Berlin. Olivier Van den Bossche und der Galeria-Insolvenzverwalter haben den Glauben an die Zukunft des Warenhauses nicht verloren. Noch nicht.
Es ist die dritte Insolvenz in dreieinhalb Jahren, doch es soll auch die letzte sein: Das sagt Stefan Denkhaus, der Insolvenzverwalter von Galeria Karstadt Kaufhof. Ob der Warenhauskonzern noch zu retten ist, wie viele der 92 Filialen überleben können und wie viele derzeit Verluste schreiben, erklären Denkhaus und Galeria-Chef Olivier Van den Bossche im Doppelinterview.
Herr Denkhaus, aktuell werden im Winterschlussverkauf in den Galeria-Kaufhäusern vor allem Waren der auslaufenden Saison verkauft. Kommen trotz Insolvenz in den nächsten Wochen neue Waren?
Stefan Denkhaus: Das Geschäft läuft ganz normal weiter – auch im Einkauf. Wir wollen ja einen Investor finden. Und der Prozess wäre zum Scheitern verurteilt, wenn wir jetzt keine Ware einkaufen würden, auch für den nächsten Winter.
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Können Ihre Lieferanten sicher sein, dass Ihre Rechnungen beglichen werden?
Denkhaus: Ja, Galeria wird jede Bestellung, die ab dem 9. Januar ausgelöst wurde, bezahlen. Der Grund der Insolvenz ist, dass es unter den gegebenen Umständen keine Fortführungsperspektive für das Unternehmen gibt. Es braucht einen neuen Eigentümer.
Herr van den Bossche, Sie sind aktuell auf Rundtour in den 92 Galeria-Standorten – was ist Ihr Eindruck? Was läuft gut? Woran hapert es?
Olivier van den Bossche: Ich bin immer mindestens zwei Tage in der Woche in den Filialen. Die Stimmung ist wirklich gut. Das haben Stefan Denkhaus und ich zusammen in Hamburg, in München oder in Bonn gespürt. Natürlich gibt es in einem solchen Prozess immer auch Ungewissheit, aber die Mitarbeiter verstehen, dass wir durch diese Insolvenz jetzt die Chance haben, uns von erdrückenden Mieten zu befreien und einen neuen Eigentümer zu finden.
Weil die Belegschaft glaubt, dass es ohne Signa und René Benko nur besser werden kann?
Van den Bossche: Wir verstehen dieses Verfahren ausdrücklich als einen Befreiungsschlag.
Herr Denkhaus, sie haben viel Erfahrung im Managen von Insolvenzen. Wie viele Insolvenzen kann ein Unternehmen überstehen?
Denkhaus: Es muss ganz klar das Ziel sein, dass das die letzte Insolvenz ist. Die Chancen sind gut. Das Verfahren wurde professionell vorbereitet. Wir sind in ruhigem Fahrwasser und können die Häuser gut durch diese Phase steuern.
Viele sagen, Warenhäuser sind ein totes Geschäftsmodell. Ist das Konzept, ist Galeria wirklich noch zu retten?
Denkhaus: Ich bin überzeugt: Das Warenhaus lebt. Galeria hat Zukunft und das ist auch entscheidend dafür, dass unsere Innenstädte nicht veröden.
Aber wir haben bei den vergangenen beiden Insolvenzen gesehen, dass nichts besser geworden ist. Und dass, obwohl sich der Konzern zweimal komplett entschulden konnte. Welche Erklärung haben Sie für die Dauerkrise?
Denkhaus: Das war eine andere Zeit. Die Zinswende hat dazu beigetragen, dass das System der von Immobilienentwicklern kollabiert ist. Und man muss sagen, dass die Mieten in den Signa-Immobilien für Galeria teilweise deutlich oberhalb dessen liegen, was man gewöhnlich an Mieten zahlt.
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Also liegt diese Insolvenz allein an den überhöhten Signa-Mieten? Demnach hat von den letzten beiden Insolvenzen nur Benko profitiert und die Warenhäuser in Deutschland weiter ausgesaugt?
Denkhaus: Im Insolvenzplan hat der Eigentümer ja auch hohe Investitionen versprochen, darauf haben die Gläubiger seinerzeit vertraut. Aber diese Mittel waren aufgrund der Insolvenzen in der Signa-Gruppe nicht mehr zu erwarten.
Die berühmten 200 Millionen Euro, die nie geflossen sind. Der Insolvenzverwalter der Signa Holding hat gerade erklärt, Forderungen innerhalb des Signa-Konzerns erkenne er nicht an. Meint er damit auch Ihre 200 Millionen?
Denkhaus: Ja. Aber wir sehen das natürlich anders als der Signa-Insolvenzverwalter.
