Essen. Knappschaft und AOK Rheinland/Hamburg sind die teuersten Kassen an Rhein und Ruhr. Wie viel sie draufschlagen und wer nicht erhöht.

Kurz vor Weihnachten legen jedes Jahr auch die letzten gesetzlichen Krankenkassen ihre Beitragssätze für das kommende Jahr fest. Was für 2024 einmal mehr bedeutet: Sie steigen in vielen Kassen und damit für Millionen Versicherte. Dies vor allem, weil besonders die großen Kassen diesmal kräftig zulangen: Eine der kräftigsten Erhöhungen hat mit der Barmer die zweitgrößte deutsche Krankenkasse beschlossen: Sie schlägt für ihre 8,6 Millionen Versicherten beim Zusatzbeitrag fast sieben Zehntel Prozentpunkte drauf - von 1,5 auf 2,19 Prozent. Das gab die Barmer am Mittwochabend bekannt - im letzten Satz einer ansonsten wenig spannenden Pressemitteilung.

Insgesamt frisst die Barmer damit 16,79 Prozent vom Bruttoeinkommen - Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen jeweils rund 8,4 Prozent. Die Erhöhung macht bei einem monatlichen Durchschnittsbruttoeinkommen von aktuell rund 4100 Euro immerhin ein Beitragsplus von immerhin fast 340 Euro pro Jahr aus, das sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen. Die Beiträge sind zu zahlen bis zur Beitragsbemessungsgrenze, die 2024 um knapp 200 Euro auf 5175 Euro steigt. Darüber hinaus werden keine Beiträge mehr fällig.

Bochumer Knappschaft erhöht um 0,6 Punkte auf 16,8 Prozent

Die Barmer bleibt damit nur knapp unter der teuersten Krankenkasse in NRW: der AOK Rheinland/Hamburg. Die in Düsseldorf sitzende Allgemeine Ortskrankenkasse hatte ebenfalls am Mittwochabend ihren neuen Zusatzbeitrag veröffentlicht - er steigt von 1,8 auf 2,2 Prozent. Mit ihrem Beitragssatz von insgesamt 16,8 Prozent teilt sie sich die Spitze in NRW mit der in Bochum sitzenden Knappschaftskasse, die ihren Zusatzbeitrag zum 1. Januar um satte 0,6 Prozentpunkte auf ebenfalls 2,2 Prozent anhebt. Unter den bundesweit noch knapp 100 Kassen die teuerste ist die AOK Nordost, die ihren Zusatzbeitrag um 0,8 Punkte auf 2,7 Prozent erhöht. Zum Vergleich: Im Durchschnitt steigt der Zusatzbeitrag aller Kassen nur marginal um ein Zehntel auf 1,7 Prozent.

Die Unterscheidung zwischen allgemeinem und Zusatzbeitrag ist eigentlich 2019 hinfällig geworden, als die damalige große Koalition wieder zu einer paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge zurückkehrte. Zuvor wurde nur der allgemeine Beitragssatz zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bzw. zwischen Rentnern und Rentenversicherung geteilt, die Beschäftigten und Ruheständler mussten den Zusatzbeitrag dagegen alleine zahlen. Das hat die Bundesregierung gegen den Willen der Arbeitgeber wieder geändert. Seitdem dient der allgemeine Beitragssatz nur mehr als Orientierungswert - 2024 bleibt er bei 14,6 Prozent.

Hier der Überblick über die größten gesetzlichen Krankenkassen, die Versicherte in NRW wählen können:

Krankenkassen in NRWZusatzbeitrag 2024Gesamtbeitragssatz 2024Veränderung zu 2023
AOK Rheinland Hamburg2,2 %16,8 %+ 0,4
AOK Nordwest1,89 %16,49 %+/- 0
Barmer2,19 %16,79 %+ 0,69
Bergische Krankenkasse1,99 %16,59 %+ 0,39
BIG Direkt Gesund1,65 %16,25 %+ 0,2
BKK 241,89 %16,49 %+ 0,1
BKK Diakonie1,8 %16,4 %+ 0,2
BKK exklusiv1,99 %16,59 %+/- 0
BKK Provita1,49 %16,09 %+/- 0
BKK Public1,2 %15,8 %- 0,2
Continentale BKK1,6 %16,2 %+ 0,2
DAK1,7 %16,3 %+/- 0
Energie BKK1,59 %16,19 %+/- 0
Hanseatische (HEK)1,3 %15,9 %+/- 0
hkk0,98 %15,58 %+/- 0
IKK ckassic1,7 %16,3 %+ 0,1
IKK gesund plus1,49%16,09 %+ 0,39
KKH1,98 %16,58 %+ 0,49
Knappschaft2,2 %16,8 %+ 0,6
Novitas BKK1,7 %16,3 %+ 0,16
Techniker (TK)1,2 %15,8 %+/- 0
Viactiv1,6 %16,2 %+/- 0

Die Kassenmanager machen die Bundesregierung für die Beitragssteigerungen verantwortlich. Der GKV-Bundesverband geht von einer Finanzierungslücke von 3,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr für alle Kassen aus, die über Beitragserhöhungen geschlossen werden muss. Versprochen, aber nicht eingehalten hat die Ampel-Koalition etwa höhere Beitragszahlungen für Bürgergeldempfänger, um die Ausgaben der Kassen für sie zu decken. Allein dadurch fehlen den Kassen zehn Milliarden Euro.

Bereits in diesem Jahr mussten die Kassen deshalb an ihre Substanz gehen: Die Bochumer Knappschaft etwa mit ihren 1,4 Millionen Versicherten erklärt, sie habe ihre Rücklagen allein in 2023 um knapp 120 Millionen Euro abbauen müssen. Sie fordert wie die AOK Rheinland/Hamburg Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, die GKV-Finanzierung durch eine Reform zu stabilisieren.

Die Techniker bliebt als größte Kasse günstig

Bei steigenden Ausgaben für Kliniken, Ärzte und Medikamente ist die Grundsatzfrage dabei immer, ob sie komplett auf die Beitragszahlerinnen und -zahler abgewälzt oder über höhere Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgemildert werden. Die aktuelle Haushaltskrise der Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schränkt die Spielräume dafür allerdings eher noch weiter ein. Bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) stehen viele Ministerinnen und Minister Schlange, um geplante Kürzungen zu verhindern. Lauterbachs Chancen auf höhere Zuwendungen stehen schlecht.

Zudem zeigt der Blick auf die Kassenbeiträge, dass beileibe nicht alle teurer werden. Die zweite große AOK in NRW etwa, die in Dortmund sitzende AOK Nordwest, hält wie viele andere Kassen auch ihren Beitragssatz stabil, in diesem Fall bei insgesamt 16,49 Prozent. Auch Branchenführer TK bleibt mit 15,8 Prozent für seine 11,4 Millionen Versicherten so günstig wie bisher. Einige wenige Kassen, in der Regel kleinere Betriebskrankenkassen, können ihre Beitragssätze sogar senken, zum Beispiel die BKK Public von 16,1 auf 15,8 Prozent.