Essen. Thyssenkrupp rutscht tief in die roten Zahlen: Der neue Konzernchef López präsentiert bei der Jahresbilanz einen Verlust von zwei Milliarden Euro.

Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel López präsentiert bei seiner ersten Jahresbilanz für den Essener Stahl- und Industriegüterkonzern einen milliardenschweren Verlust. Unter dem Strich sei im Geschäftsjahr 2022/23 ein Fehlbetrag in Höhe von zwei Milliarden Euro entstanden, teilte das Unternehmen am Mittwochmorgen (22. November) mit. Ursächlich seien vor allem Wertberichtigungen in der Bilanz der Stahlsparte, zu der große Standorte in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen gehören. Im Vorjahreszeitraum hatte Thyssenkrupp noch einen Jahresüberschuss in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erwirtschaftet.

„Die Leistungsfähigkeit der Geschäfte ist nicht da, wo sie sein sollte – und das seit Jahren schon“, sagte López bei der Bilanzpressekonferenz im Essener Konzern-Quartier. „Wir verdienen zu wenig Geld.“

Thyssenkrupp-Chef López lotet derzeit die Chancen für einen Verkauf des Stahlgeschäfts an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky aus. Mit seinem Unternehmen EPH ist Kretinsky bereits in der deutschen Energiebranche aktiv. Im Jahr 2016 übernahm er vom Energieversorger Vattenfall das ostdeutsche Braunkohlegeschäft der Leag mit Kraftwerken und Tagebaugebieten in der Lausitz.

Mit Blick auf die konzerneigene Stahlsparte führe Thyssenkrupp „konstruktive und ergebnisoffene Gespräche“ mit dem Energieunternehmen EPH über ein potenzielles Gemeinschaftsunternehmen, sagte López. Bei den Plänen für Thyssenkrupp Steel spiele insbesondere die „Energieexpertise“ von EPH eine Rolle. Die Ausgestaltung eines potenziellen Joint Ventures mit dem tschechischen Geschäftsmann sei Gegenstand laufender Verhandlungen.

López bestätigte, dass mit EPH ein Gemeinschaftsunternehmen angestrebt werde, bei dem beide Partner jeweils zur Hälfte beteiligt sein sollen. „50-50 ist das Modell“, sagte der Thyssenkrupp-Chef.

Milliardenschwere Wertberichtigungen in der Stahlsparte

Die milliardenschweren Abschreibungen im Stahlgeschäft seien insbesondere aufgrund „kurz-, mittel- und langfristiger Ertragserwartungen“, die sich „zunehmend eingetrübt“ hätten, erforderlich gewesen, erklärte Thyssenkrupp.

Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel López vor der Bilanzpressekonferenz in Essen, in Begleitung von Oliver Burkhard (links) und Klaus Keysberg (rechts).
Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel López vor der Bilanzpressekonferenz in Essen, in Begleitung von Oliver Burkhard (links) und Klaus Keysberg (rechts). © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Sigmar Gabriel, der Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel, hatte bereits Mitte Oktober ein düsteres Bild von der Situation in der Stahlindustrie gezeichnet. Vor allem der überraschend starke Einbruch der Konjunktur, die Steigerung von Rohstoffkosten, „extrem hohe“ Energiepreise und starke Konkurrenz chinesischer Stahlerzeuger auf dem europäischen Markt hätten die Ertragserwartungen erheblich getrübt, berichtete Thyssenkrupp Steel nach einer Aufsichtsratssitzung vor einem Monat. Gabriel sprach von einer Gemengelage in Deutschlands Stahlindustrie, die „inzwischen existenzbedrohende Formen annimmt“.

Zur Stahlsparte von Thyssenkrupp gehört etwa ein Viertel der insgesamt knapp 100.000 Beschäftigten des Industriekonzerns. Die Geschäftsaktivitäten von Thyssenkrupp sind sehr unterschiedlich und reichen vom Werkstoffhandel und Autozulieferer-Betrieben über den Anlagenbau bis zu Werften für U-Boote. Die Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera, die vor einigen Monaten einen Börsengang absolviert hatte, plant für den 18. Dezember eine eigene Jahresbilanz-Pressekonferenz in Dortmund.

López will „hart an der Verbesserung der Performance“ arbeiten

Nach Einschätzung des neuen Thyssenkrupp-Chefs López kommt sein Unternehmen zwar bei der angestrebten Transformation voran, der Konzern müsse „aber weiter hart an der Verbesserung der Performance“ arbeiten. Immerhin verspricht López Besserung mit Blick auf die nächste Jahresbilanz. Nach dem nun vorgelegten Zwei-Milliarden-Euro-Verlust erwartet der Vorstand für den künftigen Jahresüberschuss „einen Anstieg auf einen positiven Wert im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“.

Trotz des aktuellen Verlusts plant das Thyssenkrupp-Management die Ausschüttung einer Dividende. Wie im Vorjahr sollen rund 93 Millionen Euro an die Aktionärinnen und Aktionäre fließen. Das entspricht 15 Cent je Aktie. Nach drei Nullrunden hatte Thyssenkrupp für das Geschäftsjahr 2021/22 erstmals wieder Geld an die Anteilseigner überwiesen – zu diesem Zeitpunkt noch unter Martina Merz, der Vorgängerin von Miguel López. Der Essener Krupp-Stiftung – mit einem Anteil von rund 21 Prozent größte Einzelaktionärin – sollen damit rund 19,6 Millionen Euro zukommen.

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