Essen. Die Schuhunternehmer Heinrich und Samuel Deichmann – Vater und Sohn – zeigen sich als Führungsduo und bieten tiefe Einblicke in ihre Firma.
Das Vater-Sohn-Verhältnis spielt im Unternehmen Deichmann seit jeher eine wichtige Rolle. Firmenchef Heinrich Deichmann kann sehr genau beschreiben, wie es war, als vor mehr als 20 Jahren der Generationswechsel im familiären Betrieb anstand. 1999 sei er zu seinem Vater gegangen, um darüber zu sprechen – ein besonderer Augenblick, denn der Firmenpatriarch Heinz-Horst Deichmann war es schließlich, der aus einem kleinen Schuhgeschäft im Essener Stadtteil Borbeck einen internationalen Branchenriesen gemacht hatte. Mit den Jahren übernahm indes Heinrich Deichmann zunehmend Verantwortung im Familienkonzern. Irgendwann sei dann der Moment gekommen, die veränderte Situation auch nach außen zu verdeutlichen, erinnert sich der heutige Firmenchef. Seinem Vater habe er gesagt, er habe das Gefühl, mehr und mehr das Unternehmen zu leiten: „Wollen wir das nicht auch mal so nennen?“ Dann habe Heinz-Horst Deichmann nachgedacht – und entschieden. „Am nächsten Tag wurde ich dann der Vorsitzende der Geschäftsführung, und dann war der Führungswechsel quasi auch amtlich.“
Das erzählt der heute 60-jährige Heinrich Deichmann, während sein Sohn Samuel Deichmann (30) neben ihm sitzt, im „OMR Podcast“ von Philipp Westermeyer. Es gibt also ein Vorbild dafür, wie der Übergang von einer Generation zur nächsten im Hause Deichmann gestaltet werden könnte. Noch, so ist zu hören, steht dieser Schritt nicht an. Heinrich Deichmann ist mit Elan bei der Sache. Auch beim gemeinsamen Podcast-Gespräch mit seinem Sohn hat Heinrich Deichmann den größeren Redeanteil. Aber Samuel Deichmann tritt zunehmend öffentlich in Erscheinung. So ist er unter anderem auf der Online-Plattform LinkedIn präsent, zeigt sich dort mit Beschäftigten oder kommentiert – meist in englischer Sprache – Neuerungen im Unternehmen.
Im „OMR Podcast“ präsentieren sich Vater und Sohn als Team. Einmal betont Heinrich Deichmann: „Ich bin froh, dass mein Sohn das jetzt gesagt hat.“ Da geht es gerade um das Online-Geschäft der Schuhhandelskette, die mit dem klassischen Filialgeschäft in Innenstädten und auf Einkaufsstraßen zu einem Milliardenkonzern geworden ist.
Nach wie vor sei das stationäre Geschäft das starke Standbein des Unternehmens, „aber natürlich wollen wir auch online wachsen“, betont Samuel Deichmann. Das Ziel sei aber, beide Geschäftsbereiche
miteinander zu vernetzen. „Omnichannel-Strategie“ wird es in der Handelsbranche genannt, wenn verschiedene Kanäle abgestimmt aufeinander laufen. So setzt Deichmann unter anderem auf Abholstationen („Click & Collect“) oder die Möglichkeit, online bestellte Schuhe in den Filialen abzuholen oder zurückzubringen.
In Europa ist Deichmann unangefochtener Marktführer unter den Schuhhändlern. Mehr als 48.000 Menschen beschäftigt die Essener Firmengruppe weltweit. Rund 4500 Filialen und über 40 Online-Shops (mit Marken wie Snipes, Onygo und My Shoes) in 31 Ländern gehören dazu. Sein Unternehmen sei bislang „gut durch die Krisenzeiten gekommen“, berichtete Heinrich Deichmann im Frühjahr vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung. Mit mehr als acht Milliarden Euro erzielte die Schuhhandelsgruppe im vergangenen Jahr einen Umsatzrekord. Zum Vergleich: In dem letzten nicht von Corona betroffenen Geschäftsjahr 2019 habe der bis dahin höchste Bruttoumsatz bei 6,4 Milliarden Euro gelegen. Rund 178 Millionen Paar Schuhe hat Deichmann nach eigenen Angaben in den Filialen und über Onlineshops im vergangenen Jahr verkauft, davon etwa 69 Millionen Paar Schuhe in Deutschland.
„Die Inflation führt bei den Menschen dazu, dass sie noch preisorientierter werden“, sagt Heinrich Deichmann. „Davon profitieren wir in gewissem Umfang.“ Viele Handelsunternehmen sind in den vergangenen Monaten arg unter Druck geraten und mussten Insolvenz anmelden – große Namen wie
Görtz, Reno, Salamander und Klauser bei den Schuhhändlern. Hinzu kommen im Textilhandelsbereich Marken wie Galeria, Gerry Weber, Esprit und P&C. „Das war fast immer im mittleren Preisbereich“, kommentiert dies Heinrich Deichmann. „Was der Mode-Einzelhandel in den letzten Jahren erlebt hat, das hat es seit dem Krieg so nicht gegeben.“ Corona-Pandemie, Lieferketten-Probleme, nun die Inflation – all das hinterlässt Spuren in der Branche.
Samuel Deichmann wiederum spricht ausführlich über das Digitalgeschäft des Familienkonzerns. „Es gibt verschiedene Firmen, die wir sehr, sehr ernst nehmen“, sagt er – und nennt Wettbewerber wie Amazon, H&M, Zara und Decathlon. Auf Nachfrage nennt Samuel Deichmann auch Zalando. Er beobachte die Konkurrenz und stelle sich die Frage, was sich auf das eigene Geschäft übertragen lasse. Es gehe um Fragen wie: „Wie nutzt man Kundendaten? Wie steuert man entsprechend sein Marketing gemäß dieser Kundendaten gut aus?“
Schnell wird klar, wie stark Samuel Deichmann bei der Steuerung des Unternehmens eingebunden ist. Seit drei Jahren ist er mittlerweile im Familienkonzern aktiv. Zuvor hat er Betriebswirtschaftslehre studiert und drei Monate in einem Kinderheim in Peru gearbeitet. Bis Mitte 2019 stand Samuel Deichmann in Diensten der Unternehmensberatung BCG in Berlin. „Mein Vater hat die Firma immer auch mit in die Familie hineingetragen“, erzählt Firmenchef Heinrich Deichmann. Auch deshalb sei ihm klar gewesen, dass er „gerne in seine Fußstapfen treten“ wolle. Gut möglich, dass sich irgendwann die Geschichte so oder so ähnlich bei Deichmann wiederholt.