Essen/Bochum. Thyssenkrupp unter Anspannung: Konzernchef López sagt, Thyssenkrupp müsse „wieder mehr bieten als eine minimale Rendite“.
Es ist eine Art Ruck-Rede, die Thyssenkrupp-Chef Miguel López halten will am Freitag bei der Hauptversammlung des Konzerns in Bochum. Schon jetzt ist bekannt geworden, was der Manager sagen möchte, denn das Unternehmen hat sein Redemanuskript am Montagnachmittag vorab veröffentlicht. Dass Thyssenkrupp vor tiefgreifenden Veränderungen steht, macht López mit eindringlichen Worten klar. Er präsentiert sich als Mann, der durchgreifen will – und bereit ist, harte Entscheidungen zu treffen.
Es sei für ihn deutlich zu spüren gewesen, dass die Aktionärinnen und Aktionäre von Thyssenkrupp zuletzt über viele Jahre nicht zufrieden gewesen seien mit den Ergebnissen des Unternehmens, „mit der Rendite auf ihr eingesetztes Kapital und mit der Entwicklung des Aktienkurses“. López schlägt sich auf die Seite der Investoren und sagt: „De facto konnten Sie damit auch nicht zufrieden sein.“ Wer sein Geld in Aktien von Thyssenkrupp angelegt habe und „dann feststellen muss, dass es weniger geworden ist und die Verzinsung nicht stimmt, kann das nicht gut finden“, sagt der Konzernchef. In Zukunft müsse Thyssenkrupp „wieder mehr bieten als eine minimale Rendite und einen unbefriedigenden Aktienkurs“.
López: „Da haben wir Nachholbedarf“
Das, so macht López klar, sei nicht nur eine Botschaft, die sich an Aktionäre richte, sondern auch an die Beschäftigten. „Wir müssen wieder klar und deutlich vermitteln: Ein Unternehmen ist nur dann gesund und hat eine gesicherte Zukunft, wenn es Kunden und Investoren für sich einnimmt und neu gewinnt. Da haben wir Nachholbedarf.“ Das diene „auch der Sicherheit und Perspektive von Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp und steht nicht dazu im Widerspruch“.
Auch auf den Vorwurf, das Management verspreche oft viel, aber halte wenig, geht López ein. Immer wieder habe er in den vergangenen Monaten gehört, so oder so ähnlich habe jeder neue Thyssenkrupp-Chef bei seinen ersten Auftritten gesprochen und dann enttäuscht. Eine Frage sei oft gewesen: „Warum sollen wir glauben, dass es diesmal endlich anders wird und es tatsächlich vorwärts geht?“ Das zeige, so López: „Der Glauben an die Erneuerungskraft unseres Unternehmens hat schwer gelitten. Wir müssen uns zurückkämpfen.“ Es ist ein Satz, der im Redemanuskript mit einem Ausrufezeichen endet.
Dividende trotz Milliarden-Verlusts von Thyssenkrupp
Vehement verteidigt López die Entscheidung, trotz des milliardenschweren Verlusts eine Dividende für das Geschäftsjahr 2022/23 zu zahlen. Hoffnung will er den Anlegern machen, indem er klare Finanzziele formuliert. Im Geschäftsjahr 2024/25 soll Thyssenkrupp eine Gewinnmarge („bereinigte Ebit-Marge“) von vier bis sechs Prozent auf Konzernebene erreicht haben. „Das kann nur der Anfang sein“, sagt López. „Für eine langfristig gute Zukunft des Unternehmens müssen wir den Rückstand gegenüber dem Wettbewerb aufholen und endlich liefern, was wir uns vorgenommen haben.“
Thyssenkrupp habe „gute Technik“, doch das allein reiche nicht aus, bemerkt López. „Denn das andere, was genauso offensichtlich ist, muss ich auch offen ansprechen: Wir stehen uns oft selbst im Weg. Es gelingt uns nicht ausreichend, technische Stärke in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen. Uns fehlt es an kommerziellem Gespür und unbändigem Siegeswillen.“
„Performance-Arbeit ist Kärrnerarbeit“
Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Konzerns werde mit Zumutungen verbunden sein. „Performance-Arbeit ist Kärrnerarbeit“, so López. „Sie ist mühsam, teils kleinteilig und anstrengend. Ich versichere Ihnen aber: Wir werden dabei nicht nachlassen und jeden Stein umdrehen, um Potenziale zu heben.“
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür
Neuigkeiten zu einem möglichen Teilverkauf des Stahlgeschäfts verkündet der Thyssenkrupp-Chef laut Redemanuskript nicht. Er bleibt bei der Formulierung, es liefen „konstruktive und ergebnisoffene Gespräche“ mit dem tschechischen Energieunternehmen EPH, das dem Milliardär Daniel Kretinsky gehört. Das Ziel sei die Gründung eines Stahl-Gemeinschaftsunternehmens, an dem Thyssenkrupp und EPH beteiligt sind. „Wichtig für uns ist: Wir brauchen eine gute Lösung für den Stahl, für die Beschäftigten beim Stahl, aber auch für unsere Kunden beim Stahl – und damit die deutsche und europäische Wirtschaft“, so López.
López zum Stahl: „Viele wichtige Fragen sind noch offen“
Keinen Hehl macht der Thyssenkrupp-Chef auch aus großen Unsicherheiten, vor denen die Stahlindustrie steht. „Viele wichtige Fragen sind noch offen“, sagt er. „Allen voran: Wo kommen die gigantischen Mengen grüner Energie her, die wir für einen klimaneutralen Betrieb der Anlagen benötigen? Nebenbei bemerkt: Auch die Frage, wie kommt der Wasserstoff kontinuierlich in ausreichender Menge zu der Anlage in Duisburg, ist noch längst nicht sauber beantwortet. Und wie sieht es bei den Kosten aus? Denn künftig werden die Energiekosten bei der Stahlherstellung bis zur Hälfte der Gesamtkosten ausmachen.“
Und dann schickt López noch eine Warnung hinterher: „Wir wollen ein Vorreiter und Kern künftiger dekarbonisierter Ökosysteme sein. Aber wir müssen teuflisch aufpassen, auf diesem sehr komplexen Transformationspfad als Unternehmen nicht aus der Bahn geworfen zu werden.“