Dortmund. Auf der Dortmunder Wasserstoff-Tochter Nucera ruhen große Hoffnungen. Sie ist schon halb so viel wert wie der Essener Mutterkonzern.

Werner Ponikwar verbreitet Aufbruchstimmung. Der Chef der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera sieht sein Unternehmen auf Wachstumskurs. Hatte die Essener Konzernmutter vor wenigen Wochen bei ihrer Bilanz für das Geschäftsjahr 22/23 noch einen milliardenschweren Verlust präsentiert, bietet sich bei Nucera in Dortmund ein ganz anderes Bild: Rote Zahlen bei Thyssenkrupp, doch bei Nucera ist alles im grünen Bereich. Um 70 Prozent hat sich der Umsatz erhöht – auf knapp 653 Millionen Euro. Der Gewinn vervielfachte sich von sechs Millionen auf 22,5 Millionen Euro. Die Auftragsbücher sind voll.

Kurz nach Weihnachten soll ein erster Nucera-Elektrolyseur für die Wasserstoff-Herstellung in den USA in Betrieb gehen, wie Werner Ponikwar berichtet. Bauarbeiten für ein weltweit beachtetes Großprojekt, an dem die Dortmunder ebenfalls beteiligt sind, laufen in Schweden, wo das erste europäische Werk für grünen Stahl entstehen soll. Für das Vorhaben namens „H2 Green Steel“ liefert Nucera Wasserelektrolyse-Anlagen. Das Verfahren, auf das die Thyssenkrupp-Tochter setzt, nennt sich „Alkalische Wasserelektrolyse“ – kurz AWE. Nucera stellt 20-Megawatt-Module her, mit denen in Kombination Großanlagen entstehen können. Die Bauteile lassen sich bei Bedarf verschiffen. Bei dem Projekt in Schweden geht es um mehr als 700 Megawatt.

Geld aus Börsengang von Nucera soll dem Wachstumskurs dienen

Die Thyssenkrupp-Tochter sieht sich als weltweit führend mit ihrer Technologie. Als Anlagenbauer hat die Firma, die früher Uhde Chlorine Engineers (UCE) hieß, jahrzehntelang Erfahrungen gesammelt. Im Sommer brachte Thyssenkrupp die Wasserstoff-Tochter erfolgreich an die Börse. Aus dem Erlös soll die Wachstumsstrategie finanziert werden. Denn die Anlaufkosten sind hoch. Nun würden die Weichen auf dem globalen Markt gestellt, betont Ponikwar.

So sehen die Anlagen aus, die Nucera baut: Die Vorstandsmitglieder Werner Ponikwar (links) und Arno Pfannschmidt präsentieren bei der Bilanzpressekonferenz in Dortmund ein Modell.
So sehen die Anlagen aus, die Nucera baut: Die Vorstandsmitglieder Werner Ponikwar (links) und Arno Pfannschmidt präsentieren bei der Bilanzpressekonferenz in Dortmund ein Modell. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Hoffnungen, die auf Nucera ruhen, sind groß. Das lässt sich auch am Börsenwert des Dortmunder Unternehmens ablesen. Die Marktkapitalisierung von Nucera liegt aktuell bei rund 2,1 Milliarden Euro. Dabei gehören gerade einmal rund 750 Mitarbeiter zu dem jungen Unternehmen. Zum Vergleich: Die traditionsreiche Essener Konzernmutter Thyssenkrupp mit ihren weltweit rund 100.000 Beschäftigten erreicht momentan nicht einmal vier Milliarden Euro als Wert an der Börse.

Allerdings ist der Aktienkurs von Nucera zuletzt unter Druck geraten. Beim Börsengang Anfang Juli kostete eine Nucera-Aktie noch 20 Euro, aktuell sind es knapp 17 Euro. Mit der Aktienkurs-Entwicklung sei das Management nicht zufrieden, räumt Finanzchef Arno Pfannschmidt ein. Der negative Trend betreffe allerdings die gesamte Branche.

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Thyssenkrupp hält weiterhin die Mehrheit am Dortmunder Elektrolyse-Spezialisten. Ebenfalls als Ankeraktionär an Bord geblieben ist der italienische Thyssenkrupp-Partner De Nora mit einem guten Viertel der Anteile. De Nora stellt im hessischen Rodenbach in der Nähe von Frankfurt Zellen für die Nucera-Elektrolyseure her. Mit der Frage, wie das Produktionsnetzwerk ausgebaut werden kann, befasse sich Nucera gerade, berichtet Unternehmenschef Ponikwar auf Nachfrage bei der Jahresbilanz in Dortmund. Dabei geht es auch um mögliche neue Standorte in Europa und in den USA, an denen Bauteile der Wasserstoff-Anlagen zusammengesetzt werden könnten.

Nucera als Teil der Thyssenkrupp-Klimaschutzsparte „Decarbon Technologies“

Nucera spielt auch beim Konzernumbau des neuen Thyssenkrupp-Chefs Miguel López eine Rolle. López bündelt die Aktivitäten des Konzerns mit Klimaschutz-Technologien in einer Sparte namens „Decarbon Technologies“. Wie auch Nucera soll der Bereich mit insgesamt etwa 15.000 Beschäftigten aus Dortmund geführt werden – und zwar von Vorstandschef López selbst. Neben Nucera sollen die Anlagenbauer Uhde, Polysius und Rothe Erde zur Debarbon-Einheit gehören. Sie befassen sich mit Geschäften rund um Ammoniak sowie die Zement- und die Windkraft-Industrie. Insbesondere mit dem Ammoniak-Spezialisten Uhde biete sich eine konzerninterne Zusammenarbeit an, sagt Nucera-Chef Ponikwar.

Die Vorzeige-Projekte von Nucera befinden sich derzeit noch im Ausland – in Schweden, in den USA und in Saudi-Arabien. Er habe aber die Hoffnung, dass Nucera auch „das eine oder andere Projekt“ in Deutschland realisieren könnte, erklärt Ponikwar. Im Fokus steht unter anderem der Stahlstandort Duisburg. Die Steag-Tochter Iqony verfolgt schon seit einiger Zeit Pläne für den Bau eines Elektrolyseurs, mit dem der Thyssenkrupp-Standort versorgt werden könnte. „Hydroxy Hub Walsum“ nennt sich das Vorhaben. Bis Herbst 2024 will Iqony eigenen Angaben zufolge entscheiden, welcher Anlagenbauer die Elektrolyse-Anlage mit zunächst rund 150 Megawatt Leistung errichten wird. Ein heißer Kandidat dürfte Nucera sein.