Essen. Die Gewerkschaft Verdi hat am Donnerstag Busse und Bahnen in NRW lahm gelegt. Am Freitag steht die nächste Tarifrunde mit den Arbeitgebern an.

  • Am Donnerstag wurde in NRW der Nahverkehr bestreikt.
  • Während des ganztägigen Warnstreiks fielen in vielen NRW-Städten Busse, Straßen- und U-Bahnen aus.
  • 30 kommunale Verkehrsbetriebe beteiligten sich an dem Streik.
  • Die Warnstreiks fanden im Vorfeld der zweiten Tarifrunde am Freitag statt.
  • Verdi fordert unter anderem Entlastungstage und Schichtzulagen

Nach dem zweiten Warnstreiktag im öffentlichen Nahverkehr von Nordrhein-Westfalen innerhalb von knapp zwei Wochen setzen die Tarifparteien ihre Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen in den kommunalen Verkehrsbetrieben fort. Die Gewerkschaft Verdi mahnt zur zweiten Verhandlungsrunde an diesem Freitag ein Angebot der Arbeitgeber an. „Wir erwarten natürlich aufgrund des Drucks, den wir heute gemacht haben, dass die Arbeitgeberseite ein Angebot vorlegt und deutlich von ihren Positionen abrückt“, sagte Verdi NRW-Nahverkehrsexperte Peter Büddicker am Donnerstag der dpa. Er hatte deutlich gemacht, dass die Positionen bislang noch meilenweit auseinander liegen.

In Nordrhein-Westfalen kam am Donnerstag nach einem Warnstreikaufruf von Verdi in rund 30 kommunalen Verkehrsbetreiben der Nahverkehr mit Straßenbahnen, U-Bahnen und Bussen weitgehend zum Erliegen. Nur ein kleiner Teil der Linienbusse konnte in den Streikregionen fahren, die ohnehin von privaten Subunternehmen betrieben werden. Der Warnstreik begann nach Gewerkschaftsangaben planmäßig mit dem Schichtbeginn in der Regel zwischen 3 und 4 Uhr. In den betroffenen kommunalen Verkehrsbetrieben, in denen am Donnerstagabend eine Nachtschicht anstand, sollte diese noch bestreikt werden. Verdi NRW ging aber davon aus, dass dann am Freitagmorgen der Verkehr wieder normal rollt.

Verdi-Warnstreik in NRW: von Köln bis Dortmund

Bestreikt wurden am Donnerstag nahezu alle großen NRW-Nahverkehrsbetriebe wie KVB (Köln), Rheinbahn (Düsseldorf), DSW21 (Dortmund) oder die Stadtwerke Münster. Eine Ausnahme ist das Aachener Verkehrsunternehmen ASEAG, dessen Busse in Aachen und der Städteregion fahren und für das ein Haustarifvertrag gilt. Aber auch etwa RVK (Köln), RSVG (Troisdorf), OVAG (Gummersbach) und die WVG-Gruppe (Münster) wurden nicht bestreikt.

Vor dem Hintergrund des Warnstreiks im Nahverkehr ist der Donnerstagmorgen für viele Autofahrer in den Städten von Nordrhein-Westfalen eine harte Geduldsprobe gewesen.
Vor dem Hintergrund des Warnstreiks im Nahverkehr ist der Donnerstagmorgen für viele Autofahrer in den Städten von Nordrhein-Westfalen eine harte Geduldsprobe gewesen. © dpa | Rolf Vennenbernd

Die Gewerkschaft fordert insbesondere zusätzliche freie Tage. Es gehe darum, die Mitarbeiter zu entlasten und Berufe im öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten. „Was wirklich fehlt, sind junge Bewerber“, sagte Verdi NRW-Nahverkehrsexperte Büddicker. Die Arbeitgeber verweisen unter anderem darauf, dass die Gehälter für die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr in NRW wie bereits vereinbart zum 1. März deutlich steigen. Der Verhandlungsspielraum für weitere Forderungen sei deshalb eng begrenzt. Zusätzliche freie Tage würden aus Arbeitgebersicht dazu führen, dass angesichts des bestehenden Fahrermangels die dann vorhandenen Fahrerinnen und Fahrer mehr belastet würden.