Behalten Sie im Gegenzug nun die Mieten ein?
Denkhaus: So leicht geht das nicht, weil es unterschiedliche Gesellschaften sind. Ich kann nicht ohne weiteres der einen die Miete vorenthalten, weil die andere uns Geld vorenthält.
Aber letztlich war das doch ein Taschenspielertrick von Benko: Er hat Geld versprochen, aber nicht gezahlt, und weiter überhöhte Mieten kassiert.
Denkhaus: Da erlaube ich mir nach drei Wochen kein abschließendes Urteil. Die juristische Aufarbeitung im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens folgt später.
Herr Van den Bossche, Sie haben unlängst gesagt, 60 Filialen seien rentabel …
Van den Bossche: … es sind sogar mehr als 60.
Heißt das, die anderen rund 30 werden geschlossen?
Van den Bossche: Aber nein, operativ arbeiten alle Filialen rentabel …
… wirklich alle? Das überrascht.
Van den Bossche: Ja, vor Abzug von Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Mieten verdienen alle unsere Filialen Geld. Das Quartal von Oktober bis Dezember ist sehr gut gelaufen. Die Umsätze lagen über dem Vorjahr und die Besucherzahlen haben sich gegen den Markttrend erfreulich entwickelt.
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Und wie sieht es nach Abzug der Mieten aus?
Van den Bosche: Wir haben 16 Filialen, die durch die zu hohen Mieten unrentabel sind.
Und die befinden sich nicht zufällig in Signa-Immobilien?
Denkhaus: Wir verhandeln an erster Stelle die Mieten mit Signa nach. Aber nicht nur. Unser Zielkorridor ist ein Umsatzanteil der Mieten von zwischen sieben und 11 Prozent. Da sind wir noch nicht überall.
Gehört zu dem von Ihnen beschworenen Befreiungsschlag, mit dem Sie eine Loslösung von Signa und Benko verbunden haben, nicht zwangsläufig, sich aus seinen Häusern zurückzuziehen? Sind diese 16 Filialen also am ehesten gefährdet?
Denkhaus: Das kommt darauf an, wie die Verhandlungen laufen. Wir versuchen zunächst, alle Standorte zu erhalten.
Herr Van den Bossche, wie viele Filialen müssen Sie behalten, um genügend Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten zu behalten?
Van den Bossche: Es geht auch nicht nur um die Verhandlungen mit unseren Lieferanten oder für die Produktion unserer Eigenmarken. Wir brauchen auch eine gewisse Größe, um bundesweit vertreten zu sein. Das wird mit weniger als 60 Filialen schwierig.
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Wie viele potenzielle Investoren, die Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen wollen, haben sich bei Ihnen schon gemeldet?
Denkhaus: Es sind viele. Das stimmt mich optimistisch.
Wenn Sie schon nicht über Namen sprechen wollen: Können wir davon ausgehen, dass es sich um eine bunte Mischung handelt – um Investoren aus dem In- und Ausland, aus der Handels- und aus der Finanzinvestoren-Szene?
Denkhaus: Das ist richtig.
Welche Bedingungen muss ein Investor erfüllen, um Galeria Karstadt Kaufhof zu übernehmen?
Denkhaus: Wir haben am vergangenen Freitag einen mehrstufigen Prozess gestartet. Wir haben bereits jetzt erste Rückmeldungen von möglichen Investoren. Im nächsten Schritt geben wir ein sogenanntes Factbook mit mehr Informationen zu Galeria heraus. Danach erwarten wir Angebote, die noch nicht bindend sind. Dann gucken wir, mit wem wir in vertiefte Verhandlungen gehen.
Als René Benko im Jahr 2014 bei Karstadt einstieg, soll er die seinerzeit mehr als 80 Filialen für einen symbolischen Euro übernommen haben. Rechnen Sie bei dem Verkauf, der diesmal ansteht, überhaupt mit einem Verkaufspreis?
Denkhaus: Mein Anspruch als Insolvenzverwalter ist immer, die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu befriedigen.
Kommt auch ein Verkauf von Teilen der Warenhauskette infrage, also eine Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof?
Denkhaus: Wir haben den Plan, einen Investor für Galeria Karstadt Kaufhof als Ganzes zu finden. Wenn potenzielle Investoren Interesse an einzelnen Standorten oder Paketen von mehreren Filialen haben, nehmen wir dies zur Kenntnis. Bevorzugt sprechen wir aber zunächst einmal mit möglichen Käufern, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit weiterführen wollen.
Bis wann soll der Verkauf über die Bühne gegangen sein?
Denkhaus: Unser Ziel ist, die Verträge spätestens im April unterschrieben zu haben.