Essen. Die Stadtwerke steigen bei der Steag aus: Die Evonik-Großaktionärin RAG-Stiftung will einsteigen – gemeinsam mit dem Milliardär Křetínský.

Die Essener RAG-Stiftung will sich an einer Übernahme des Energiekonzerns Steag beteiligen. Die Stiftung, die unter anderem Mehrheitsaktionärin des Chemiekonzerns Evonik ist, erwägt nach eigenen Angaben ein Bündnis mit dem tschechischen Bieter EPH. „Wir können bestätigen, dass die RAG-Stiftung in fortgeschrittenen Verhandlungen zur Bildung eines Konsortiums mit EPH ist“, erklärte die Stiftung auf Anfrage. Zuvor hatte unsere Redaktion von entsprechenden Erwägungen erfahren.

Derzeit gehört die Steag sechs Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet, die vor mehr als zehn Jahren eingestiegen sind. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe den Energieversorger vom Essener Chemiekonzern Evonik, der heute mehrheitlich der RAG-Stiftung gehört. Nach Querelen zur Strategie des Steag-Konzerns wollen sich die Städte – Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken – wieder verabschieden. In der Energiekrise brummt das Geschäft der Steag. Die beteiligten Städte können kurz vor ihrem Ausstieg aus dem Konzern mit einem milliardenschweren Gewinn rechnen.

Tschechischer Milliardär Daniel Křetínský feste Größe im Energiesektor

Der tschechische Milliardär Daniel Křetínský, mit dem sich die RAG-Stiftung zusammentun will, ist mit seinem Konzern EPH in der deutschen Energiebranche eine eingeführte Größe. Schon im Jahr 2016 hat Křetínský dem Energieversorger Vattenfall das ostdeutsche Braunkohlegeschäft der Leag mit Kraftwerken und großen Tagebaugebieten in der Lausitz abgekauft.

Möglichst noch in diesem Jahr wollen die an der Steag beteiligten Stadtwerke ihren Ausstieg besiegelt haben. Ende August könnten Verkaufsverträge unterzeichnet werden, ist zu hören – etwas später als zwischenzeitlich angestrebt. Der Abschluss der Transaktion sollte im Laufe des Jahres erfolgen. Dafür müssten allerdings auch die Wettbewerbshüter zustimmen, die bei einem womöglich milliardenschweren Deal zu konsultieren sind.

Anfang Juni hatte die RAG-Stiftung erklärt, sie habe sich nicht offiziell als Käufer beworben. Aber es liege „in der Natur der Sache“, dass der Name RAG-Stiftung im Zusammenhang mit der Steag „immer wieder fällt“, sagte Jürgen Rupp, der Finanzchef der Stiftung. Die Äußerungen passen zur aktuellen Entwicklung.

Auch ein spanischer Fonds soll Interesse an der Steag haben

Zwei Bieter seien noch im Rennen, hatte die auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierte Agentur Bloomberg vor einigen Tagen berichtet. Neben dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský mit seinem Konzern EPH gebe es auch Gespräche mit der Fondsgesellschaft Asterion Industrial Partners. Asterion muss sich in Deutschland hingegen noch bekannt machen. Mit Beteiligungen im Wert von rund fünf Milliarden Euro sei Asterion der führende Infrastruktur-Fonds in Spanien, erklärt eine beauftragte Kommunikationsagentur. Bei 15 Unternehmen, in denen Asterion das Sagen habe, seien rund 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Europa beschäftigt. Ein Beispiel sei der italienische Energiekonzern Sorgenia mit Sitz in Mailand, bei dem der spanische Fonds durch entsprechende Investitionen „und aktives Management den Anteil der erneuerbaren Energien im Erzeugungsmix deutlich“ gesteigert habe.

Der Steag-Konzern, der seit Jahrzehnten von Kohlekraftwerken geprägt wird, steht ebenfalls vor einem Umbau. Mit der Firmentochter Iqony, die zum Jahreswechsel gestartet ist, sollen grüne Geschäfte vorangebracht werden. In Iqony hat die Steag unter anderem ihre Solar-, Wind-, Geothermie-, Energiespeicher- und Wasserstoff-Projekte gebündelt.

Im Zuge einer Konzern-Aufspaltung ist ein großer Teil der Belegschaft zur neuen Tochterfirma gewechselt: rund 2300 Beschäftigte, davon gut 2000 in Deutschland. Das Kraftwerksgeschäft der Steag (3200 Beschäftigte) – unter anderem mit großen Standorten in Duisburg, Herne, im Saarland und im türkischen Iskenderun – trägt nun den Namen Steag Power. Zum Verkauf stehen sämtliche Bereiche der Steag. Entsprechend aufmerksam dürfte auch die Gewerkschaft IGBCE den Verkaufsprozess begleiten.

IGBCE: „Nachhaltiges und langfristiges Zukunftskonzept für die Steag“

Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis äußerte sich gegenüber unserer Redaktion vor wenigen Tagen optimistisch mit Blick auf den anstehenden Verkauf. „Der Steag-Verkaufsprozess liegt im Plan“, sagte Vassiliadis. „Für die Mitarbeitenden und die IGBCE ist entscheidend, dass ein möglicher Käufer ein nachhaltiges und langfristiges Zukunftskonzept für die Steag verfolgt, das den Konzern als Einheit weiterentwickelt und Standorten wie Beschäftigten neue Perspektiven bietet. Diese Kriterien erfüllen alle Kandidaten.“

Schon bei der Übernahme der Aufzug-Sparte von Thyssenkrupp hatte sich die RAG-Stiftung mit einem Bieter zusammengetan. Zusammen mit einem Finanzinvestoren machte die Stiftung dann auch das Rennen. Die Essener Stiftung, die von einem politisch besetzten Kuratorium mit dem früheren NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet an der Spitze kontrolliert wird, ist tief im Ruhrgebiet verankert. Entsprechend dürfte eine Beteiligung an der Übernahme der Steag auch bei der Gewerkschaft IGBCE vermutlich auf Wohlwollen treffen.

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