Gelsenkirchen/Bochum. Weniger Benzin, weniger Diesel: Aral-Mutterkonzern BP kürzt drastisch die Kraftstoff-Produktion – und streicht Jobs in Gelsenkirchen.

Der britische Mineralölkonzern BP plant tiefe Einschnitte an seinem Raffinerie-Standort in Gelsenkirchen. Schon ab dem kommenden Jahr will der Mutterkonzern von Deutschlands größter Tankstellenkette Aral fünf Anlagen in den Gelsenkirchener Stadtteilen Horst und Scholven außer Betrieb nehmen. Dies könnte nach Einschätzung von BP zu einer Reduzierung der Produktionskapazität von derzeit rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl auf rund acht Millionen Tonnen pro Jahr führen. Mit Blick auf die Stilllegung der fünf Anlagen spricht BP von „einem ersten Schritt“.

Das Unternehmen reagiere damit auf eine zurückgehende Nachfrage nach konventionellen Kraftstoffen, erklärt der Aral-Mutterkonzern. „Wir stellen uns auf eine abnehmende Nachfrage bei Benzin und Diesel ein“, sagt Arno Appel, der Leiter der Raffinerie in Gelsenkirchen, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir reduzieren die Produktionsmenge, und wir verringern die Komplexität am Standort. Derzeit betreiben wir drei Produktionsstränge, in denen wir Rohöl verarbeiten. Einen davon nehmen wir außer Betrieb.“

Gelsenkirchens Raffinerie-Chef Appel: „Sind nicht wettbewerbsfähig“

Momentan sei der Raffineriestandort von BP in Gelsenkirchen „nicht wettbewerbsfähig“, betont Appel, ein niederländischer Manager, der für den britischen Mineralölkonzern schon an zahlreichen Standorten in Europa, Nordamerika und Asien tätig war. Mit Blick auf die Raffinerie im Ruhrgebiet sagt er: „Wir sind zu komplex und – nicht nur dadurch – mit strukturell zu hohen Kosten belastet.“

BP geht Konzernkreisen zufolge davon aus, dass rund 230 Arbeitsplätze vom Abbau betroffen sind. In der Raffinerie werde es künftig insgesamt weniger Arbeitsplätze geben, heißt es dazu in einer Mitteilung des Konzerns, in der keine Zahlen zum bevorstehenden Job-Abbau genannt werden. Mit den geplanten Veränderungen gebe es „Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation vor Ort“, erklärt BP lediglich.

Die Raffinerie von BP in Gelsenkirchen: Derzeit beschäftigt BP eigenen Angaben zufolge rund 2000 Mitarbeiter und 160 Auszubildende an den Raffinerie- und Petrochemie-Standorten in den Gelsenkirchener Stadtteilen Horst und Scholven. 
Die Raffinerie von BP in Gelsenkirchen: Derzeit beschäftigt BP eigenen Angaben zufolge rund 2000 Mitarbeiter und 160 Auszubildende an den Raffinerie- und Petrochemie-Standorten in den Gelsenkirchener Stadtteilen Horst und Scholven.  © Essen | Olaf Fuhrmann

Das Management strebt nun Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern an. „Unser Ziel ist es, möglichst betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden“, sagt Standortchef Appel im Gespräch mit unserer Redaktion. „In den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern wollen wir einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbaren.“

Werkschef Appel stellt die Beschäftigten auf weitere Veränderungen in der Ruhrgebiets-Raffinerie ein. „Der Umbau, den wir nun kommunizieren, ist ein erster Schritt bei der Transformation, die wir in Gelsenkirchen anstreben“, sagt Appel.

Derzeit beschäftigt BP eigenen Angaben zufolge rund 2000 Mitarbeiter und 160 Auszubildende an den Raffinerie- und Petrochemie-Standorten in den Gelsenkirchener Stadtteilen Horst und Scholven. Aus den zwölf Millionen Tonnen Rohöl, die der britische Mineralölkonzern bislang jährlich im Ruhrgebiet verarbeitet, entstehen Unternehmensangaben zufolge neben Benzin, Diesel, Düsentreibstoff und Heizöl auch zahlreiche Produkte für die Chemieindustrie. Neben seiner großen Bedeutung für die heimische Kraftstoff- und Energieversorgung spiele der Standort Gelsenkirchen auch „eine wichtige Rolle im Chemieverbund Nordrhein-Westfalen“, wird bei BP betont.

BP-Plan für Gelsenkirchen: Frittenfett als Alternative zum Rohöl

Bislang stellt BP in Gelsenkirchen ausschließlich konventionelle Produkte auf Basis von Rohöl her. „Das ändern wir nun“, sagt BP-Werkschef Appel. So will das Unternehmen einen sogenannten Hydrocracker umstellen, um damit auch biogene Rohstoffe verarbeiten zu können, beispielsweise alte Speiseöle wie Frittenfett. Geplant sei unter anderem die Produktion von emissionsärmeren Kraftstoffen, darunter nachhaltigere Flugkraftstoffe („Sustainable Aviation Fuels“).

