfolgreich war und ich Gewinne erzielt habe“, sagt er. Dennoch lässt sich die Steuerlast optimieren, meint der Experte.
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Grundsätzlich sind Broker und Banken angehalten, Aktien nach der sogenannten FIFO (First In, First Out)-Methode zu verkaufen. Das heißt, die ältesten Aktien werden zuerst abgestoßen, gefolgt von den neueren Positionen. Weil anzunehmen ist, dass der Wertzuwachs bei den älteren Papieren am größten ist, zahlen Anleger bei diesen Verkäufen allerdings auch die meisten Steuern. Umgehen ließe sich das zum Beispiel mit einem Zweitdepot, auf das sich die älteren Aktien verschieben ließen, so Experte Buhrs. Im bestehenden Depot könne man dann kürzer gehaltene Wertpapiere abstoßen – und so die Steuerlast reduzieren.
Darüber hinaus könnte sich unter Umständen auch eine Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt in Bezug auf eine Günstigerprüfung lohnen. Liegt der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent, winkt eine Rückerstattung von Teilen der gezahlten Abgeltungssteuer.
Hilft der Umzug in ein steuergünstigeres Land?
Das ist eine Frage, die man generell besser mit Steuerberatern besprechen sollte. Finanztip-Experte Buhrs empfiehlt generell nicht, allein aus steuerlichen Gründen sein gewohntes Umfeld zu verlassen. Manche Staaten haben zwar günstigere Steuersätze als Deutschland. „Je nach Zielland gibt es aber unterschiedliche Regeln. Wer beispielsweise nicht auf den jährlichen Grundfreibetrag verzichten möchte, sollte sich beraten lassen“, sagt Buhrs. Sonst verheddert man sich schnell in der komplexen Thematik.
Welche Risiken bestehen bei einem Entnahmeplan?
Zum Beispiel, dass das Geld nicht reicht. Hier hilft dann nur noch, den eigenen Lebensstandard einzuschränken – oder vorab eine Rentenversicherung abzuschließen, die monatlich eine gewisse Summe auszahlt. Beachten sollte man dabei aber die Höhe der Gebühren.
Will die Politik Sparer steuerlich entlasten?
Generell ja. Wie, ist aber umstritten. Die Sprecherin für Altersvorsorge und Kapitalmärkte der FDP-Bundestagsfraktion, Anja Schulz, sagte dieser Redaktion: „Nach wie vor ist der einfachste Hebel, die Vermögensbildung und Altersvorsorge über Steuerbegünstigungen anzureizen. Aus diesem Grund dürfen wir eine Debatte über die Wiedereinführung der Spekulationsfrist für Wertpapiere nicht scheuen.“ Auch über den Sparerpauschbetrag müsse man sprechen. 1000 Euro reichten nicht für die Rente.
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