Essen. Zum Zusammenspiel von Signa-Firmen und der Essener RAG-Stiftung kommen neue Details ans Licht. Kuratorium befasst sich mit der Lage.
Im Zusammenhang mit millionenschweren Investitionen in mittlerweile insolvente Unternehmen aus dem Firmen-Imperium des österreichischen Geschäftsmanns René Benko muss sich die Essener RAG-Stiftung neuen kritischen Fragen stellen. Dabei geht es insbesondere um die Rolle des Finanzchefs der Stiftung, Jürgen-Johann Rupp, der in den Aufsichtsräten der Benko-Unternehmen „Signa Prime“ und „Signa Development“ vertreten war. Hätte nicht auffallen müssen, worauf sich die Stiftung eingelassen hat?
Wie durch einen Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ bekannt geworden ist, hat Rupp bei Hauptversammlungen der Signa-Firma Prime in den Jahren 2021, 2022 und 2023 nicht teilgenommen. Die RAG-Stiftung bestätigte dies auch auf Anfrage unserer Redaktion. Bei Treffen der Anteilseigner habe sich die Essener Stiftung teils durch Manuel Pirolt, den Finanzvorstand von Signa Prime, und eine Wiener Kanzlei vertreten lassen, die auch für Signa gearbeitet hat. Hat die Stiftung hier möglicherweise die Kontrolle vernachlässigt?
RAG-Stiftung hat sich bei Hauptversammlung von Signa-Firmen vertreten lassen
„Bei einem kleinen, abgeschlossenen Aktionärskreis nicht börsennotierter Gesellschaften ist es keine Besonderheit, dass die Hauptversammlung im kleinen Rahmen, das heißt ohne die Aufsichtsratsmitglieder stattfindet“, erklärt dazu die Stiftung. „Hinzu kommt, dass bei den Sitzungen auch die Aktionäre Vertreter bevollmächtigen und nicht anwesend sind.“ Themen der Hauptversammlung würden dann bereits vorab im Aufsichtsrat behandelt „und mit den Aktionären abgesprochen“, so die RAG-Stiftung. Es sei „rechtlich zulässig und auch üblich“, dass Anteilseigner sich auf Hauptversammlungen vertreten lassen. Die RAG-Stiftung habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. „Die Bevollmächtigten haben die ihnen übertragenen Stimmrechte ausschließlich gemäß den Weisungen der RAG-Stiftung ausgeübt.“
Wegen des Signa-Desasters steht die RAG-Stiftung unter Druck. In ihrer Bilanz für 2023 schreibt die Stiftung, die nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus in Deutschland die Folgekosten tragen soll, das komplette finanzielle Engagement in Sachen Signa ab, wie Vorstandschef Bernd Tönjes unlängst der FAZ sagte. Es gehe um eine Größenordnung zwischen 180 und 350 Millionen Euro.
Stiftung mit Vermögen in Höhe von 17,6 Milliarden Euro
Mit einem Vermögen von aktuell rund 17,6 Milliarden Euro ist die RAG-Stiftung einer der einflussreichsten Akteure der Wirtschaft im Ruhrgebiet. So ist die Stiftung unter anderem Mehrheitseigentümerin des Essener Chemiekonzerns Evonik. Auch beim Wohnungsriesen Vivawest sowie bei der früheren Thyssenkrupp-Aufzugtochter TK Elevator mischt die Stiftung mit. Insgesamt habe die Stiftung auch im Jahr 2023 „sehr gutes Geld verdient“, betont Tönjes. Er rechne mit einem Ergebnis „in einer Größenordnung um die 400 Millionen Euro“. Zum Vergleich: Die jährlichen Ausgaben für die sogenannten Ewigkeitsaufgaben nach dem Ende der Kohlezechen würden künftig bei rund 350 Millionen Euro liegen.