In diesen Nahverkehrsbetrieben im und am Ruhrgebiet waren die Beschäftigten für Donnerstag zum Warnstreik aufgerufen:

„Wir liegen aktuell noch meilenweit auseinander. Während wir die Beschäftigten entlasten und somit den ÖPNV stärken wollen, setzen die Arbeitgeber auf verlängerte Arbeits- und Lebensarbeitszeiten. So wird der Fachkräftemangel nur dauerhaft verschlimmert“, begründete Verdi-Mann Büddicker die erneuten Warnstreiks. „Auf unsere seit Anfang Dezember bekannten Forderungen nur mit Gegenforderungen zu reagieren, deutet darauf hin, dass wir uns harten Verhandlungen stellen müssen.“

Verkehrslage beruhigt sich am Vormittag wieder

Der Warnstreik hatte sich am Donnerstagmorgen auch auf der Straße bemerkbar gemacht: Zeitweise meldete das WDR-Verkehrsradar fast 300 Kilometer Stau in ganz NRW. Vor allem Pendlerinnen und Pendler auf der A40 brauchten viel Geduld: Dort kam es vor allem rund um Essen auf zahlreichen Abschnitten zu langen Staus. Am Vormittag beruhigte sich die Lage jedoch wieder.

Der Nahverkehr reißt in den Revierkommunen Löcher in die Haushalte

Die Arbeitgeber verweisen auf ihre finanziellen Nöte: Der Nahverkehr sorgt in allen Städten seit jeher für Defizite und reißt Löcher in die kommunalen Haushalte, die mit Einsparungen und Einnahmen etwa der Stadtwerke gegenfinanziert werden müssen. Das trifft die meisten Nahverkehrsbetriebe im Ruhrgebiet ganz besonders, weil ihre Kommunen hoch verschuldet sind.

Nur wenige Menschen sind aufgrund des Warnstreiks im ÖPNV an den Busbahnhöfen unterwegs.
Nur wenige Menschen sind aufgrund des Warnstreiks im ÖPNV an den Busbahnhöfen unterwegs. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Verdi-Warnstreik im NRW-Nahverkehr: Alle Fragen und Antworten

Wo gibt es Informationen über Ausfälle?

Die kommunalen Verkehrsbetriebe informieren im Internet und in ihren Apps über den Warnstreik und die Auswirkungen. Sie verweisen auch auf die Fahrplanauskunft. An Haltestellen mit Anzeigetafeln sollen ebenfalls Informationen angezeigt werden.

Darf ich wegen des Warnstreiks auf der Arbeit oder in der Schule fehlen?

Nein. Das sogenannte Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer. Frühzeitige Absprachen mit dem Arbeitgeber sind auf jeden Fall von Vorteil - etwa über einen möglichen Wechsel ins Homeoffice oder auch über den Abbau von Überstunden. Für Schüler gilt in solchen Fällen weiterhin die Schulpflicht, wie etwa das NRW-Schulministerium mitteilte. Eltern müssten dafür sorgen, dass die Kinder zur Schule kommen.

Habe ich Anspruch auf eine Entschädigung?

Anders als bei Streiks der Deutschen Bahn, bei denen Fahrgäste einen Anspruch auf Entschädigung haben, können Menschen, die von Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Nahverkehr betroffenen sind, nicht auf einen Ausgleich hoffen:
Es besteht weder ein Anspruch auf Beförderung noch auf eine Erstattung des Fahrpreises. Auch die teilweise existierenden „Mobilitätsgarantien“ einzelner Verkehrsunternehmen gelten bei Streiks laut Verbraucherzentrale nicht.
Wer aufgrund des Streiks mit dem Taxi fährt, hat ebenfalls keinen Anspruch auf eine Erstattung der Auslagen.

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Verdi NRW fordert unter anderem Entlastungstage für alle Beschäftigten im ÖPNV. Für die Fahrerinnen und Fahrer ist ihr besonders wichtig, dass sie am gleichen Ort ihre Arbeit beginnen und beenden, damit sie nicht nach Feierabend noch Extrazeit aufwenden müssen, etwa um zu ihrem privaten Pkw am Startort zu kommen. Verdi will bessere Bedingungen erreichen, damit die Nahverkehrsbetriebe wieder genügend Personal anheuern können. Der Gewerkschaft zufolge fehlen bundesweit rund 80.000 Beschäftigte. Andrea Becker, die Landesfachbereichsleiterin für Verkehr bei Verdi NRW, erklärt: „Die Arbeitgeber fahren auf Verschleiß, das ist kein sinnvolles Vorgehen. Wir werden den Fahrbetrieb nur mit gesunden Beschäftigen auf Dauer aufrechterhalten können.“

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Hinzu kommen Forderungen nach Schicht- und Wechselschichtzulagen, einem vollen Monatsgehalt als Jahressonderzahlung und die Anrechnung von Überstunden ab der ersten Minute. „Ohne den ÖPNV wird es keine Verkehrswende geben. Und ein zuverlässiger und sicherer ÖPNV kann nur garantiert werden, wenn ins Personal investiert wird“, begründet Verdi NRW diese Forderungen. (mit dpa)