Mineralölkonzerne wie BP müssen sich auf steigende Kosten für den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) einstellen. Mit den drei rohölbasierten Produktionssträngen sowie zwei Petrochemie-Anlagen entstehen Unternehmensangaben zufolge derzeit bei BP in Gelsenkirchen CO2-Emissionen von rund vier Millionen Tonnen pro Jahr. Die geplante Transformation könnte die CO2-Emissionen, die beim Betrieb des Standorts entstehen, ab 2026 um bis zu eine halbe Million Tonnen pro Jahr reduzieren.

Die BP Europa SE, zu der die Raffinerie in Gelsenkirchen gehört, beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 9000 Mitarbeiter in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und in Ungarn.
Die BP Europa SE, zu der die Raffinerie in Gelsenkirchen gehört, beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 9000 Mitarbeiter in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und in Ungarn. © dpa | Kin Cheung

Der Raffiniere-Komplex in Gelsenkirchen ist Teil der BP Europa SE, die ihre Hauptverwaltung in Bochum hat. Die BP Europa SE beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 9000 Mitarbeiter in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und in Ungarn. Seit dem Jahr 2002 ist Aral die Tankstellenmarke von BP in Deutschland. Aral ist bundesweit der Marktführer der Tankstellenketten. Mit dem Standort Gelsenkirchen und einer weiteren Raffiniere im niedersächsischen Lingen betreibt BP das zweitgrößte Raffinerie-System Deutschlands mit einer Verarbeitungskapazität von zuletzt rund 18 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr.

Bei der Gewerkschaft IGBCE wird die Entwicklung in Gelsenkirchen aufmerksam verfolgt. „Ein Konzept für die erfolgreiche Transformation von Deutschlands zweitgrößter Raffinerie ist überfällig. Es darf sich aber nicht allein auf Abschalten, Herunterfahren und Job-Abbau beschränken“, sagt Thomas Steinberg, der Leiter des IGBCE-Bezirks Gelsenkirchen. Der BP-Konzern müsse den Ausbau der Produktion emissionsärmerer Kraftstoffe „zügig mit detaillierten Plänen und unverrückbaren Investitionsbeschlüssen vorantreiben“, so der Gewerkschafter. „Bislang existieren sie nur auf dem Papier“, kritisiert er. „Mit uns wird es in Gelsenkirchen nur eine Transformation geben, die ohne betriebsbedingte Kündigungen und sozialverträglich organisiert wird“, so Steinberg weiter. „Der Konzern fährt Milliardengewinne ein – das Geld dafür ist also vorhanden.“

Wasserstoff-Ausbau in Lingen, aber nicht in Gelsenkirchen

Im vergangenen September hatte BP einen Ausblick zur künftigen Aufstellung des Unternehmens in Deutschland gegeben. Dabei ordnet das Management dem Standort Gelsenkirchen insbesondere die Produktion konventioneller Kraftstoffe zu. Auch die Nachfrage nach petrochemischen Produkten insbesondere in NRW soll die Ruhrgebiets-Raffinerie decken.

Den Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft treibt BP indes andernorts in Deutschland voran. So will der britische Energieriese seine Raffinerie im niedersächsischen Lingen bis zum Jahr 2030 zu einem „integrierten Energiezentrum“ weiterentwickeln. Zukunftsthemen seien unter anderem Biokraftstoffe sowie grüner Wasserstoff, heißt es bei BP.

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Der Veränderungsdruck in Deutschlands Raffinerien ist hoch, das wird auch beim BP-Konkurrenten Shell im Rheinland sichtbar. So will der Mineralölkonzern seine Rohöl-Verarbeitung am Raffinerie-Standort Wesseling im nächsten Jahr einstellen und nur noch im Werksteil in Köln-Godorf weiterführen. Etwa 3000 Beschäftigte arbeiten derzeit im „Energy and Chemicals Park Rheinland“. Auch Shell hat bereits den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt.

„Wenn ich auf Basis unserer aktuellen Pläne Richtung 2030 blicke, sehe ich eine breitere Aufstellung von BP in Deutschland“, kommentiert Patrick Wendeler, der Chef der BP Europa SE, im vergangenen September die Pläne. Unlängst ist BP auch in den deutschen Markt für Windenergie-Erzeugung auf hoher See eingestiegen. Die global agierenden Mineralölkonzerne – darunter auch BP – hatten infolge des Ukraine-Kriegs aufgrund gestiegener Öl- und Gaspreise hohe Milliardengewinne eingefahren, zuletzt aber Ergebnisrückgänge verzeichnet.