Die Verluste im Zusammenhang mit den Signa-Investments werfen dennoch kein gutes Licht auf die Stiftung. Ein heikler Punkt: Das Kuratorium der RAG-Stiftung, das als Kontrollgremium fungiert, ist politisch besetzt: Mitglieder sind unter anderem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der frühere CDU-Chef Armin Laschet leitet das Kuratorium. Laschet hat den Stahl-Unternehmer und früheren RWE-Chef Jürgen Großmann Ende 2022 abgelöst. Die starke politische Prägung der privatrechtlich organisierten Stiftung sei ein Manko, bemängelt der Bund der Steuerzahler – und verweist auf den Fall Benko.
Kuratorium soll sich am Mittwoch zu Telefonkonferenz zusammenschalten
Erst Ende November vergangenen Jahres hat das Kuratorium der RAG-Stiftung den Vertrag von Finanzchef Rupp einstimmig verlängert. Da war schon bekannt, dass es für die Stiftung ein Problem mit Signa geben würde. Rupp hat seine Aufgabe bei der Stiftung im April 2019 von seinem Vorgänger Helmut Linssen übernommen. Seine weitere, nun zweijährige Amtszeit soll am 5. April beginnen. Dem Vernehmen nach ist für Anfang Mai eine weitere Kuratoriumssitzung der RAG-Stiftung terminiert.
Schon für den Mittwoch (14. Februar) ist eine Telefonkonferenz des Kuratoriums geplant, bei der es um die aktuelle Lage gehen soll, wie unsere Redaktion aus mehreren Quellen erfuhr. Dabei dürfte auch das Thema Signa zur Sprache kommen. Ein Insider betont, es handle sich „um eine normale Abstimmung“. Es sei „keine Krisensitzung“.
RAG-Stiftung noch im Juni 2023 zufrieden mit Signa-Investments
Stiftungschef Tönjes betonte im FAZ-Interview, es sei das Jahr 2017 gewesen, als der damalige Stiftungsvorstand entschieden habe, bei „Signa Prime“ einzusteigen. Später wurde das finanzielle Engagement bei Benkos Firmenimperium allerdings noch ausgeweitet. Zur Gesellschaft „Prime“ gehören die Luxus-Immobilien des Signa-Reichs, unter anderem das Kaufhaus KaDeWe in Berlin, der in Bau befindliche Hamburger Elbtower sowie die Warenhäuser Oberpollinger in München und Alsterhaus in Hamburg.
Noch bei der Jahresbilanz der RAG-Stiftung im Juni 2023 hatte sich Rupp auf Nachfrage zufrieden mit Blick auf die Beteiligung an Signas Immobilien-Firmen gezeigt und betont, die Stiftung wolle an den Investments festhalten.
Der österreichische Geschäftsmann René Benko hatte über Jahre hinweg ein breites Netzwerk aufgebaut und namhafte Investoren für sich gewinnen können, unter anderem Tierfutter-Unternehmer Torsten Toeller („Fressnapf“), Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne – und eben auch die Essener RAG-Stiftung, die auf dem Welterbe-Gelände Zollverein residiert.
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Geld der RAG-Stiftung floss auch in die mittlerweile ebenfalls insolvente Signa-Sporthandelsfirma Signa Sports United (SSU) – über einen luxemburgischen Fonds der Essener Stiftung mit dem Kürzel „RSI S.C.S.“. Der „extern verwaltete“ Fonds habe zwei Darlehen an Unternehmen der Signa-Gruppe vergeben, erklärte die Essener Stiftung auf Anfrage. Im Saldo beider Darlehen verbleibe allerdings auch nach der Insolvenz von Signa Sports United „ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis“.
Andere Investoren hatten viel Geld im Zusammenhang mit dem Niedergang von Signa Sports United verloren. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erklärte vor wenigen Tagen, sie gehe von Verfehlungen des Signa-Sports-Managements im Zusammenhang mit einem Börsengang der Firma aus. Eine Gruppe von Aktionären des insolventen Unternehmens versuche nun unter Führung der DSW, in den Niederlanden auf juristischem Wege Schadenersatz zu erwirken.