Hagen/Siegen/Witten. Die Deutschen Edelstahlwerke mit Werken in Hagen, Siegen, Witten und Krefeld sind Marktführer bei grünem Stahl, kämpfen aber um ihre Zukunft.

Der Stahlhersteller Swiss Steel Group mit seinem Tochterunternehmen Deutsche Edelstahlwerke (DEW) ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert für herausragende Leistungen bei der Reduzierung von CO2 in der Stahlproduktion. Auf dem Weg zu grünem Stahl ist DEW gut gerüstet und weiter als Branchenriesen, die in ihren Hochöfen unter Einsatz von Kohle Roheisen gewinnen und so erhebliche Mengen CO2 freisetzen. „Wir können bereits heute grünen Stahl liefern“, versichert ein Swiss-Steel-Sprecher dieser Zeitung mit Blick auf die Erzeugung in den Werken Siegen und Witten. Es müssten also eigentlich glänzende Zeiten für die DEW und den Schweizer Mutterkonzern sein. Tatsächlich steht das Unternehmen unter enormen Druck.

Die Auftragslage und die Umsätze 2023 liegen weit hinter den Erwartungen zurück. Während die Gewerkschaft IG Metall am Mittwoch Ihre Forderungen für die im November starteten Tarifverhandlungen Eisen und Stahl benennt, ist bei DEW für die Standorte Siegen, Hagen, Witten (mit Hattingen) und Krefeld bereits ein Restrukturierungstarifvertrag mit dem Abbau von rund 350 Arbeitsplätzen innerhalb eines Jahres unter Dach und Fach, und die Neuausrichtung in zwei eigenständige Unternehmen mit getrennten Prozessrouten Witten/Krefeld und Siegen/Hagen beschlossen.

37 Millionen Euro von Arbeitnehmern

Für die verbleibenden 3700 DEW-Beschäftigten bedeutet der jetzt beschlossene Haustarif erneut erhebliche finanzielle Einschnitte unter anderem mit Verzicht auf Sonderzahlungen, die sich am Ende auf 37 Millionen Euro addieren sollen. Eine Summe, die eins zu eins in die Werke in Deutschland investiert werden muss. „Darauf haben wir dieses Mal geachtet“, betont Thomas Richter, Betriebsratsvorsitzender am Standort Hagen.

Investitionen sind zwingend notwendig auf dem weiteren Weg zu grünem Stahl aus Deutschland, erläutert eine Sprecher der Swiss Steel Group: „Tatsächlich wird die Deutsche Stahlindustrie in Teilen bereits gefördert, um die Transformation zu schaffen. Die Hochofenroute muss dringend in umweltfreundliche Technologien investieren, um überhaupt in die Lage versetzt zu werden Green Steel produzieren zu können. Teilweise Technologien, die wir schon seit Jahrzehnten erfolgreich anwenden. Diese Investitionen werden mit Mitteln der öffentlichen Hand intensiv gefördert. Daraus darf kein Wettbewerbsnachteil für die mittelständischen Unternehmen der Elektrostahlroute wie zum Beispiel der DEW entstehen.“

Auch auf der gesamten Elektrolichtbogenofen-Route müsse der technologische Fortschritt weiter gehen. „Wir dürfen und wollen unseren technologischen Vorteil nicht verlieren, sondern müssen ihn ausbauen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Elektrifizierung weiterer Prozessschritte und der Einsatz von Wasserstoff im Energiemix sind für alle Neuland“, so der Sprecher.

Tatsächlich werden in den Werken Siegen und Witten Elektrolichtbogenöfen erfolgreich zu Herstellung des Produkts „Green Steel Climate+“ eingesetzt. Der in Witten und Siegen erzeugte Rohstahl liege beim eigenverantworteten CO2-Fußabdruck (Scope 1 und Scope 2) heute berist rund 94 Prozent unter dem weltweiten Durchschnittswert.

Grüner Stahl mit 100 Prozent Ökostrom

Überwiegend setzt DEW Stahlschrott ein, um in Witten und Siegen Rohstahl zu erzeugen – ein Pluspunkt bezüglich Nachhaltigkeit beziehungsweise Kreislaufwirtschaft. Bei DEW gilt bereits die Gleichung: Ist der eingesetzte Strom (Scope 2) grün, ist auch der Stahl grün, der in die Werke Krefeld, Hattingen und Hagen zur Weiterverarbeitung gebracht wird. „Wir sind beim Strom auf den angebotenen Energiemix in der jeweiligen Region angewiesen, können aber grundsätzlich alle unsere Produkte als „Green Steel Climate+ anbieten“, erklärt der Unternehmenssprecher.

In Krefeld experimentiert DEW zudem bereits mit Wasserstoff statt Erdgas zur Befeuerung eines Ringofens, um auch in der Weiterverarbeitung den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und in Zukunft auch diese Produkte komplett grün anbieten zu können. Hier muss der Konzern vermutlich auch einmal auf staatliche Förderung erhoffen, um die Technologie voranzubringen.

Die Elektrolichtbogenroute hat einen Vorsprung bei der Transformation zu grünem Stahl – in Deutschland hat sie allerdings gerade den immensen Nachteil, dass bei nicht wettbewerbsfähigen Strompreisen der erzeugte Stahl und die nachfolgenden Produkte zu teuer sind. Dies dürfte ein Grund für die aktuell schlechte Auslastung in den DEW-Werken sein. Eine prekäre Lage für die DEW, die zwar grüner als mit Milliarden subventionierte Mitbewerber ist, aber, glaubt man den Aussagen der Schweizer Konzernführung, von den hohen Energiekosten am Standort Deutschland immer tiefer in die roten Zahlen getrieben wird.

Dass man in der Schweizer Konzernzentrale einen Brückenstrompreis erhofft, ist also keine Überraschung. Vielmehr eine Notwendigkeit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Arbeitnehmerseite sieht dies so: „Wir brauchen den Brückenstrompreis – und Erfolge aus der Restrukturierung“, urteilt Betriebsrat Thomas Richter über die Zukunft der Deutschen Edelstahlwerke.